zwd Berlin. Bundesfamilienministerin Giffey schätzt das am Donnerstag (04. Juni) veröffentlichte Konjunkturprogramm als „großen familienpolitischen Erfolg“ ein. Ebenso setze das Maßnahmenpaket „wichtige Impulse“ für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Giffey erklärte, sie habe sich für eine verbesserte Situation der Familien und vor allem der Frauen stark gemacht und „spürbare Unterstützung“ sowohl für die Finanzen von einkommensschwachen Familien als auch zugunsten einer erweiterten Kinderbetreuung durchgesetzt.
Mit dem Konjunkturprogramm erhalten Familien einmalig einen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro pro Kind, die finanzielle Belastungen durch die Corona-Krise abfedern sollen. Der geplante Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen schafft laut Giffey für Eltern und insbesondere Frauen zusätzliche Freiräume, um erwerbstätig sein zu können. Die Unionsvize Nadine Schöne nannte das Konjunkturpaket ein „kraftvolles Programm für Familien“ und unterstrich, dass es viele Maßnahmen enthalte, „die strukturell und langfristig wirken“.
BMFSFJ: Kinderbonus ist „sozial gerecht“
Mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro unterstützt die Koalitionsregierung Familien über den Kinderzuschlag. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) bezeichnet den Bonus als „sozial gerecht“. In erster Linie würden Familien mit geringeren und mittleren Einkünften davon profitieren. Der Betrag wird einerseits nicht von der Grundsicherung abgezogen, andererseits mit den steuerlichen Kinderfreibeträgen verrechnet. Dem durch die Corona-Epidemie höheren Belastungsaufwand von alleinerziehenden Müttern und Vätern wird die Koalition Rechnung tragen, indem sie für eine Frist von 2 Jahren den sog. Entlastungsbetrag von zurzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro anhebt und somit mehr als verdoppelt.
Insgesamt 3 Milliarden Euro will die Regierung 2020 und 2021 über die bereits laufenden Ausbauprogramme hinaus in Erweiterung, Um- und Neubau von Kindergärten und Krippen (1 Milliarde Euro) sowie von Ganztagsschulen und Angeboten zur ganztägigen Betreuung (2 Milliarden Euro) investieren. Damit sollen in Kitas und anderen Einrichtungen zur frühkindlichen Erziehung bis zu 90.000 weitere Betreuungsplätze entstehen, in den Schulen soll der Ausbau der Ganztagsangebote beschleunigt und die Digitalisierung vorangetrieben werden. Um digitales Lernen zu erleichtern, erweitere man im Digitalpakt Schule den Katalog an förderfähigen Investitionen, heißt es in dem Eckpunkte-Papier zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses.
Giffey: Förderung von Kinderbetreuung stärkt Familien
Gerade in Zeiten der Krise werde deutlich, „wie wichtig gute Kinderbetreuungsangebote sind, damit das Gesamtsystem funktioniert“, hob Familienministerin Giffey hervor. Ob genug verlässliche Kitas und Ganztagsschulen zur Verfügung stünden, würde über die Frage entscheiden, ob Eltern arbeiten gehen und selber Geld verdienen könnten. Nur auf diese Weise ließen sich nach Ansicht von Giffey die Lohn- und Rentengefälle zwischen Frauen und Männern ausgleichen. Die Förderprogramme zur erweiterten Betreuung für Kita- und Grundschulkinder stärke Familien, mache Kinderziehung und Beruf besser vereinbar und helfe besonders Frauen, ihre beruflichen Pläne zu verwirklichen.
Aus den Überbrückungshilfen für von Umsatzausfällen betroffene kleinere Unternehmen im Umfang von bis zu 25 Milliarden Euro werden nach Angaben des Koalitionsausschusses auch soziale Institutionen, wie Jugendherbergen, Schullandheime und Jugendaustauschstätten, Nutzen ziehen. Darüber hinaus wird die Regierung ein Kredit-Sonderprogramm auflegen, das den finanziell gefährdeten Einrichtungen ohne zurückgelegtes eigenes Kapital über die Kreditanstalt für Wiederaufbau eine weitere Milliarde Euro als Darlehen bereitstellt. Über diese Fördermaßnahmen werde nach Aussagen von Familienministerin Giffey gewährleistet, dass die vorhandenen Strukturen von Kinder- und Jugendhilfe und Wohlfahrtspflege erhalten bleiben.
Grüne und Linke kritisieren Fehlen nachhaltiger sozialer Verbesserungen
Die SPD-Bundesfraktion begrüßt auch das Absenken des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent, der Familien weiter von finanziellen Engpässen entlaste. Der Familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Sönke Rix betonte: „Uns ist bewusst, dass Familien viel mehr brauchen, als eine einmalige Geldleistung.“ Deshalb setze sich seine Fraktion weiter dafür ein, dass „Kitas und Schulen dem Infektionsgeschehen entsprechend ihr Angebot weiter ausweiten“. Die im Konjunkturpaket eingeplanten Investitionen in Kitas und Ganztagsschulen beurteilt der SPD-Politiker als „einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung einer Infrastruktur, die allen Kindern Bildung und Teilhabe ermöglicht“.
Aus Sicht der Grünen und Linken ist das Konjunkturprogramm zwar in den Worten der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckardt „besser als erwartet“ und lässt gemäß Linken-Chef Bernd Riexinger einige „gute Ansätze“ erkennen. Sowohl Grünen-Fraktion als auch Linkspartei beklagen jedoch, die Regierung habe eine „Chance verpasst“, besonders hinsichtlich sozialer Ungleichheiten etwas grundlegend zu verbessern. Die Grünen kritisieren die „soziale Schieflage“ des Programms. Wenn man mit dem Konjunkturpaket Fördersummen in Höhe von 130 Milliarden Euro verteile, solle man „auch die Ärmsten der Gesellschaft im Blick haben“, erklärte Göring-Eckardt. Auch eine Erhöhung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld (ALG) II wäre dringend erforderlich gewesen.
Grünen-Politikerin fordert Gender-Mainstreaming für alle Programme
Nach Ansicht der Grünen-Politikerin hat der Koalitionsausschuss Familien, Frauen und Kinder in seinen Plänen nicht hinreichend berücksichtigt. Sie beanstandet das Fehlen einer „planvollen(n) Perspektive“ zum Wiederöffnen von Schulen und Kitas unter Rücksichtnahme auf die Bedingungen der Epidemie. Der Kinderbonus stelle nur „ein Trostpflaster“ dar, eine wirksamere Hilfe ließe sich über ein „Corona-Elterngeld“ leisten, um Familien während der gesamten Dauer der Corona-Epidemie finanziell abzusichern, so Göring-Eckardt. Der Linken-Vorsitzende Riexinger hält der „Einmalzahlung“ über einen Kinderbonus den von seiner Partei und anderen Akteur*innen vorgebrachten Vorschlag einer „Kindergrundsicherung“ entgegen, mit welcher man „das Thema Kinderarmut“ nachhaltiger angehen könne.
Die Fraktionschefin der Grünen Göring-Eckardt forderte zudem, alle Hilfsprogramme einem konsequenten Gender-Mainstreaming zu unterziehen. Über einen solchen „Geschlechtergerechtigkeits-Check“ müsse man alle Maßnahmen und Gesetze zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise überprüfen und gleichzeitig die vom Staat bewilligten Hilfen für Betriebe an das Fördern von mehr Geschlechtergleichheit, wie z.B. Frauenquoten, koppeln. Riexinger verlangte auch mehr Personal in Krankenhäusern und höhere Gehälter für Pflegekräfte. Dass das Konjunkturprogramm die Löhne für Beschäftigte in Pflegeberufen nicht aufbessere, sei „schlicht ein Skandal“. Die FDP hält es für wichtig, Bildung und digitale Technik verstärkt zu fördern, es fehle aber noch an Beschlüssen, um die Planungen zu beschleunigen. Nach Meinung der Generalsekretärin der Liberalen Linda Teuteberg sei auf diesem Gebiet schon vor der Krise ein großer Handlungsbedarf offenkundig gewesen. Es gehe dabei „um nicht weniger als um die Lebenschancen unserer Kinder und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, sagte sie.
GEW: Ärmere Kommunen brauchen mehr Fördermittel
Die GEW wertet das Konjunkturprogramm mit der darin in Aussicht gestellten Unterstützung für Kommunen als Hauptträger*innen der schulischen und frühkindlichen Bildung sowie der Erweiterung von Kitas und Ganztagsangeboten als „Schritt in die richtige Richtung“. Die GEW-Vorsitzende Marlies Tepe ist jedoch der Auffassung, dass die ärmeren Gemeinden, welche die Förderung am meisten nötig haben, zwar teilweise unterstützt würden. Bisher reiche aber „die Steuerung (…)nicht aus“. Länder und Gemeinden bräuchten „wesentlich mehr Sicherheit und finanzielle Mittel“, um gerechtere Bildungsverhältnisse herstellen und in Gebäude sowie digitale Techniken investieren zu können. Um die in der Krise sichtbar gewordenen Schwächen des Bildungssystems zu bekämpfen, sei „eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung“ erforderlich, „um wirksam gegenzusteuern“, erklärte Tepe.
Der Bildungsverband VBE moniert, der Kinderbonus ändere nichts an der schwierigen Situation für die durch Online-Unterricht, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit mehrfach belasteten Eltern und schaffe auch keine Gerechtigkeit in der Bildung. Nach Ansicht des Bundesvorsitzenden des VBE Udo Beckmann hätte man stattdessen Gelder zielführend in die „Bildung in der digitalen Welt“ investieren sollen, z.B. um digitale Geräte für alle Schüler*innen zu erwerben. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) befürwortete das Anheben des steuerlichen Entlastungsbetrags für Alleinerziehende und forderte angesichts der dauerhaften Mehrbelastungen alleinerziehender Elternteile, den erhöhten Betrag auch abseits der Krise beizubehalten. Insgesamt seien dem VBMV zufolge „grundlegende Reformen“ zugunsten einer gerechteren Besteuerung von Familien Alleinerziehender erforderlich. Der Verband sprach sich daher für einen „Systemwechsel hin zu einer Kindergrundsicherung“ in Verbindung mit einer individuellen Besteuerung aus.