108. TAGUNG DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION : Konvention für Zukunft von Arbeit in Würde und Respekt

4. Juli 2019 // Ulrike Günther

Die seit 2017 geführte MeToo-Debatte hat für viel Aufsehen gesorgt und die Öffentlichkeit für das dringliche Problem von sexualisierter Belästigung und Gewalt sensibilisiert. Jetzt hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) auf einer Konferenz in Genf für eine Konvention gestimmt, welche Arbeitnehmer*innen vor sexuellen und anderen gewalttätigen Übergriffen schützen soll.

Belästigung am Arbeitsplatz - Bild: pixabay / mohamed hassan
Belästigung am Arbeitsplatz - Bild: pixabay / mohamed hassan

zwd Berlin/ Genf. Zu ihrem hundertsten Jubiläum haben sich die Mitgliedsstaaten der ILO in Genf auf ihrer 108. Konferenz auf ein internationales Übereinkommen zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt geeinigt. Es ist der weltweit erste völkerrechtliche Vertrag, der ein allgemeines Recht auf ein gewaltfreies Arbeitsumfeld deutlich formuliert. Das von dem Gremium der Vereinten Nationen (UN) abgefasste Regelwerk will sowohl das Auftreten von Gewalt am Arbeitsplatz verhindern als auch den Opfern sexualisierter oder in anderer Art verletzender Handlungen wirksame Hilfe gewähren. Das Problem ist auch in Deutschland dringlich, denn 26 Prozent der Frauen haben laut einer im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes forsa in ihrem Arbeitsleben mindestens einmal oder mehrfach eine Form von sexueller Belästigung oder Gewalt erlebt. Mehr als die Hälfte davon gaben an, dass das diskriminierende Verhalten auf ihr Geschlecht bezogen war. Die ILO setzt sich als Sonderorganisation der UN für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit ein und legt internationale Mindeststandards für das Arbeitsleben fest, an ihren Entscheidungen sind Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände beteiligt.

Recht auf Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung

Shauna Oley, Leiterin der ILO-Abteilung für Gender, Gleichheit und Vielfalt bezeichnete die Konvention als „stark und praktisch“. Zusammen mit der gleichfalls von der Arbeitsorganisation erlassenen Empfehlung mit ergänzenden Regelungen biete das Übereinkommen „einen klaren Handlungsrahmen und eine Gelegenheit, die Zukunft einer auf Würde und Respekt gründenden Arbeit zu gestalten, die frei von Gewalt und Belästigung ist.“ Auch Guy Ryder, der Generaldirektor von ILO, begrüßte die Annahme des Vertrages. „Der neue Standard anerkennt das Recht aller auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung.“ Der nächste Schritt sei es, den dort festgeschrieben Schutz in die Praxis umzusetzen, so dass eine „bessere, sicherere menschenwürdige Arbeitsumwelt für Frauen und Männer entsteht“. Die Konvention schlägt Strategien zur Vorsorge und Bekämpfung gewaltförmiger Verhaltensweisen, Mechanismen zur Kontrolle und Trainings vor, die das Phänomen bewusst machen und eindämmen sollen. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Beratung, Möglichkeiten zur Beschwerde, medizinische und soziale Betreuung.

Übergriffe am Arbeitsplatz können Menschenrechte verletzen

Das Übereinkommen hebt hervor, dass belästigendes oder übergriffiges Verhalten am Arbeitsplatz auch Menschenrechte missachten oder verletzen kann. Sie betrachtet derartige Handlungen als „eine Bedrohung der Chancengleichheit“ sowie als „inakzeptabel und mit einer menschenwürdigen Arbeit nicht vereinbar“. Der Vertragstext bestimmt die Begriffe von Gewalt und Belästigung als eine Menge von tatsächlichen oder angedrohten unerwünschten Verhaltensweisen bzw. Praktiken, die gezielt oder unabsichtlich „physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden“ verursachen, wobei auch geschlechtsspezifische Handlungen darunter fallen. Es stellt arbeitende Menschen jeder Art unter seinen Schutz, unabhängig vom Status ihrer Arbeitsverträge, von Angestellten über Praktikant*innen, Volontär*innen, und Lehrlinge bis hin zu Teilzeitarbeiter*innen, Jobsuchenden, Bewerber*innen und Arbeitgeber*innen.

Arbeitsminister Heil: Gewalt im Arbeitsumfeld ächten und bekämpfen

Bundearbeitsminister Hubertus Heil sagte zu der von den Delegierten des Normensetzungsausschusses der ILO veröffentlichten Konvention, dieser habe „vor dem Hintergrund der weltweiten #metoo Debatte auf UN-Ebene ein wirkungsvolles Instrument“ geschaffen. Heil unterstrich, dass für das Problem eine Lösung gefunden werden müsse. „Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt gehören geächtet und bekämpft“, erklärte er. Die deutsche Regierung bekenne sich zu dem Übereinkommen und werde es so schnell wie möglich ratifizieren. Der Völkerrechtsvertrag tritt nach Ablauf einer Frist von zwölf Monaten in Kraft, nachdem mindestens zwei der Mitgliedsstaaten den Text ratifiziert haben.. Auch die Gewerkschaften befürworten das Zustandekommen des Vertragswerkes. Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, nannte es „ein(en) Meilenstein in der Geschichte der ILO und ein(en) bedeutende(n) Schritt, Belästigung und Gewalt in der Arbeitswelt weltweit zu beseitigen “. Sie forderte die Bundesregierung dazu auf, sie solle „Vorbild sein und dieses Instrumente zeitnah ratifizieren und wirksam umsetzen“..Recht auf Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung


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