THÜRINGER LANDTAG : Landesfrauenrat kritisiert Rausschmiss junger Mutter

3. September 2018 // Sibille Heine

Vergangenen Mittwoch verwies der Thüringer Landtagspräsident Christian Carius (CDU) die Abgeordnete Madeleine Henfling (Grüne) des Sitzungssaals, weil sie ihren wenige Wochen alten Sohn mitgebracht hatte. Nun kritisieren Landesfrauenrat und Landesgleichstellungsbeauftragte sein Verhalten scharf, die Grünen-Fraktion erwägt eine Verfassungsklage.

Bild: Madeleine Henflein / Grüne Thüringen
Bild: Madeleine Henflein / Grüne Thüringen

zwd Erfurt. Von Vereinbarkeit von Mandat und Familie keine Spur im Thüringer Landtag: Am Mittwoch kassierte die Abgeordnete einen Saalverweis, als sie mit ihrem Neugeborenen in einer Trage zur ersten Sitzung nach der Sommerpause erschienen war. Ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung, befand Sitzungsleiter Carius und schloss Henfling unter Protesten der Regierungsfraktionen von SPD, Linken und Grünen aus. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen, das änderte aber nichts daran, dass die Grünen-Abgeordnete letztlich nicht an der angesetzten Abstimmung teilnehmen durfte.

Kein Anspruch auf Elternzeit

Carius verwies auf das Kindeswohl und empfahl Henfling sich eine Betreuung für ihr sechs Wochen altes Kind zu suchen. Denn Anspruch auf Elternzeit haben Abgeordnete nicht, eine Kita für Kinder von Abgeordneten bietet der Erfurter Landtag auch nicht an. Die Grünen-Fraktion will nun vor das Landesverfassungsgericht ziehen, sagten sie gegenüber der Thüringer Allgemeine, weil Henfling daran gehindert werde, ihr politisches Mandat auszuüben. Henflings Auffassung nach verstoße ein Baby nicht gegen die Geschäftsordnung. Sie sprach sich für eine Ausnahmeregelung für Mütter junger Kinder aus, weil diese nicht in Elternzeit gehen können.

Saalverweis ist Skandal

Der Landesfrauenrat Thüringen und die Landesgleichstellungsbeauftragte Katrin Christ-Eisenwinder (Linke) brachten ihre Sorge in einem offenen Brief zur Sprache: „Eine Auslegung der Geschäftsordnung, die Mütter ausschließt, ihre parlamentarische Pflicht zu erfüllen, ist strukturelle Diskriminierung und hat zur Folge, dass junge Frauen keine Mandate übernehmen können, selbst wenn sie es wollten.“ Der Rausschmiss der Abgeordneten sei ein Skandal und konterkariere jede Bemühung, mehr Frauen für die Arbeit in Parlamenten zu gewinnen. Es sei unglaubwürdig, wenn ebenjenes Parlament versuche, Vertreter*innen anderer gesellschaftlicher Bereiche zu überzeugen, sich stärker für Chancengleichheit einzusetzen. Weil Henfling nicht an der Abstimmung teilnehmen durfte, hatte Carius zur Wahrung der parlamentarischen Stimmverhältnisse vorgeschlagen, dass eine CDU-Abgeordnete ebenfalls auf ihre Stimme verzichtet. Dieser Vorstoß ermögliche laut der Autorinnen aber nicht, dass die Grünen-Abgeordnete ihrer Arbeit nachgehen könne. Zudem entziehe er einer weiteren Frau ihre Stimme.

„Es geht hier nicht um die Frage, was gut ist für Kinder, es geht um die Frage, ob Menschen, die sich um Kinder kümmern, gleichzeitig in der Öffentlichkeit präsent und aktiv sein können, oder ob sich beides ausschließt“, fassten Landesfrauenrat und Gleichstellungsbeauftragte das Dilemma zusammen. Der Landtag müsse schnellstmöglich Strukturen zu schaffen, damit die Abgeordneten Mandat und Sorgepflichten für Kinder vereinbaren können.



Artikel als E-Mail versenden