OECD-UMFRAGE „TALIS“ : Lehrer*innenberuf muss attraktiver werden, um Mangel zu begegnen

19. Juni 2019 // Hannes Reinhardt

Der Lehrer*innenberuf muss finanziell und intellektuell attraktiver gestaltet werden, um der weltweit wachsenden Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Pädagog*innen gerecht zu werden. Das geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Ergebnissen der OECD-Umfrage „Teaching and Learning International Survey” (TALIS) hervor.

zwd Paris. An der Umfrage hatten rund 260.000 Lehrer*innen und Schulleiter*innen an 15.000 Schulen aller Stufen aus 48 Ländern teilgenommen – die Bundesrepublik gehörte einem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) entsprechend nach 2008, 2013 auch diesmal nicht dazu. Den Ergebnissen zufolge werde es „unerlässlich sein, die Besten und Klügsten für den Beruf zu gewinnen, um sicherzustellen, dass junge Menschen die Fähigkeiten erhalten, die sie benötigen, um in der zukünftigen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.“ Nach Angaben der OECD bleibe viel zu tun, um den Lehrer*innen bessere Möglichkeiten zur Vorbereitung auf die Welt von morgen zu geben. So erhielt etwas mehr als die Hälfte der befragten Pädagog*innen in den teilnehmenden OECD-Ländern eine Schulung in der Anwendung von Technologien im Unterricht. Weniger als die Hälfte fühlte sich gut vorbereitet, als sie in den Beruf eintraten. Dennoch gaben zwei Drittel der Lehrer*innen an, dass die nützlichste Weiterbildung, an der sie teilgenommen haben, auf Innovationen im Unterricht ausgerichtet war.

„Regierungen müssen Lehrkräfte besser in die Entwicklungen einbinden“

„Die Beschleunigung der technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen macht es unandingbar, dass sich unsere Bildungssysteme fast in Echtzeit anpassen", sagte Ludger Schuknecht, stellvertretender OECD-Generalsekretär, bei der Vorstellung des Berichts in Paris. Die politischen Entscheidungsträger*inne sollten daher eng mit Lehrkräften und Schulleiter*innen zusammenarbeiten und ihr Fachwissen nutzen, um den Kindern und Jugendlichen zu helfen, in der zukünftigen Arbeitswelt erfolgreich zu sein. „Die Qualität eines Bildungssystems kann niemals die Qualität seiner Lehrer übersteigen“, betonte Andreas Schleicher, OECD-Direktor für Bildung und Qualifikation. Er appellierte an die Regierungen, die Bedeutung und den Wert der Einbeziehung von Lehrkräften in die Entwicklung besserer Praktiken und Strategien zur Schaffung zukunftsfähiger Klassenzimmer besser zu erkennen.

Der Umfrage zufolge scheinen die Schulen den Wert des innovativen Unterrichts als Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts hingegen durchaus zu identifizieren. So erklärte die überwiegende Mehrheit der Lehrer*innen und Schulleiter*innen, ihre Schulen seien offen für innovative Praktiken und seien in der Lage, sie zu übernehmen. Im Durchschnitt der OECD-Länder in TALIS berichten 78 Prozent der Pädagog*innen auch, dass sie und ihre Kolleg*innen sich gegenseitig bei der Umsetzung neuer Ideen unterstützen.

VBE kritisiert Nichtteilnahme Deutschlands

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte die Weigerung Deutschlands, an der Umfrage teilzunehmen. „Die Strategie von ‚Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘ zu fahren, ist in Zeiten des Lehrkräftemangels geradezu verwerflich“, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. Die Erkenntnisse aus TALIS deckten sich mit Ergebnissen mehrerer, vom VBE in Auftrag gegebener forsa-Umfragen zur Berufszufriedenheit von Lehrkräften (2016) und Schulleitungen (2018, 2019). „Die große Mehrheit von ihnen gibt es als belastend an, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht beachtet“, erläuterte Beckmann. Den Schulen immer mehr Aufgaben zuzuweisen, gleichzeitig aber nicht die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, verschlechtere die Situation zunehmend. „In Zeiten des Lehrermangels bedeutet das insbesondere für die originär ausgebildeten Lehrkräfte eine immer höhere Arbeitsbelastung, die bereits erste Auswirkungen zeigt.“

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