ANHÖRUNG KITA-BETREUUNG FAMILIENAUSSCHUSS : Linke und Gewerkschaften fordern einheitliche Erzieher-Ausbildung

15. September 2020 // Ulrike Günther

Viele Fachkräfte fehlen in Kitas und in der Kinder- und Jugendhilfe, bei voraussichtlich weiter steigendem Bedarf, die Erzieherausbildung ist bundesweit stark unterschiedlich angelegt: Gewerkschaften und Sozialverbände unterstützen überwiegend Vorschläge der Linken, die Ausbildungen zu vereinheitlichen, Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten und Qualitätsstandards für die Kita-Betreuung festzulegen.

Gute Kita-Qualität braucht qualifizierte Fachkräfte. - Bild: flickr / LKolind
Gute Kita-Qualität braucht qualifizierte Fachkräfte. - Bild: flickr / LKolind

zwd Berlin. In der Anhörung im Familienausschuss am Montag (14. September) kritisierten besonders die Vertreter*innen der Gewerkschaften die im debattierten Antrag der Linken (19/6421) beschriebene Vielzahl verschiedener, zum Beruf Erzieher/ in führender Ausbildungswege. Die Referentin im ver.di-Bundesvorstand Dr. Elke Alsago beanstandete die dehnbaren, von den Ländern ausdeutbaren Rahmenvorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK), die nicht vorstrukturierten Karrierewege und an Kontur verlierenden beruflichen Profile. ver.di plädiert daher für einen „grundlegenden Paradigmenwechsel“, welcher der Erzieherausbildung zu einer vergleichbaren Bedeutung wie der dualen Ausbildung verhilft.

Gewerkschaft ver.di fordert Ausbildungsreform

Um die in der Kindertagesbetreuung dringend erforderlichen Fachkräfte anzuwerben, sollte laut Alsago eine Reform nach bundeseinheitlichen Kriterien einen attraktiven, vergüteten, schulgeldfreien Berufsbildungsgang schaffen. Ebenso sprach sich die ver.di-Referentin zugunsten des von den Linken vorgeschlagenen, in der gesamten Bundesrepublik gültigen Qualitätsgesetzes für Kitas aus, das verbindlich einzuhaltende Standards für die Kindertagesbetreuung bestimmen soll.

Die Linksfraktion hatte in ihrem Antrag umfangreiche Maßnahmen für verbesserte Qualität und Arbeitsbedingungen sowohl in der kindlichen Frühförderung als auch in der Kinder- und Jugendhilfe sowie vereinheitlichte Rahmenbedingungen für die Erzieher-Ausbildung gefordert. Nach Angaben der Linken werden bis zum Jahr 2025 bis zu 580.000 Kita-Fachkräfte benötigt, tatsächlich würden bis dahin jedoch nur ca. 274.000 Erzieher*innen, an Hochschulen qualifiziertes Fachpersonal und Assistenzkräfte zur Verfügung stehen. Schon jetzt fehlten bundesweit rund 300.000 Betreuungsplätze in Kitas, auf 100 offene Erzieherstellen kämen lediglich 73 erwerbslose Fachkräfte.

GEW: Arbeitsbedingungen sind „grenzwertig“

Das Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der Erziehungsgewerkschaft GEW Björn Köhler bezeichnete die Arbeitsbedingungen im Gesamtarbeitsfeld der Jugendhilfe aus der Sicht vieler Beschäftigter als „grenzwertig“, was gemäß einer von ihm zitierten Umfrage der GEW bei rund 50 Prozent der Sozialarbeiter*innen und 37 Prozent der Erzieher*innen nach eigenen Aussagen zulasten der Qualität ihrer pädagogischen Arbeit gehe.

Das Arbeitsfeld sei nach Meinung Köhlers auch deshalb attraktiver zu gestalten, um geschulte, in anderen Berufen beschäftigte Fachkräfte zur Rückkehr in die Tätigkeit als Erzieher/ in zu bewegen. Das GEW-Vorstandsmitglied sieht es wie ver.di-Referentin Alsago aufgrund der bundesweit 64 unterschiedlichen Ausbildungswege als erforderlich an, bei der Erzieherausbildung „zu stärker einheitlichen Standards zu kommen“. Dabei sollte man sowohl die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) als auch das Hochschulstudium ausbauen.

Paritätischer Gesamtverband: Bund soll sich stärker engagieren

Angesichts der steigenden Bedarfe an Erzieher*innen und pädagogischen Fachkräften mahnte Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband mehr Engagement vonseiten des Bundes an, der bisher eine „flächendeckende, bedarfsgerechte Finanzierung“ der Kinderbetreuung nicht leisten könne. Zur Gathen erklärte, dass der Erhalt und die Stärkung der Fachkräfte innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe nur über eine von Bund, Ländern, Gemeinden und Trägern zu übernehmende Gemeinschaftsaufgabe zu leisten sei.

An der Finanzierung müsse sich der Bund nach Auffassung des Paritätischen Gesamtverbandes „dauerhaft und anteilig“ beteiligen, wozu eine „ganzheitliche und langfristige Strategie“ zu entwickeln sei, wie sie in ähnlicher Form auch die Linksfraktion angedacht hatte. Zur Gathen machte deutlich, dass der Bund neu entstehende Aufgaben in der Kinderbetreuung wie der Jugendhilfe mit ausreichenden, zielgerichtet eingesetzten Finanzmitteln abdecken müsse, die anfallenden Investitions- und Betriebskosten dürften die Kommunen und Länder nicht einseitig belasten.

Evangelischer Verband verlangt mehr Geld für Kinder- und Jugendhilfe

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BagEjsa) vertritt in der Frage, wie die sozialen Berufe im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zu stärken seien, laut ihrer Geschäftsführerin Christine Lohn wie die Linksfraktion einen „mehrdimensionalen Ansatz“. Demnach braucht eine qualifizierte Erzieherarbeit vor allem über gute Aus- und Weiterbildungen geschulte Fachkräfte.

Übereinstimmend mit Forderungen der Linken aus ihrem Antrag verlangt die BagEjsa, u.a. sog. Schmalspurausbildungen ebenso wie Hochschulbildungsgänge mit eingeschränkten Lehrinhalten in umfassend qualifizierende Ausbildungen umzuwandeln. Nach Aussagen von Lohn sind die Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe in den vorherigen Jahren insgesamt stark gewachsen, die Ausgaben hätten aber mit dieser Zunahme der Aktivitäten nicht entsprechend Schritt gehalten. „Es muss mehr Geld ins System“, verlangte daher die BagEjsa-Geschäftsführerin. Über die Vorschläge der Linksfraktion hinausgehend wies Lohn darauf hin, dass die soziale Arbeit inklusiv werden und die Vielfalt der betreuten Personen, z.B. nach Herkunft, sich ebenfalls in der Diversität der Fachkräfte widerspiegeln müsse.

Kommunen: Feste Betreuer/ in-Kind-Verhältnisse nicht sinnvoll

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände betrachtet die Arbeitsbedingungen in Kitas und anderen Erziehungseinrichtungen mit Sorge. Ihr Vertreter Stefan Hahn will wie die Linken den Erzieherberuf als einen Mangelberuf anerkennen lassen, was bessere Möglichkeiten zur Förderung von Ausbildung und Fachkräfteerhalt eröffne. Hahn hob zwar hervor, dass man zwar den Erzieherberuf attraktiver machen und einheitliche Ausbildungsstandards einführen müsse. Der Kommunenvertreter zeigte sich aber skeptisch gegenüber den von den Linken befürworteten festgesetzten Betreuungsverhältnissen. Solange in einigen Regionen nicht genug qualifiziertes Personal vorhanden sei, mache ein Fachkraft-Kind-Schlüssel wenig Sinn.Wenn man die Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe steigern wolle, könne das Hahn zufolge nur mit Blick auf die unterschiedliche Personalausstattung vor Ort und die „organisatorische Vielfalt“ in Jugendämtern geschehen.

Fürsorge-Verein: Mittel aus Gute-Kita-Gesetz verstetigen

Anders als die Linken, ver.di und die GEW strebt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge zurzeit kein bundesweit einheitliches Kitaqualitätsgesetz an. Stattdessen sollte man es nach Auffassung der wissenschaftlichen Referentin des Vereins Maria-Theresia Münch auf der Grundlage der Ergebnisse der Evaluation des Gute-Kita-Gesetzes ermöglichen, den Einsatz der Bundeshilfen in den einzelnen Ländern zugunsten von mehr Qualität und nicht zur Verwirklichung freier Kitabeiträge (wofür einige Regionen die Fördermittel vorrangig verwendet haben) zu steuern, außerdem die Förderhilfen nach 2022 verstetigen. In Hinsicht auf die Berufsbildungsgänge im Erzieherbereich setzte sich Münch besonders dafür ein, deutlich mehr Lehrpersonal an Universitäten, Fachhochschulen und Fachschulen heranzubilden, um eine qualifizierte Ausbildung für die pädagogischen Berufe gewährleisten zu können. Wie zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband monierte die Referentin des Fürsorge-Vereins, dass nützliche Förderprogramme der Bundesregierung mit guten Konzepten, wie die Fachkräfteoffensive oder Lernort Praxis, wieder eingestellt und nicht dauerhaft eingerichtet wurden.


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