REFERENTENENTWUrF 29. BAFÖG-REFORM : In Spar-Zeiten: Starthilfe, doch keine höheren Bedarfssätze

15. Januar 2024 // Ulrike Günther

Eine Studienstarthilfe für sozial schwache Erstsemester:innen, ein Flexibilitätssemester, höhere Elternfreibeträge - die 29. Reform soll das BAföG stärker an die Lebensrealität anpassen. SPD, Studentenwerk (DSW) und Studierendenverbände kritisieren, dass die erhoffte Anhebung der Bedarfssätze ausgeblieben ist. Sie fordern eine gründliche Nachkorrektur, die für Geförderte das erforderliche Existenzminimum sicherstellt.

Steigende Lebenshaltungskosten erschweren jungen Leuten das Studium.  - Bild: flickr/ Uni Salzburg
Steigende Lebenshaltungskosten erschweren jungen Leuten das Studium. - Bild: flickr/ Uni Salzburg

zwd Berlin. SPD und Juso-Hochschulgruppe begrüßen zwar die im Referentenentwurf des Bundesbildungsministeriums (BMBF) geplante Starthilfe in Höhe von 1.000 Euro für junge Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen, monieren jedoch wie DSW und freier zusammenschluss der student*innenschaft (fzs), dass ohne eine Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze die Lebensgrundlage der Studierenden nicht gewährleistet sei. Die stellvertretende Chefin der SPD Bremerhaven Janina Strelow gab zu bedenken, dass für viele ein Studium unter diesen Bedingungen - bei unzureichender Förderhöhe und nicht-angepasster Wohnkostenpauschale - „nur noch schwer leistbar sein“ werde. Studieren dürfe „nicht nur Eliten vorbehalten sein“, mahnte sie, es gelte, das „drohende Desaster“ abzuwenden.

SPD: BAföG an Bedarfe Studierender angleichen

Strelow forderte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf, die Bedarfe der Studierenden anzuerkennen. Das BAföG müsse zuletzt „erhöht, elternunabhängig und zu einem Vollzuschuss weiterentwickelt“ werden, so die Vize-Vorsitzende der Landes-SPD. Die vorgesehenen Änderungen blieben „weit hinter den Erwartungen der über drei Millionen Studierenden in Deutschland zurück“, bemängelte auch das Bundesvorstandsmitglied der Hochschul-Jusos Roman Behrends. Der vorliegende Entwurf der Bildungsministerin löse die Koalitionsversprechen zur Studienhilfe nicht ein, da dieser nicht bloß eine Aufstockung der Fördersätze, sondern auch deren dringende Anpassung an Inflationsraten versäume. Die Lücke zwischen BAföG-Hilfen und Existenzminimum betrage „mittlerweile über 100 Euro“.

Der vom BMBF am 11. Januar vorgelegte Gesetzesvorschlag soll nach Angaben des Ministeriums die bisherige Studienförderleistung strukturell ändern, Bürokratie abbauen und sich stärker an studentische Lebenswirklichkeit anpassen. Im Einzelnen sieht der Referentenentwurf neben dem für typische Startausgaben wie Laptop oder Lernmaterialien gedachten Zuschuss für sozial benachteiligte Studienanfänger:innen u.a. ein einmaliges Flexibilitätssemester über die Regelstudienzeit hinaus, nochmals um 5 Prozent angehobene Freibeträge sowie eine auf den Beginn des 5. Studienhalbjahres verlängerte Frist für begründete Fächerwechsel vor. Insbesondere die - nach dem Zuwachs um 20,75 Prozent durch die 27. BAföG-Reform und die damit erzielte Erweiterung des Kreises der Förderberechtigten (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete in Heft 392) - neuerliche Steigerung der Eltern-Freibeträge zum Wintersemester 2024/ 25 hat laut BMBF den Zweck, den seit zwei Jahren zu verzeichnenden Anstieg der Zahl von Leistungs-Empfänger:innen trotz der hohen Inflation abzusichern.

Hochschul-Jusos fordern „BAföG ohne Verschuldung“

Die Hochschul-Jusos verwiesen wie der fzs auf die vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) laufende Klage hinsichtlich der zu niedrigen BAföG-Leistungen. Dementsprechend erneuerten sie ihre Forderung nach den tatsächlichen Studienverhältnissen angemessenen Förderbeträgen und einem „BAföG ohne Verschuldung“. Schon im Sommer hatten die Sparpläne bei der Studienhilfe im Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für viel Kritik vonseiten Studierender, der GEW und linker Parteien (vgl. zwd-POLITIKMAGAZIN, Heft 397) gesorgt, die sich für eine Strukturreform mit bedarfsgerechter Förderung nach dem Maßstab des Bürgergeldes, regelmäßiger Anpassung an die Preissteigerung und eine Öffnung hin zu einem Volldarlehen einsetzen. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungspartner:innen eine Neu-Ausrichtung des BAföG hin zu einer elternunabhängigeren Unterstützung mit deutlich angehobenen Freibeträgen, angesichts gestiegener Wohnkosten erhöhten Leistungs-Sätzen und einem Absenken des Darlehens-Anteils in Aussicht gestellt.

DSW und fzs: BAföG-Reform durch Sparvorgaben unzureichend

Der DSW-Vorstandsvorsitzende Matthias Anbuhl beanstandete ähnlich wie der fzs, dass im BMBF-Entwurf ein beträchtlicher Anteil der vom Haushaltsausschuss des Bundestages (in der Bereinigungssitzung vom 17. November) für das BAföG bewilligten 150 Mill. Euro ungenutzt bleibe. In diesem Fall würde man den Geförderten trotz rasant steigender Preise und Mieten für „mindestens sechs Semester Stillstand beim BAföG-Grundbedarf und bei der Wohnkostenpauschale“ zumuten. Anbuhl verlangte, das Parlament müsse „erneut (…) eingreifen und eine kraftvolle BAföG-Novelle festschreiben“.

Der fzs nannte den Vorschlag des BMBF „mangelhaft() und enttäuschend()“. In der Folge der Sparvorgaben der Bundesregierung würden anstelle der vom Haushaltsausschuss für die Anpassung des BAföG an das Existenzminimum bereitgestellten Mittel nun bloß noch 62 Mill. Euro in die geplante Reform fließen. Das Änderungs-Paket ohne die ursprünglich vorgesehene Steigerung der Leistungs-Sätze bleibe „hinter der Realität der Studierenden weit zurück“, erklärte fzs-Vorstand Niklas Röpke. Auch mit dem Flexibilitätssemester liege der Zeitraum der BAföG-Förderung unterhalb der mittleren Studiendauer.

Die Bundesregierung vernachlässige „ihre sozialen Verantwortung zugunsten des Sparhaushaltes“, missbilligte Röpke, obwohl die Inflation bei den Kosten für Lebenshaltung hoch sei. Das fzs-Vorstandsmitglied rief Stark-Watzinger dazu auf, der von vielen Fachleuten erwarteten Einstufung der derzeitigen BAföG-Beträge durch das BVerfG als verfassungswidrig zuvorzukommen. Die auf Veranlassung des Hamburger Rechtsanwaltes Joachim Schaller beim BVerfG anhängige Klage (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete), die sich u.a. auf eine von GEW und fzs gemeinsam mit dem Anwalt abgegebene Stellungnahme stützt, bewertet die Förderhöhe als zu gering. Röpke zufolge würden außer mehreren Expert:innen auch eine Reihe politischer Akteur:innen von einem BVerfG-Urteil zugunsten der Kläger:innen ausgehen.

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