BAYERN [UPDATE] : Mehr Finanzmittel für Frauenhäuser und Hilfetelefone: Staatsregierung gibt Forderungen von SPD und Grünen nach

26. August 2019 // Ulrike Günther

Das Angebot an Schutzräumen und Zufluchtsstätten für von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen und ihre Kinder reicht bundesweit an vielen Orten nicht aus. In Bayern, wo besonders viele Plätze zur Unterbringung dieser Frauen fehlten, soll das jetzt anders werden. Mit den vom Staatsministerium für Familie und Soziales neu erlassenen Förderrichtlinien gab die Landesregierung Forderungen von SPD und Grünen nach, die schon seit Jahren die schlechte Lage der Versorgung für von Gewalt betroffene Frauen kritisieren.

Bild: pixabay / Tumisu
Bild: pixabay / Tumisu

zwd München. Die vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Familie und Soziales im August erlassenen neuen Förderrichtlinien zur Finanzierung von Frauenhäusern und Frauenhilfetelefonen sollen der Unterversorgung des Freistaates mit verfügbaren Plätzen in Zufluchtsheimen für Frauen, die im häuslich-familiären Umfeld der Gewalt ausgesetzt sind, Abhilfe verschaffen. Ab September diesen Jahres können Frauenhäuser und Beratungsstellen in Bayern staatliche Fördermittel beantragen, um die Kapazitäten zur Aufnahme in den Unterkünften zu erhöhen und die Ausstattung mit Personal zu verbessern. Darüber hinaus stellt das Land Verbänden der Wohlfahrtspflege und Trägern staatlich geförderter Frauenhäuser auch Gelder bereit, um schon vorhandene Plätze in den Einrichtungen an besondere Bedarfslagen von gewaltbedrohten Frauen und ihren Kindern anzupassen.

Neues Förderprogramm soll mehr Plätze in Frauenunterkünften schaffen

Die bayerische Landesregierung mache „Nägel mit Köpfen“, sagte Landessozialministerin Kerstin Schreyer (CSU). In Zusammenarbeit mit Bayerns Landkreisen und kreisfreien Städten werde ihre Regierung das „wichtige Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder“ sowohl im Umfang als auch in der Qualität ausbauen. Das neue Förderprogramm ist Teil eines bereits im Sommer 2017 vom bayerischen Sozialministerium vorgelegten dreistufigen Plans, der Frauen vor physischer, psychischer oder sexueller Gewalt im häuslichen Bereich schützen und Maßnahmen zur Vorsorge treffen soll.

Erstmals unterstütze die bayerische Staatsregierung Träger von Frauenunterkünften finanziell beim Schaffen weiterer Plätze, um mehr hilfebedürftigen Frauen als bisher aufzunehmen/ eine Zuflucht zu bieten, erklärte Schreyer. Außerdem werde die Regierung auch Einrichtungen fördern, welche ihre Angebote z.B. auch auf körperbehinderte Frauen oder Mütter mit vielen Kindern erweitern und dafür die vorfindlichen Räume, Anlagen und Zufahrtswege so gestalten wollen, dass sie auch ihren Bedürfnissen gerecht werden. Auch die Personalschlüssel in Frauenhäusern, Stellen zur psychosozialen Beratung und Intervention werden den Angaben des Sozialministeriums zufolge deutlich angehoben. Mit der Entwicklung der neuen Förderrichtlinien habe das Land Bayern „einen großen Schritt“ in Richtung auf ein verbessertes Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen gemacht, unterstrich die Ministerin. Ihren Angaben zufolge liegt der Freistaat bei den Vorgaben hinsichtlich des in Frauenhäusern eingesetzten Fachpersonals nun an der Spitze.

Maßnahmen für ein verbessertes Hilfesystem in Bayern seit Jahren gefordert

Linke Parteien und Frauenverbände verlangen schon seit Jahren angesichts der prekären Lage von Einrichtungen für gewaltbetroffene Frauen von der bayerischen Regierung wirksame Maßnahmen gegen den Mangel an Geldern und Fachkräften. Eine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Ruth Müller (Drs. 18/1791) vom März 2019 an die Staatsregierung zu Frauenhäusern in Bayern ergab, dass dort in den staatlich geförderten Einrichtungen aller Landkreise insgesamt 347 Plätze für Frauen und 418 für Kinder verfügbar sind, zuzüglich 34 bzw. 48 Plätze in rein kommunal unterstützten Zufluchtsstätten in Nürnberg und München. Unter Bezug auf eine Studie des soziologischen Institutes der Universität Erlangen-Nürnberg von 2016 zum im Freistaat vorhandenen Hilfesystem für von Gewalt bedrohte Frauen räumte das Sozialministerium in seiner Antwort ein, dass im Jahr 2014 etwa fünfzig Prozent der hilfesuchenden Frauen von den Schutz bietenden Unterkünften aus Mangel an Kapazitäten zur Unterbringung abgewiesen werden mussten. 2017 fanden in Bayern nach den Angaben der Landesregierung 1.483 Frauen und 1.606 Kinder in Frauenhäusern Zuflucht, bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 74 Tagen.

Zufluchtstätten für gewaltbetroffene Frauen bundesweit überlastet

Schutzunterkünfte für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen sind im gesamten Bundesgebiet überlastet. Das stellt eine aktuelle, von den Wissenschaftlichen Diensten (WD) des Bundestages durchgeführte Analyse vom Mai 2019 zur Situation von Frauenhäusern in Deutschland (WD 9 – 3000 – 030/19) fest. Jedes Jahr suchen dem Gutachten zufolge 16.000 hilfebedürftige Frauen und fast genauso viele Kinder in den Einrichtungen Zuflucht. Oftmals werde ihnen aufgrund von fehlenden Plätzen oder unklarer Finanzierung die Aufnahme verweigert, heißt es in dem Bericht der WD. Wie die neuesten Schätzungen ergaben, fehlen demnach über 14.600 Plätze zur Unterbringung von gewaltbedrohten Frauen.

In der Folge des neuen Haushaltsentwurfes (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) für das Jahr 2020 teilte das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Juni 2019 mit, dass es die Mittel für das in diesem Jahr gestartete "Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen" von derzeit 29 auf 35 Millionen Euro aufstocken wird. Auf diese Weise will das BMFSFJ den Zugang zu Schutzeinrichtungen erleichtern und besondere Zielgruppen besser mit ihren Bedürfnissen angemessenen Angeboten versorgen. "Wir stellen uns Hass, Gewalt und Missbrauch entgegen und helfen denen, die Opfer geworden sind," sagte die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zu den neuen Vorhaben zur Finanzierung von sozialen Projekten und Programmen des BMFSFJ. Das Ministerium plant, bis zum Jahr 2023 120 Millionen Euro in eine verbesserte Struktur von Frauenhäusern zu investieren.

Bayerische Landkreise mit Schutzangeboten für Frauen bisher eklatant unterversorgt

In Bayern gab es der erwähnten Studie der Universität Erlangen-Nürnberg zufolge 2014 nur einen Schutzplatz pro 29.661 Bewohner*innen. Somit lag die Anzahl der verfügbaren Plätze in Zufluchtsstätten deutlich unter der vom Verein Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) bzw. dem erläuternden Bericht zur Konvention des Europarates (EK) empfohlenen Menge, die jeweils ein Verhältnis von einem Schutzplatz pro 7.500 (FHK) bzw. pro 10.000 (EK) Einwohner*innen empfehlen. In dem Bericht des soziologischen Institutes heißt es, es könne „vorsichtig geschätzt von etwa 1.500-2.000 abgewiesenen Frauen jährlich ausgegangen werden“.

Die Zahlen der Studie hatte Verena Osgyan, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, 2018 „alarmierend“ genannt. „Knapp 2.850 Frauen wurden 2014 wegen Platzmangels von Frauenhäusern abgewiesen“, beklagte sie die schlechte Versorgungslage in den Einrichtungen. Dies seien „fast doppelt so viele, wie im selben Zeitraum aufgenommen werden konnten“. Osgyan forderte von der bayerischen Staatsregierung „konkrete Maßnahmen“ für ein verbessertes Hilfsangebot, wie den Ausbau ambulanter Betreuungsstellen, mehr Plätze in Frauenhäusern und mehr Gelder für Frauennotrufe und fachliche Beratung. Im Juni 2018 stellte sie vor dem bayerischen Landtag ein Schutzprogramm (das zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) vor, das häusliche Gewalt gegen Frauen bekämpfen soll. Wie ein im Auftrag der Bundesregierung vom FrauenForschungsinstitut Freiburg in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth erstelltes Gutachten zur Situation von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen aus dem Jahr 2012 zeigt, belegte Bayern im bundesweiten Vergleich mit einem angebotenen Schutzplatz für knapp 8.600 Frauen einen der untersten Ränge.

SPD und Grüne hatten wiederholt die Haltung der bayerischen Landesregierung kritisiert

Noch im Juli 2018 hatte die SPD-Landtagsabgeordnete Helga Schmidt-Bussinger anlässlich ihres Besuchs in einem Frauenhaus der bayerischen Staatsregierung die Zurückhaltung vorgeworfen, mit welcher sie die Unterkünfte für bedrohte Frauen finanziere. Im bayernweiten Durchschnitt liege „die Förderquote gerade einmal bei 10 Prozent“, das Land Bayern lasse „die Kommunen auf den Kosten sitzen“, kritisierte sie. Die damalige Landtagskandidatin Claudia Arabackyj (SPD) sagte dazu, es sei „erschreckend“, wie wenig die bayerische Regierung dafür Sorge trage, von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen zu schützen. „Eine angemessene Beteiligung“ des Freistaates beim Aufbringen der für Wohnraum und Personal erforderlichen Mittel sei „längst überfällig.“ Das Land Bayern dürfe sich nicht weiter seiner Verantwortung entziehen. Es sei „ein Skandal“, dass Frauenunterkünfte immer noch hilfesuchende Frauen abweisen müssten, weil die Gelder für zusätzliche Plätze zur Unterbringung fehlten, erklärte sie. Schon im Juni 2017 hatte die Grünen-Landtagsfraktion die eklatante Versorgungslücke bei den Frauenhäusern und Frauen-Hilfetelefonen kritisiert und auf der Grundlage der schon genannten Studie von der bayerischen Landesregierung in einer Reihe von Anträgen (Drs. 17/17223 - 17/17229) verlang, Gewalt gegen Frauen besser zu bekämpfen. Sie hatte damit der Staatsregierung ein mehrstufiges Gesamtkonzept präsentiert, in dem sie darlegte, dass das Land u.a. mehr Personal für Frauentelefone Beratungsstellen sowie einen bedarfsgerechten Ausbau von Frauenunterkünften zu gewährleisten habe.

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