DEBATTE IM BUNDESTAG : Weiterhin Streitfrage: Mehr Frauen sollen ins Parlament, nur wie?

9. Oktober 2020 // Ulrike Günther

Fast alle Fraktionen streben einen höheren Frauenanteil im Bundestag an. Über Mittel, dies zu erreichen, sind sie jedoch uneinig. Den Vorschlägen von Grünen, Linken und Liberalen, noch in diesem Jahr eine Kommission zur Frage der paritätischen Besetzung des Parlaments einzusetzen, hat die Mehrheit der Abgeordneten jedenfalls nicht zugestimmt.

Der Frauenanteil im Parlament liegt bei unter einem Drittel. - Bild: Pixabay / Gerd Altmann
Der Frauenanteil im Parlament liegt bei unter einem Drittel. - Bild: Pixabay / Gerd Altmann

zwd Berlin. In zweiter und dritter Lesung beriet das Parlament in seiner heutigen Sitzung (09. Oktober) über einen Gruppenantrag von Politikerinnen der Grünen- und der Linksfraktion (Drs. 19/16485, zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete in Ausgabe 377) sowie einen Antrag der FDP-Fraktion (Drs. 19/16486), die beide dafür eintreten, noch 2020 eine Kommission für eine höhere Repräsentanz weiblicher Abgeordneter im Bundestag einzurichten.

Grüne und Linke fordern gesetzliche Frauenquoten

Während Grüne und Linke von dem geplanten Gremium erwarten, „Vorschläge für gesetzliche Regelungen und Maßnahmen für Listen und Wahlkreise“ zu erarbeiten und rechtlich zu prüfen, gehen die vorerst nur an Möglichkeiten zu höherer politischer Teilhabe von Frauen interessierten Liberalen vorsichtiger zu Werke. Nach ihrem Willen soll sich die künftige Kommission verstärkt mit den Bedingungen im Vorfeld parlamentarischer Kandidaturen beschäftigen: diese einerseits über eine Studie untersuchen, andererseits mögliche Maßnahmen zum Aufstellen von Wahlleisten prüfen.

Einem Paritätsgesetz im eigentlichen Sinne, wie es die Grünen und Linken fordern, steht die FDP-Fraktion hingegen ablehnend gegenüber. Vor der Debatte hatten die Grünen- und Linksfraktion in den Ausschuss für Inneres und Heimat noch einen Änderungsantrag (Drs.19/23207) eingebracht, für den neben den Antragsteller*innen auch die FDP-Fraktion votierte. Demnach sollte sich die Kommission „unverzüglich“ konstituieren und innerhalb von 6 Monaten Ergebnisse vorlegen. Derzeit liegt der Frauenanteil im Bundestag bei rund 31 Prozent, über 5 Prozent weniger als in der vorigen Legislaturperiode, auf gleicher Höhe wie noch 1998.

SPD befürwortet paritätische Wahllisten

Die SPD-Fraktion plädiert wie Grüne und Linke für Quoten und verweist auf die eigene politische Praxis. Auf allen Ebenen von den Landkreisen bis zum Bundesgebiet verwende seine Partei paritätische Listen, hob der SPD-Politiker Mahmut Özdemir hervor. Ebenso sprach er sich für Besetzungen innerhalb der Partei über Frauenquoten aus, die Regelung sei „geübt und praktikabel“. Die vom Bundestag mit dem Gesetzentwurf der Koalition zur Wahlrechtsreform (Drs. 19/22504) am Donnerstag beschlossene Reformkommission werde laut Özdemir auf Betreiben der Sozialdemokrat*innen das Thema aufgreifen.

Im Gegensatz dazu sieht die Unionsfraktion Quoten eher skeptisch, sie allein könnten das Problem nicht lösen. Aus Sicht der CDU-Abgeordneten Petra Nicolaisen lässt sich die politische Gleichstellung nicht über Gesetze regulieren. Stattdessen solle man lieber „Schritt für Schritt vorangehen“ und angemessene Rahmenbedingungen für mehr politisches Engagement von Frauen schaffen.

Kritik an Zeitplan und Inhalten der Reformkommission

Alle drei antragstellenden Fraktionen kritisierten die vom Parlament am Vortag vereinbarte Reformkommission. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Ulle Schauws reagierte empört, dass man zur Frage der Wahlrechtsänderung nicht über Parität debattiert habe. Sie kündigte jedoch an, ihre Fraktion werde nicht aufhören „zu kämpfen, bis wir die Parität erreicht haben“. Ähnlich aufgebracht zeigten sich die Linksfraktion und die Liberalen angesichts der Tatsache, dass die vereinbarte Reformkommission ihre Ergebnisse erst bis Mitte 2023 präsentieren soll.

Man habe die Debatte um Parität „um Jahre verschoben“, monierte die Vize-Vorsitzende der Linken Cornelia Möhring, „das nenne ich eine Verzögerung“. Möhring warf der SPD vor, sich den Widerständen vonseiten des Koalitionspartners Union gegen zügige Fortschritte beim Durchsetzen paritätischer Verhältnisse im Parlament gefügt zu haben. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Bauer beanstandete zudem, dass die Aufgaben der Kommission, was diese „genau machen soll“, inhaltlich nicht richtig bestimmt seien. Die Anträge der Grünen, Linken und Liberalen wurden gemäß Beschlussempfehlung (Drs.19/23207) jeweils mit der Stimmenmehrheit der übrigen Fraktionen zurückgewiesen.

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