COPSY-STUDIE CORONA-KRISE : Mehr Stress beim Lernen und seelische Probleme

13. Juli 2020 // Ulrike Günther

Der Lebensalltag von Schüler*innen ist in der Corona-Krise schwieriger geworden. Ihr psychisches Wohlbefinden hat sich verschlechtert, der Schulunterricht belastet sie stärker als sonst, und zu Hause gibt es häufiger Streit. Vor allem sozial benachteiligte Kinder haben vermehrt seelische Probleme. Das geht aus der COPSY-Studie zur psychischen Gesundheit von Kindern während der Epidemie hervor.

Auf viele Kinder wirkt die Krise belastend. - Bild: .Pixabay / christ Poe
Auf viele Kinder wirkt die Krise belastend. - Bild: .Pixabay / christ Poe

Berlin/ Hamburg. Die Untersuchung habe gezeigt, dass die Herausforderungen durch die Pandemie und die damit zusammenhängenden Veränderungen im Sozialleben "die Lebensqualität und das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen verringern und das Risiko für psychische Auffälligkeiten erhöhen“, erklärte die Leiterin der COPSY-Studie Prof.´ in Ulrike Ravens-Sieberer anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse am Freitag (10. Juli). Demnach fanden die Forscher*innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) heraus, dass sich die Mehrheit der befragten Schüler*innen unter den Bedingungen der Krise belastet fühlt, sich verstärkt Sorgen macht und sich weniger um ihre Gesundheit kümmert.

Die Kinder und Jugendlichen berichteten laut Ravens-Sieberer auch über mehr Konflikte in ihren Familien. Und bei der Hälfte von ihnen hat der fehlende unmittelbare Kontakt auch die Beziehung zu Freund*innen beeinträchtigt. Das von Ravens-Sieberer angeleitete Forscherteam der kinder- und jugendpsychiatrischen Child Public Health-Abteilung am UKE befragte in der Zeit vom 26. Mai bis 10 Juni bundesweit über 1.000 11- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche sowie ca. 1.500 Eltern über Online-Fragebögen zu seelischem Wohlbefinden, Lebensqualität und auf die Gesundheit bezogenem Verhalten. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler*innen Fragen zu Familie, Schule und Freund*Innen. Die Werte aus der Erhebung verglichen sie mit den Daten aus vor der Krise durchgeführten Studien.

Durch die Krise hat das Wohlbefinden der Kinder gelitten

Nach Angaben der COPSY-Untersuchung hätten über 70 Prozent der Schüler*innen die Corona-Krise als belastend erfahren.. Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen brachten zum Ausdruck, dass sich für sie die Lebensqualität vermindert habe und dass sie sich weniger wohl fühlen. Vor der Epidemie galt das nur für etwa ein Drittel der Schüler*innen. „Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens in der Krise gerechnet. Dass sie allerdings so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht“, kommentierte Ravens-Sieberer die Ergebnisse der Studie.

Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen erlebten den Schulunterricht und Lernen unter Corona-Verhältnissen als anstrengender als sonst. Es fiel ihnen schwerer, den Schulalltag zu bewältigen, und dadurch fühlten sie sich äußerst belastet. Das verwundere kaum, erläuterte die Studienleitern die Daten, da die gewohnte Struktur der täglichen Abläufe wegfalle und die Kinder ihre Freund*innen nicht treffen könnten. Beides sei jedoch „für die psychische Gesundheit sehr wichtig“, so Ravens-Sieberer.

In den Familien gibt es mehr Konflikte

Außerdem ist der Studie gemäß die Atmosphäre in den Familien angespannter als vor der Krise. Von den Schüler*Innen gaben 27 Prozent an, dass es zu Hause vermehrt Streit gebe, bei den Eltern machten sogar 37 Prozent diese Aussage. Unter den Kindern und Jugendlichen treten laut der Befragung während der Krise öfter psychische wie psychosomatische Probleme auf. Ihr Risiko, psychisch auffällig zu werden, stieg in dem genannten Zeitraum von weniger als einem Fünftel (18 Prozent) vor der Corona-Zeit auf knapp ein Drittel (31 Prozent) an.

Fast ein Viertel der Schüler*innen (24 Prozent) zeigte häufiger ein hyperaktives Betragen, jeweils rund ein Fünftel wies emotionale Probleme und Schwierigkeiten hinsichtlich des Verhaltens (19 Prozent/ 21 Prozent) auf. Gleichzeitig hatten die Kinder und Jugendlichen während der Krise verstärkt psychosomatische Beschwerden: Über die Hälfte von ihnen fühlte sich gereizt (54 Prozent), 44 Prozent hatten Probleme mit dem Einschlafen. 40 Prozent der Schüler*innen klagten der Studie zufolge über Kopfschmerzen, 31 Prozent über Bauchschmerzen.

Kinder aus benachteiligten Familien sind verstärkt betroffen

Ravens-Sieberer wies darauf hin, dass unter den Kindern vor allem bestimmte Gruppen von den ungünstigen Folgen der Krise betroffen sind. Es seien insbesondere Kinder von Eltern mit einem geringeren Bildungsgrad oder mit Migrationshintergrund, welche die krisenbedingten Veränderungen im Leben als schwierig empfänden. Ein Mangel an finanziellen Ressourcen ebenso wie beengtes Wohnen führten nach Aussagen von Ravens-Sieberer ebenfalls zu einer erhöhten Gefahr für die Kinder, psychisch auffällig zu werden.

Wenn es zu Hause keine Möglichkeiten gebe sich zurückzuziehen und die Tagesstruktur fehle, würden in den Familien mehr Konflikte und Streitigkeiten entstehen. Ravens-Sieberer fordert daher Konzepte, wie man Familien in solchen Krisenzeiten besser unterstützen könnte. Fühlten sich die Eltern belastet, hätten auch die Kinder mehr unter der Anspannung zu leiden, fasst die Wissenschaftlerin eine Erkenntnis der Forschung zusammen. Wenn unterschiedliche Belastungen zusammenwirkten, wachse nach Auffassung von Ravens-Sieberer auch das Risiko, dass die Kinder und Jugendlichen psychisch oder psychosomatisch auffälliges Verhalten zeigten.


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