KOLONIALES ERBE : Mehr Transparenz im Umgang mit Sammlungsgut aus der Kolonialzeit

30. Oktober 2019 // Ulrike Günther

Bund und Länder richten eine „Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ ein. Darauf haben sich die Kulturminister*innen und Vertreter*innen der Kommunen gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Prof.´in Monika Grütters (CDU) geeinigt.

Afrikanische Masken - Bild: flickr / Wonderlane
Afrikanische Masken - Bild: flickr / Wonderlane

zwd Berlin. Mit ihrer Entscheidung auf dem 11. kulturpolitischen Spitzengespräch, das nach der zweiten Sitzung der neugegründeten Kulturministerkonferenz (Kultur-MK) stattfand, setzen sie einen der wichtigsten Inhalte der schon im März von den Beteiligten vereinbarten „Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ um. Bund und Länder werden die Kontaktstelle je zur Hälfte finanzieren, die organisatorischen und administrativen Aufgaben wird die Kulturstiftung der Länder (KSL) übernehmen, u.a. in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK). Es ist geplant, dass die Kontaktstelle ihre Arbeit ab dem ersten Quartal 2020 im Rahmen eines Pilotprojektes über eine dreijährige Laufzeit erprobt.

Kontaktstelle soll Transparenz schaffen und Rückgaben erleichtern

Den in den „Ersten Eckpunkten“ entworfenen Grundsätzen folgend wird sie als zentrale Anlaufstelle für Menschen und Institutionen aus den betroffenen Herkunftsgesellschaften fungieren und ihnen Informationen über in deutschen Museen und Sammlungen befindliche koloniale Kulturgüter bereitstellen. Auf diese Weise soll die Kontaktstätte dazu beitragen, die bereits in den „Eckpunkten“ geforderte Transparenz im Umgang mit den Beständen von kolonialem Sammlungsgut zu verwirklichen. Für eine verantwortungsvolle Aufarbeitung der Herkunft kolonialer Kulturgüter sei es erforderlich, alle wichtigen Daten über die in deutschen Einrichtungen lagernden Objekte zu dokumentieren und öffentlich zugänglich zu machen, heißt es in dem Eckpunktepapier.

Grütters sagte anlässlich der Gründung der Kontaktstelle, „Transparenz herzustellen“ werde eine vorrangige Funktion des Anlaufzentrums bilden. Die Arbeitsgemeinschaft aus Bund, Ländern und kommunalen Verbänden werde „den Dialog mit Expertinnen und Experten sowie Betroffenen“ suchen und möglichst zeitnah „umsetzbare Lösungen vorschlagen.“ Die Staatsministerin für Auswärtige Kulturpolitik im Auswärtigen Amt Michelle Müntefering (SPD) erklärte, ihr Ministerium werde die „internationalen Aspekte der Arbeit“ der Kontaktstelle unterstützen, insbesondere die Kooperation mit den Herkunftsländern und mögliche Rückgaben. Nur so könne es gelingen, die koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Hamburger Senator für Kultur und Medien Carsten Brosda (SPD), der zurzeit den Vorsitz in der Kultur-MK innehat, sieht in der Kontaktstätte ein Zeichen dafür, dass der in den „Ersten Eckpunkten“ formulierte „gesamtstaatliche Konsens“ wirke.Sie werde „als erste Anlaufstelle für Rückgabeersuchen dazu beitragen, Restitutionen zu erleichtern“. Insofern wertet Brosda die Anlaufzentrale als einen „wichtigen Baustein für die Verständigung und Versöhnung“ mit den vormals kolonialisierten Gesellschaften.

Kritik der Grünen: Längerfristige Perspektive für Planung erforderlich

Derzeit sind viele Museen und Institutionen damit beschäftigt, ihre Objekte zu inventarisieren und digitalisieren und die gesammelten Daten für die Kontaktstelle verfügbar zu machen. Vertreter*innen von Museen und Kulturverbänden hatten zuvor mehrfach hervorgehoben, dass sie eine Anlaufzentrale als essentiell für einen fairen Austausch mit den Herkunftsstaaten ansehen, wie etwa Prof. Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in seinem schon zu Jahresbeginn vorgestellten Zehn-Punkte-Plan zum kolonialen Erbe oder der Deutsche Kulturrat als übergeordnete Organisation der Bundeskulturverbände. Der Kulturrat zeigte sich angesichts der Entscheidung zugunsten der Kontaktstelle über das Vorhaben erfreut, machte aber deutlich, dass er es für erforderlich halte, „die organisierte Zivilgesellschaft, die Kirchen und die Wissenschaft“ verstärkt in den Prozess der Aufarbeitung des kolonialen Kulturgutes einzubeziehen. Auch Kirsten Kappert-Gonther, stellvertretendes Mitglied der Grünen-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien, begrüßte die neue Einrichtung als „wichtigen Schritt für mehr Transparenz“.Sie verlangte allerdings, diese müsse auf die Inventare der musealen Sammlungen rückhaltlos zugreifen können. Kappert-Gonther kritisierte, dass die Finanzierung der Anlaufstelle vorerst auf drei Jahre begrenzt sei. Sie hält für das Projekt eine langfristige Planungsperspektive für unerlässlich, um Kompetenzen und Verbindungen aufzubauen. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass die Anlaufzentrale die kolonialen Sammlungsgüter auch tatsächlich zur Restitution und nicht nur als Leihgaben anbieten müsse.

Kulturstiftung der Länder organisiert und verwaltet die Anlaufzentrale

Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte in diesem Jahr in einem Antrag (Drs. 19/ 7735) dafür plädiert, eine Zentralstelle am DZK zu errichten, um Informationen über alle aus der Kolonialzeit Objekte verfügbar zu machen (das zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete). Ähnlich hatte sich die Fraktion der SPD im Bundestag in einem Positionspapier zugunsten einer Anlaufstelle ausgesprochen, welche dazu dienen solle, sämtliche Informationen über koloniale Sammlungsgüter zu bündeln und zu veröffentlichen. Die Linken-Bundestagsfraktion hatte ihrerseits in einem Antrag (Drs. 19/ 8961) vorgeschlagen, alle in deutschen Museen und anderen Einrichtungen lagernden kolonialen Kulturgüter in einem umfassenden elektronischen System zu erfassen und öffentlich zugänglich zu machen.

Angaben der KSL zufolge wird die Kontaktstelle vor allem in Fragen zu Sammlungsgütern aus kolonialen Kontexten informieren und beraten, Personen und Einrichtungen vernetzen und einzelfallbezogene Anfragen weiterleiten. Dazu wird sie die Daten zu den Kulturgütern sammeln, strukturieren und veröffentlichen. Die Bund-Länder-AG wird dabei die Funktion des zentralen Aufsichtsgremiums ausüben und schwerpunktmäßig die Inhalte und strategischen Ziele der Kontaktstelle festlegen. Ein sogenannter Verbundausschuss wird die Arbeit der Anlaufstelle mit den Partnereinrichtungen koordinieren und unterstützen.

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