40 JAHRE UN-FRAUENKONVENTION (CEDAW) : "Menschenrechte sind unteilbar"

4. Juni 2019 // Ulrike Günther

Auch die in anderen UN-Verträgen wie dem Sozialpakt festgeschriebenen Rechte haben gleichermaßen für beide Geschlechter zu gelten. Dies wurde bei einer Podiumsdiskussion in der Humboldt-Universität Berlin (HU) anlässlich des 40-jährigen Bestehens der UN-Frauenkonvention (CEDAW) deutlich.

Frauenmarsch in Chicago - Bild: pexels / Elizabeth Ryder
Frauenmarsch in Chicago - Bild: pexels / Elizabeth Ryder

zwd Berlin. Auf dem Podium diskutierten am vorigen Mittwoch an der HU unter der Moderation von Ulrike Lembke (im Bild links), Professorin für Geschlechterstudien, Vertreter*innen der Menschenrechtsausschüsse der Vereinten Nationen (UN) über die Bedeutung, die der CEDAW-Konvention heute zukommt. Die Fachleute für (Frauen-)Menschenrechte besprachen die unterschiedlichen Arten von Diskriminierung, wie sie die diversen UN-Menschenrechtsverträgen verbieten und debattierten über den Einfluss, den CEDAW auf die anderen Konventionen ausübt. Ebenfalls thematisiert wurden die vielfältigen Facetten der geforderten gleichen Rechte von Frauen und Männern, wie sie in der Praxis zu verwirklichen wären.

Gemeinsam mit dem UN-Antirassismus-Ausschuss hatte die UN-Frauenkonvention den Diskurs um die geschlechtsbezogene Diskriminierung über eine Kritik an Machtverhältnissen hinterfragt und durch mehrdimensionale Betrachtungsweisen bereichert. Inzwischen hat der UN-Ausschuss für Menschenrechte die politischen und bürgerlichen Rechte einem Gender-Mainstreaming unterzogen. Patricia Schulz (im Bild 3. v.l.), wissenschaftliche Mitarbeiterin am UN-Forschungsinstitut für Soziale Entwicklung (UNRISD) und mehrfach Mitglied im CEDAW-Ausschuss, erklärte, dass die UN-Frauenkonvention „die klassischen Verpflichtungen von Staaten in Erinnerung gebracht“ habe, d.h. über das Gewährleisten und den Schutz der (Menschen-)Rechte von Frauen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu wachen. Die Mitgliedsstaaten der UN waren im Dezember 1979 darin übereingekommen, jegliche Form von Diskriminierung an Frauen zu beseitigen und aktiv alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um dieses Zeil zu erreichen.Überwiegend auf Betreiben von Frauenrechtsorganisationen aus den besonders nach Frieden und umfassender Selbstbestimmung strebenden Entwicklungsländern hatte CEDAW seinerzeit den Begriff der geschlechtsspezifischen Diskriminierung umfassend neu bestimmt und gefordert, insbesondere frauenfeindliche Stereotype zu überwinden sowie spezifische, gegen Angehörige eines Geschlechtes gerichtete Gewalt zu bekämpfen.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Rechtsverstöße von Privaten

Indem die UN-Frauenkonvention ihre Vertragspartner erstmals auch zu einem Vorgehen gegen Rechtsverstöße innerhalb der Privatsphäre verpflichtete, eröffnete sie eine ganz neue Perspektive auf die Frauen-Menschenrechte, da sie dem Phänomen gerecht wurde, dass sich Diskriminierung von Frauen in erster Linie im häuslichen, nicht-staatlichen Kontext abspielt. Der CEDAW-Ausschuss habe „von Anfang an geschaut, was passiert, wenn eine Frau durch ihren Mann diskriminiert wurde“, sagte Schulz. Sie hob anhand von Beispielen hervor, wie die UN-Frauenkonvention es gerade in solchen Fällen erlaubte, Diskriminierung im häuslich-privaten Milieu in den Blick zu nehmen und auf dieser Grundlage auch staatliche Autoritäten für getroffene Fehlentscheidungen zur Verantwortung zu ziehen. Schulz wies darauf hin, wie häusliche, an Frauen ausgeübte Gewalt extreme Verletzungen darstellen können, die im Einzelfall - wie bei erzwungener Sterilisation oder unter Zwang durchgesetzten Abtreibungen - sogar mit dem Begriff der Folter zu fassen seien, und verlangte, dass „Staaten Maßnahmen ergreifen“ müssten, um diese Arten von Diskriminierung einzudämmen.

Empfehlungen des UN-Sozialpaktes gelten diskriminierungsfrei

Eine zentrale Rolle nahmen in der Diskussion der im sog. UN-Sozialpakt (CESCR) festgeschriebene Katalog wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Rechte sowie die „General Comments“ (Allgemeine Bemerkungen) ein, welche mehrere Artikel des Paktes wie „Die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung aller wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte“ (Artikel 3), die „Nichtdiskriminierung bei den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten“ (Artikel 2, Absatz 2) oder die „Sexuelle und reproduktive Gesundheit“ (Artikel 12) detailreich kommentieren. Michael Windfuhr (im Bild rechts), stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Mitglied des CESCR-Ausschusses, machte auf dem Podium klar, wie wesentlich die im Sozialpakt erhobene Forderung sei, dass die dort formulierten Rechte „diskriminierungsfrei“ zu gelten hätten: Artikel 2 § 2 müsse „mit jedem der anderen Artikel zusammengedacht werden“, also mit dem Recht auf Gesundheit, Bildung, Nahrung etc. Die vom Sozialpakt-Ausschuss vorgenommene Prüfung der Staatenberichte untersuche zwar nicht an erster Stelle die ungleiche Behandlung von Frauen. Aufgrund der einschlägigen Fakten wie Gender Pay Gap (Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern), Domestic Work (Hausarbeit) und größerer Armut bei Frauen würde deren Benachteiligung jedoch dennoch klar zutage treten, so dass man, „wenn man sich die Verletzung wirtschaftlich-sozialer Rechte anschaut, immer öfter bei den Frauen ankommt“.

Rechtliche und tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern

Prof.´in Beate Rudolf (im Bild 2. v.l.), Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte und bis 2019 Vorsitzende des Weltweiten Verbandes der nationalen Menschenrechtsorganisationen (GANHRI), kritisierte die „deutsche Rechtsdogmatik“, die hinsichtlich des „Diskriminierungsverbots“ auf einen Vergleich von Frauen und Männern abhebe. Sie betonte, dass CEDAW stattdessen auch die „Wirkungen auf Frauen“ in Betracht ziehe und damit „die Erkenntnis dahingehend weitet, was Diskriminierung für Frauen bedeutet.“ Auf dieser Grundlage habe die UN-Frauenkonvention „zeitweilige Sondermaßnahmen“ erarbeitet, um „die tatsächliche Gleichstellung von Frauen sicherzustellen“. Mit zahlreichen Beispielen wiesen die Expert*innen auf dem Podium hier auf die offenkundige Kluft zwischen den in den Empfehlungen der UN formulierten gleichen Rechten und einer erst herzustellenden, faktisch vorhandenen Gleichheit von Frauen und Männern hin. Die Unterscheidung einer de jure, also rechtlichen, von einer de facto, also realen Gleichberechtigung der Geschlechter hatte CEDAW u.a. durch das Programm zur konkreten Umsetzung der Zielvorgaben, beispielsweise durch geeignete Gesetze und öffentliche Institutionen, in den öffentlichen Diskurs eingebracht.

Vielfältige, diverse Gruppen: Frauen sind nicht gleich Frauen

In der Gesprächsrunde herrschte die Ansicht vor, dass bei der Frage, wie Gleichberechtigung zu verstehen sei, nicht nur der Vergleich zwischen Frauen und Männern, sondern auch die Diversität der Frauen insgesamt mit ihren zum Teil stark unterschiedlichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen seien. Die UN-Frauenkonvention fördere die Erkenntnis, so Moderatorin Lembke, dass „Frauen nicht gleich Frauen“, also „keine einheitliche, geschlossene, einfach zu handelnde Gruppe“ seien. Stattdessen gebe es bei der Menge der Frauen verschiedene „spezifische Gefährdungslagen“. Windfuhr stellte vor allem den Gegensatz zwischen auf dem Land und in den Städten lebender Frauen heraus. Die meist deutlich schlechtere Versorgung der Frauen auf dem Land mit Bildung und gesundheitsfördernden Maßnahmen und der durch die weiten Distanzen eingeschränkte Zugang zu kulturellen und sozialen Einrichtungen würden, indem die staatliche Politik diese häufig vernachlässige, als Arten strukturell verursachter Ungleichheit in ländlichen Regionen zu den vom CESCR-Ausschuss anzuprangernden „staatlichen Diskriminierungstatbeständen“ gehören. Prof.´in Rudolf und Schulz machten durch Beispiele aus ihrer Arbeit deutlich, wie CEDAW u.a. Menschenrechtsorganisationen die Situation spezifischer Gruppen wie Sexarbeiter*innen oder intersexueller Menschen untersuchten, und zeigten im internationalen Vergleich, wie verschiedene Lösungsansätze und Herangehensweisen der Ausschüsse zu Erfolgen führten. Schulz wies darauf hin, dass im General Comment Nr. 28 eine Menge verschiedener Gruppen von Frauen aufgelistet seien, die jeweils auf andere Art diskriminiert würden, wie z.B. Queerfrauen. Bei den im Bereich der Sexarbeit tätigen Frauen werde, wie die Analysen des Sozialpakt-Ausschusses laut Windfuhr zeigten, z.B. häufig gegen das Recht auf Gesundheit verstoßen.

Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit

Auf der Grundlage des über 30-seitigen General Comments Nr. 22 (2016) zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit gingen die Teilnehmer*innen des Diskussionspanels insbesondere auf die Problematik gewollter und unerwünschter Schwangerschaften ein. Dabei wurde auch deutlich, wie weitreichend die von den Vertragsstaaten übernommene Verpflichtung zum Schutz der Frauen vor allen Formen von Diskriminierung ist. Schulz erläuterte, dass das Recht auf Leben häufig dadurch verletzt werde, dass durch unzureichende medizinische Versorgung viele Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt sterben würden. Sie fragte auch, „was Staaten tun, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern“. Grundsätzlich wurde in der Debatte sichtbar, dass die von der UN eingeforderten sexuell-reproduktiven Rechte sich in der alltäglichen Realität der betroffenen Frauen nicht angemessen abbilden. So stellte Lembke fest, dass „reproduktive Rechte in der Lebenswirklichkeit der Frauen nicht ankommen.“ Insbesondere Frauen mit Behinderungen seien „überdurchschnittlich viel diskriminiert“, z.B. indem es ihnen durch mangelnde Unterstützung vielfach versagt bleibe, eine eigene Familie zu gründen.

Am Schluss eines äußerst vielseitigen, wichtige Aspekte des Diskurses um Frauenrechte beleuchtenden Gespräches warben die Expert*innen für das „Verständnis, dass der Einsatz für Menschenrechte etwas ist, wovon man selber profitiert“ (Windfuhr). Prof.´in Rudolf unterstrich: „Wer sich einsetzt gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung, der schafft Freiheit für alle.“

Quelle Bild im Text: DIMR / Stelzer

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