GRUNDGESETZÄNDERUNG : Nach dem Digitalpakt ist vor dem Digitalpakt

21. Februar 2019 // Hannes Reinhardt

Der Streit zwischen Bund und Ländern um die Änderung des Grundgesetzes ist Geschichte: Nach nur drei Sitzungen rettete die vom Vermittlungsaus¬schuss eingesetzte 18-köpfige Arbeitsgruppe, was der Haushaltsausschuss des Bundestages im November letzten Jahres verbockt hatte. Die angekündigten fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt Schule können also endlich fließen. Ein solches Gezerre sollten sich Bund und Länder jedoch nicht erneut erlauben, findet zwd-Redakteur Hannes Reinhardt.

Bild: AdobeStock
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zwd Berlin. Vor der Kritik kommt das Positive: Die Einigung im Streit um den Digitalpakt Schule und der vom Bund mit ihm verknüpften Änderung des Grundgesetzes (GG) hat zu einem spürbaren Aufatmen in der deutschen Bildungslandschaft geführt. Auf der zweiten Sitzung des Vermittlungsausschusses am 20. Februar votierten die Länder einstimmig für den erarbeiteten Kompromissvorschlag. Eine Zustimmung des Bundesrates am 15. März ist somit nur noch Formsache. Der Bundestag hatte die neuen Formulierungen der GG-Artikel 104b und 104c bereits einen Tag später mit breiter Mehrheit durchgewunken: 574 Abgeordnete stimmten nach einer kurzen Aussprache dafür, nur die 74 anwesenden Parlamentarier*innen der AfD stimmten erwartungsgemäß mit Nein.

Der Vereinbarung zufolge kann der Bund den Ländern nun künftig Finanzhilfen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Auch unmittelbar damit verbundene und befristete Aufgaben der Länder und Gemeinden könnten nach der vorgeschlagenen Neufassung des Artikels 104c des Grundgesetzes finanziert werden.

Länder setzen sich durch

Was ist noch neu? Die Bundesregierung darf von den Ländern Berichte und anlassbezogen zwar die Vorlage von Akten verlangen, um die zweckentsprechende Mittelverwendung zu gewährleisten, im Übrigen bleiben die enthaltenen Kontrollrechte jedoch unverändert. „Alles Weitergehende wäre ein Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder gewesen“, hatte die Verhandlungsführerin der Länder, die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen (SPD), betont. „Diese galt es zu wahren, damit die Zukunftsaufgaben bei der Bildung, der inneren Sicherheit und der Infrastruktur bewältigt werden können.“ Durchsetzen konnten sich die Länder auch bei der umstrittenen, vom Finanzausschuss des Bundestages im November 2018 hineingeschriebene Passage, nach der die Finanzierung zu gleichen Teilen gestemmt werden müsse. „Bildung bleibt Ländersache, der Bund ist nicht der bessere Schulmeister und will es auch gar nicht sein“, bemühte sich Andreas Jung, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für die Bundesseite klarzustellen. Die Schultür solle jedoch nicht Stoppschild für Bundes-Förderung von Infrastruktur sein.

Doch bedeutet der Wegfall des „Stoppschildes“ nun stattdessen einen immerwährenden „Tag der Offenen Tür“ für den Bund? Wer den monatelangen Streit intensiv verfolgte, konnte den Eindruck gewinnen, der von der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) im Sommer 2016 ins Spiel gebrachte Digitalpakt werde vom Bund für einen „Kompetenzendiebstahl“ durch die Hintertür – Stichwort Haushaltsausschuss – missbraucht. In der medialen Berichterstattung bekamen im Anschluss die Länder den Schwarzen Peter, die das Geld für die Digitalisierung der Schulen „einfach nicht haben wollten.“

Rauft euch in Zukunft zusammen!

Die Aussagen Jungs lassen nun für die Zukunft zwar eine gewisse Zurückhaltung des Bundes erahnen; auch die Länder sehen ihre Kultushoheit durch den Kompromiss nicht eingeschränkt. Jedoch hatten sich auch diese vor allem in den letzten Wochen nicht mit Ruhm bekleckert, vor allem in der Kommunikation nach außen, die jedoch gerade in Zeiten einer zunehmenden Politikverdrossenheit so wichtig scheint. Doch wie auch immer es mit der Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit den neuen Möglichkeiten im Bildungsbereich weitergeht: Beide sind gut beraten, in Zukunft an einem Strang zu ziehen und vertrauensvoll und ehrlich miteinander umzugehen. Denn klar ist: Die fünf Milliarden Euro aus dem Digitalpakt sind nur ein kleiner Anschub. Ländervertreter*innen hatten mehrfach darauf hingewiesen, dass ohnehin nur eine geringe Summe bei den einzelnen Schulen ankommen werde. Zudem wecken die erweiterten Kompetenzen des Bundes nun auch Begehrlichkeiten bei Bildungseinrichtungen außerhalb der allgemeinbildenden Schulen (siehe Statements in der linken Spalte). Nach dem Digitalpakt ist also vor dem Digitalpakt. Bund und Länder sind gefordert, die neuen Möglichkeiten im Sinne aller zu nutzen.

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