ENTWURF DES KOALITIONSVERTRAGES : Neuer Anlauf zur „Bildungsrepublik“

28. Februar 2018 // Holger H. Lührig

Die beliebteste Fragestellung bei der Bewertung des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD lautete, wieviel „Handschrift“ welcher Partei in der Vereinbarung zu lesen sei. Dass die SPD viel erreicht habe, hat der Karlsruher Software-Entwickler Sven Körner (Unternehmen thingsThinking) mittels künstlicher Intelligenz herausgefunden.

zwd-Herausgeber Holger H. Lührig
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zwd Berlin. In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung resümierte Körner aufgrund der Analyse von Textähnlichkeiten des Vertrages (in etwa 8.200 Sätze und 4.500 Absätze) mit den Parteiprogrammen, dass etwa 75 Prozent der Ähnlichkeiten auf das SPD-Wahlprogramm zurückgingen. Immerhin habe die SPD viele Sätze aus ihrem Programm wortwörtlich in den Koalitionsvertrag einbringen können. RP-Online, das Nachrichtenportal „Rheinischen Post“ hat anhand einer Zählung der rund 80.000 Wörter im Koalitionsvertrag herausgefunden, dass im Koalitionsvertrag das Wort „Deutschland“ 197 Mal unddas Wort „Menschen/Mensch“ 114 Mal vorkommt. Die Vergleichszahlen in den Wahlprogrammen zu den beiden Begriffen ergaben für Deutschland und „Menschen” 99 bzw. 128 bei die SPD, 153 bzw. 86 bei die CDU und 61 bzw. 51 bei der CSU. Was lernen wir daraus?

Dass PC-Rechnungen zwar interessant, aber für die Wirklichkeit nicht aussagekräftig genug sind. Wichtiger ist, anhand der Texte inhaltlich zu hinterfragen, was sich hinter blumigen oder schwammigen Formulierungen versteckt, was tatsächlich beabsichtigt ist und welche Forderungen überhaupt fehlen. Zweifellos tragen die bildungspolitischen Aussagen der Vereinbarung die Handschrift der SPD, namentlich gilt dies für die weitere Lockerung des Kooperationsverbots, den Rechtsanspruch auf Ganztagsschulen, für die BAföG-Reform und die Fortschreibung der Verstetigung von Finanzierungsvorhaben des Bundes (z.B. beim Hochschulpakt). Doch auch hier steckt der Teufel im Detail: Welche Art Ganztagsschule ist gemeint? Und warum erst ab 2025? Damit wird die Erfüllung auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Möglich, dass die Koalitionär*innen im Blick hatten, dass es nicht nur um die Entlastung von Eltern geht, sondern auch um die Gewährleistung eines pädagogischen Anspruchs. Und der verlangt entsprechend qualifizierte Lehrkräfte und Schulbauten, die nicht einfach verfügbar sind. Da muss, wie eine skeptische Stellungnahme lautete, noch eine Schippe draufgelegt werden.

Vermisst werden z.B. der Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die SPD-Forderung nach Einführung eines Arbeitslosengeldes „Q“ zur Weiterqualifizierung von Erwachsenen. Insgesamt ist aber das, was Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihr Co-Partner, Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil, im Interesse der SPD durchgesetzt haben, durchaus als ein „Meisterstück“ zu bewerten. Es bietet einen Anlauf zu der von Kanzlerin Merkel seit 2007 versprochenen, aber bislang uneingelösten „Bildungsrepublik“.

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