NICHT 54,3%, SONDERN 33,3% DER BERLINER SPD-MITGLIEDER
STIMMTEN FÜR DIE KOALITION MIT DER CDU
: Lediglich 472 Stimmen gaben den Ausschlag

26. April 2023 // Holger H. Lührig

Die Botschaft war so eindeutig wie falsch. Die Lesart der auf Twitter verbreiteten Nachricht des SPD-Landesvorstandes suggerierte, eine "klare" Mehrheit der Berliner SPD-Mitglieder von mehr als 50 Prozent hätte für eine Koalition mit der CDU votiert. Nicht nur weite Teile der Medien, sondern sogar auch die Jusos gingen dieser Lesart auf den Leim. Denn tatsächlich haben nur 33.3 Prozent aller Berliner SPD-Mitglieder für diese Koalition gestimmt.

zwd-Montage: Berlin wird schwarz
zwd-Montage: Berlin wird schwarz

Nur bei genauerem Hinsehen wird deutlich, wie die Abstimmungsverhältnisse wirklich gelesen werden müssen: Von den 18.555 Berliner SPD-Mitgliedern haben sich 63,45 Prozent (11.886) an der Abstimmung beteiligt, anders ausgedrückt: 6.669 Mitglieder (35,94 %) haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt, also mehr als die Zahl der Befürworter:innen einer CDU/SPD-Koalition, die mit 6.179 Mitgliedern (33,33 % aller SPD-Mitglieder) beim Mitgliedervotum mit Ja gestimmt haben. Die Nein-Sager:innen - es konnte nur mit ja oder nein abgestimmt werden - blieben mit 5.200 Stimmen (28,03 % aller Berliner SPD-Mitglieder) ebenfalls in der Minderheit.

Die Berechnung des SPD-Landesvorstandes basiert auf der Berechnung lediglich der gültigen Stimmen und kommt deshalb auf ein Votum von 54,3 Prozent der Ja-Stimmen, mithin zu einem schöngerechneten Ergebnis. Dass 507 Genoss:innen ungültige Stimmzettel abgegeben haben, darf aber bei der Bewertung des Abstimmungsergebnisses nicht unbeachtet bleiben: Es sind ja keine Stimmen zugunsten einer Koalition mit der CDU und relativieren - zusammengerechnet mit den 5.200 Nein-Stimmen sind es immerhin 5.707 Stimmen (48,01 % aller abgegebenen Stimmen) - das "klare" Abstimmungsergebnis. Denn bei dieser Berechnung schmilzt der Vorsprung des Ja-Sager:innen-Lagers auf 51,98 Prozent. Und letztlich haben 472 Stimmen der abgegebenen Stimmen den Ausschlag für die Koalition der SPD mit der CDU gegeben.

"Giffey versucht sich mit einem Senatorin-Posten im CDU-geführten Senat vor ihrem politischen Aus in der Berliner SPD zu retten"

Politische Beobachter bewerten diese Fakten als weitere Schwächung der SPD-Landesspitze, der außerdem von nicht wenigen Parteimitgliedern vorgeworfen wird, sich bisher einer Aufarbeitung und Verantwortungsübernahme für das desaströse Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl verweigert zu haben. Das Abstimmungsergebnis mit einem Votum von 33,33 Prozent für die Koalition mit der CDU sei nicht repräsentativ für die Partei, wird argumentiert. Ein prominentes Parteimitglied wird mit den Worten zitiert, die Landesvorsitzende Franziska Giffey habe sich vor ihrem politischen Aus in ihrer Partei auf einen Senatorinposten im CDU-geführten Senat zu retten versucht. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine Trennung am Amt und Mandat und damit die Niederlegung des Landesvorsitzes fordern. Das wäre dann nicht nur die von Giffey reklamierte "Verantwortung für Berlin", sondern auch ein Dienst Giffeys an ihrer Partei, heißt aus aus Parteikreisen, die sich dem linken Parteiflügel zugehörig fühlen.

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