SCHUTZBRIEF DER BUNDESREGIERUNG : Anne Spiegel: "Weibliche Genitalverstümmelung ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung"

7. Februar 2022 // vf/ticker

Die Corona-Pandemie wirkt sich negativ auf die Prävention gegen weiblichen Genitalverstümmelungen aus. Zum internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelungen hat die Bundesregierung einen Schutzbrief präsentiert, der bedrohten Mädchen und Frauen im Ausland vor Genitalverstümmelungen als rechtliche Sicherung dienen soll. Bundesfrauenministerin Anne Spiegel (GRÜNE) will zu einem Fachgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Communities, von NGOs, aus dem Gesundheitsbereich und weiteren Expertinnen und Experten einladen.

"Gewalt gegen Frauen" Aufschrift Quelle: Pixabay

Weltweit sind rund 200 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen, ein Tatbestand der in Deutschland nach § 226a StGB mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden kann. Infolge der globalen Migration leben auch in Deutschland 75.000 Opfer, 20.000 Frauen gelten derzeit als gefährdet. Ein Schutzbrief der Bundesregierung soll Mädchen und Frauen bei der Mitführung in ihr Heimatland ihre Rechte aufzeigen. Familienangehörige, die an ihrer Tochter eine weibliche Genitalverstümmelung durchführen, dabei helfen oder diese nicht verhindern, droht eine Haftstrafe, sowie eine Einreiseverweigerung nach Deutschland bzw. eine Löschung einer bestehenden Aufenthaltserlaubnis.

Spiegel kündigte eine Ausarbeitung von Präventionsmaßnahmen an: "Gemeinsam mit den Communities und den Fachkräften werde ich alle Anstrengungen unternehmen, um bedrohte Mädchen und Frauen vor diesem Verbrechen zu schützen. Wir brauchen mehr Aufklärung und effektive Frühwarnsysteme, um Mädchen und Frauen noch besser zu schützen. Ich werde mich dazu eng mit Expertinnen und Experten und NGOs abstimmen, um praxisnahe Lösungen für die Arbeit vor Ort zu finden. Es geht mir dabei um niedrigschwellige Aufklärungsarbeit und effektive Kooperationen zum Schutz von Mädchen und Frauen."

In den künftigen Fachgesprächen soll die Verwendung des Schutzbriefes gegen weibliche Genitalverstümmelung im Vordergrund stehen, welcher derzeit noch überarbeitete und präzisiert wird. Zudem sollen auch Methoden für effektive Frühwarnsysteme und Aufklärungsarbeit entwickelt werden. Die Gespräche orientieren sich an den Empfehlungen aus der Bund-Länder-NGO-AG zur Überwindung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland an, die regelmäßig unter der Leitung des Bundesrauenministeriums tagt.

Thema braucht noch mehr Aufmerksamkeit

Hessen unterstützte die Schutzbriefinitiative, die über die Strafbarkeit von weiblichen Genitalverstümmelungen auch im Ausland informiert. Der Sozial- und Integrationsminister des Landes, Kai Klose (GRÜNE), möchte aber "noch mehr auf dieses Thema aufmerksam machen und vor allem das Umfeld der betroffenen Mädchen und Frauen erreichen, um aktiver Aufklärungsarbeit zu leisten." Mit konkreten Projekten soll der verbesserte Schutz von Mädchen und Frauen vor weiblicher Genitalverstümmelung erreicht werden. Die Landesregierung Hessens fördert schon seit 2018 das profamilia-Projekt, die sich für Maßnahmen zur "Verbesserung von Schutz und Versorgung für Frauen und Mädchen, die in Hessen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen oder bedroht sind" einsetzt. Kai Klose möchte aber dennoch das Thema durch gezieltes Handeln im politischen Raum weiter stärken.

Auch die Gleichstellungsbeauftragte Thüringens, Gabi Ohler (DIE LINKE), sieht in der Prävention noch Handlungsbedarf. "Ich fordere all jene auf, die Kenntnis von einem solchen Eingriff erlangen, den Betroffenen Hilfe anzubieten und diejenigen anzuzeigen, die die Genitalverstümmelung durchgeführt haben", appellierte Ohler an das medizinische Personal und an die Menschen in Thüringen. Der Fokus solle auf die Verhinderung von Straftaten gelenkt werden.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) machte deutlich, dass die Durchführung von weiblicher Genitalverstümmelung tiefgreifendere Ursachen -sexuelle Ungleichheit- hat. Laut Schulze kann man anhand dieses Themas sehr klar erkennen, "was wir mit feministischer Entwicklungspolitik meinen: Es reicht nicht, die Symptome zu bekämpfen. Sondern wir müssen ganz grundsätzlich diskriminierende Machtstrukturen und schädliche soziale Normen identifizieren und überwinden.“



Artikel als E-Mail versenden