Frauen stehen nicht auf den Zetteln : PARITÄT BEI AMPEL-KABINETTSLISTEN

11. Oktober 2021 // Holger H. Lührig

Frauen als Ressortcheffinnen in einer SPD-geführten Bundesregierung? Dazu reicht die journalistische Spekulationsfähigkeit in den deutschen Medien nicht aus

Die konkreten Koalitionsverhandlungen haben noch gar nicht begonnen, da schießen schon die Spekulationen darüber ins Kraut, wer wo Minister werden könnte. Auf der Spekulationsliste versammelt sich eine Fußballmannschaft von Spitzenpolitikern, genauer gesagt: zehn Männer und eine Frau (Annalena Baerbock). Die Männer dieser Riege aufzuzählen, ist derzeit ziemlich überflüssig, denn alle Berichte in den Medien kranken daran, dass der Hauptstadtpresse partout nicht einfallen will, wie denn das von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz versprochene paritätisch von Frauen und Männern besetzte Kabinett aussehen könnte. Ja gewiss, einige Männer sind gesetzt – Scholz, Habeck und Lindner, die Verhandlungsführer bei den Ampel-Sondierungen, - und genug Männer stehen in den Startlöchern. Aber Frauen? Die sind schon in den Verhandlungsteams unterrepräsentiert.

Es war Olaf Scholz, der schon während des Wahlkampfs zu der Aussage geradezu genötigt wurde, ob denn die SPD-Chefin Saskia Esken „ministrabel" sei. Er bejahte das zur Enttäuschung der Fragenden, die von dem Gegenteil ausgingen. Dann sorgte FDP-Chef Christian Lindner mit seiner Ankündigung, dem sozialdemokratischen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen, zu einem absichtsvollen Querschuss in die Reihen der Grünen, die sich schon darauf einzurichten begonnen hatten, Kathrin Göring-Eckart ins Schloss Bellevue zu hieven.

Nach der Wahl ist nun alles anders. Annalena Baerbock wird nicht Kanzlerin, aber natürlich ist sie in jeder Regierungskoalition mit Grünenbeteiligung quasi gesetzt - für welches Ressort auch immer. Die Grünen werden die Quote eher übererfüllen. Bei der FDP sind Frauen in der ersten Reihe nicht zu sehen. Und die SPD? Weiterhin bleibt Saskia Esken auf de. Spielfeld, ohne dass dies Begeisterungsstürme auslöst. Sie müsse vom SPD-Vorsitz „weggelobt" werden, erzählt man sich in „Genossen“kreisen, nachdem sie ihre erneute Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt hat. Der vermeintliche Mangel an SPD-Frauen hat in den Medienveröffentlichungen dazu gefährt, dass alte Bekannte wieder ins Blickfeld gerückt werden: die ehemale Parteivorsitzende Andrea Nahles, jetzt Behördenchefin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, und Katharina Barley, ehemals SPD-Generalsekretärin ?(2015-2017), dann Bundesministerin (2017-2019), derzeit Vizepräsidentin des Europaparlaments. Auch Christine Lambrecht, die 2019 als Nachfolgerin von Barley das Amt der Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz übernahm und 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidiert hat, werden neuerdings Ambitionen nachgesagt, sich doch noch nicht aufs politische Altenteil zurückzuziehen. Doch welche Frau auf dem SPD-Ticket ins Kabinett einziehen wird, steht allenfalls auf dem Zettel des auch sonst sehr schweigsamen Olaf Scholz. Er wird sich seine Gedanken machen (müssen), wem er zutraut, ein Ressort erfolgreich zu führen und sein Blick wird dabei auch in die Länder gehen, in denen Frauen erfolgreich Politik machen.


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