KULTURSCHAFFENDE GEGEN RUSSLANDS VÖLKERRECHTSWIRDIGEN ANGRIFFSKRIEG : Petrenko und Berliner Philharmoniker zu Putins Krieg: "Messer in den Rücken der friedlichen Welt"

25. Februar 2022 // Holger H. Lührig

Zentrale Kulturorganisationen in Deutschland haben mit der von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg betroffenen Ukraine ihre uneingeschränkte Solidarität bekundet. Derweil geraten prominente Musiker:innen, die bisher enge Beziehungen zum russischen Staatschef Putin unterhalten, unter Druck, sich klar zu positionieren. Wie der Dirigent Valery Gergiew oder die Sopranistin Anna Netrebko. Mit deutlichen Worten hat dagegen Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, gegen die Invasion Stellung bezogen.

Farben der Ukraine
Farben der Ukraine

Der Chefdirigent, der aus dem russischen Omsk stammt, und der Stiftungsvorstand der Berliner Philharmoniker veröffentlichten am Freitag auf ihrer Seite des Orchesters eindeutige Stellungnahmen.
Kirill Petrenko mit folgendem Statement:

»Der heimtückische und völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine ist ein Messer in den Rücken der ganzen friedlichen Welt. Es ist auch ein Angriff auf die Kunst, die bekanntlich über alle Grenzen hinaus verbindet. Ich bin zutiefst solidarisch mit all meinen ukrainischen Kolleginnen und Kollegen und kann nur hoffen, dass alle Künstlerinnen und Künstler für Freiheit, Souveränität und gegen die Aggression zusammenstehen werden.«

Der Stiftungsvorstand der Berliner Philharmoniker betonte auf der Startseite des Orchesters, verbunden mit einem Bild auf der Webseite der Berliner Philharmoniker:

"Die Berliner Philharmoniker, der Rundfunkchor Berlin, Gustavo Dudamel sowie die Solistinnen Nadine Sierra und Okka von der Damerau werden die Konzerte in dieser Woche mit Gustav Mahlers Zweiter Symphonie den Betroffenen der russischen Angriffe auf die Ukraine widmen.

»Wir sind zutiefst erschüttert über die Angriffe von russischer Seite, die einen Krieg auf europäischem Boden ausgelöst haben und sich direkt gegen ein Leben in Freiheit und Demokratie richten. Unsere Solidarität gilt allen Menschen in der Ukraine und den Opfern, die diese gewaltsame Auseinandersetzung fordert.«
(Andrea Zietzschmann, Knut Weber und Stanley Dodds für den Vorstand der Stiftung Berliner Philharmoniker)"

"Putins Künstler"

Wegen der Unterstützung des Kreml-Chefs droht dem Putin-Protegé Valery Gergiev der Rausschmiss bei den Münchner Philharmonikern, deren Chefdirigent er ist. Der Dirigent ist vom Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ultimativ aufgefordert worden, sich bis zum 28. Februar klar zu dem völkerrechtswidrigen Vorgehen seines Freundes Putin zu äußern, andernfalls werde der Vertrag mit ihm als Chefdirigent des Münchner Orchesters beendet. München ist Partnerstadt von Kiew. Nach einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) hat Gergiev bereits sein Engagement an der Carnegie Hall verloren, wo er Tourneekonzerte mit den Wiener Philharmonikern dirigieren sollte. Auch die Mailänder Scala will laut NZZ die Zusammenarbeit mit Gergiev beenden, falls er sich nicht klar von der russischen Invasion in der Ukraine distanzieren sollte. Ähnlich gerät auch die Starsopranistin Anna Netrebko unter Druck, sich klar zu äußern. Die Künstlerin mit doppelter österreichisch-russischer Staatsbürgerschaft hatte sich dem Bericht der NZZ zufolge am 7. Dezember 2014 gemeinsam mit einem Separatistenführer vor der Flagge des international nicht anerkannten Staates "Neurussland" (Union der abtrünnigen sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk), ablichten lassen.

Kulturszene in Deutschland solidarisch mit der Ukraine

Einhellig ist die Verurteilung des russischen Handelns in der deutschen Kulturszene. Der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. Tobias J. Knoblich und auch der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, zeigten sich erschüttert und äußerten ihre Sorge um die mutigen Menschen, die sich in der Ukraine und in Russland für Frieden, die Freiheit der Kunst, die Demokratie und die Menschenrechte einsetzen. Der Deutsche Kulturrat plädierte zugleich dafür, die russische Bevölkerung nicht mit der russischen Regierung gleichzusetzen.

Um den vom Krieg betroffenen Kulturschaffenden zu helfen, wird aus dem Haushalt von Kulturstaatsministerin Claudia Roth ein Betrag von einer Million Euro als Soforthilfe zur Verfügung gestellt, um gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt mehr flüchtenden Kulturschaffenden die Aufnahme zu ermöglichen. Nach einem Treffen mit ukrainischen und russischen Künstlerinnen, Musikern und Intellektuellen, die in Deutschland leben und arbeiten, kündigten Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenamts-Staatsministerin Katja Keul in Übereinstimmung mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (alle Grüne) an, gemeinsam die Unterstützung für ukrainische wie auch russische Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch Journalistinnen und Journalisten auszubauen. Als Soforthilfe stellt Roth aus ihrem Haushalt eine Millionen Euro bereit; es sei zugleich ein Angebot an andere europäische Partner, daran mitzuwirken. Nach Absprache mit der französischen Kulturministerin Roselyne Bachelot soll das Thema bei dem EU-Kulturministerinnen und -ministertreffen am 7. März weiter vertieft werden. .

Musizieren für den Frieden

Der Landesmusikrat, das Präsidium des Chorverbandes Berlin sowie weitere Verbände haben die Berliner Chöre und Ensembles, Musikerinnen und Musiker dazu aufgerufen, gemeinsam mit ihnen für den Frieden zu musizieren. Es zeigte sich bei der spontanen Demonstration, dass die anwesenden Sängerinnen und Sänger ihre Stimmen für den Frieden erhoben und vor dem Hintergrund des Brandenburger Tores, das in den Ukrainischen Farben erstrahlte, ihre Solidarität bekundeten.

Der Deutsche Komponistenverband bezeichnete das Vorgehen des russischen Diktators als menschenverachtend. Es passe die Maske nicht mehr, die sich Putin immer wieder gerne aufgesetzt habe. In der Erklärung des Komponist:innenverbandes heißt es unter anderem wörtlich:

„Als Komponistinnen und Komponisten sind wir mit der ganzen Welt kulturell und freundschaftlich vernetzt, dazu gehören auch viele Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine. Wir machen uns Sorgen um ihr Wohl, um ihre Familien und um ihre Zukunft. In solchen Zeiten ist es schwierig, Worte zu finden, die nicht nur hohle Geste sind, aber angesichts dieser Situation fänden wir es auch unerträglich, zu schweigen, selbst wenn wir wissen, dass wir wenig ausrichten können. Sicherlich fragen sich viele unserer Mitglieder, was sie tun können, denn als einzelner Mensch fühlt man sich oft hilflos, was solche Entwicklungen angeht. Wir können hierzu nur empfehlen, den Gedanken von Sanktionen gegenüber dem Aggressor auch in unserem Bereich des Kulturbetriebs sehr ernst zu nehmen. Auch wir können als Künstlerinnen und Künstler ein deutliches Zeichen setzen, indem wir uns hier nicht instrumentalisieren lassen. Selbstverständlich sollten diese Sanktionen sich nicht gegen die vielen russischen Musikerinnen und Musiker richten, die bei uns friedlich leben und die sich vom gegenwärtigen Regime in Russland distanzieren. Wir können aber eine klare Linie ziehen bei all denjenigen, die sich offen zu Putin bekennen oder auf irgendeine Weise von ihm oder seinen Netzwerken profitieren, denn sie unterstützen einen Mörder und Aggressoren. Wir sollten nicht mit staatlichen russischen Institutionen zusammenarbeiten, keine Gelder von solchen Institutionen annehmen und uns auch nicht von ihnen bezahlen und einladen lassen, denn es wird dann immer die Gefahr bestehen, dass wir von Propaganda vereinnahmt werden, selbst wenn es unter dem Deckmantel des „friedlichen Austauschs“ geschieht. Umgekehrt sollten wir all die kulturellen Kräfte unterstützen, die sich gegen den Krieg und die Aggression stellen, sowohl in der Ukraine als auch in Russland. Wir wissen nicht, was die kommende Zeit bringen wird, aber wir hoffen, dass die Kultur ihre Stimme nicht verliert und sich weiterhin stark artikuliert, allem Widerstand zum Trotz. Hierzu gehören auch wir Komponistinnen und Komponisten. Wo wir schweigen, endet nicht nur die Musik, sondern auch die Hoffnung. Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und ein klares Nein zu Gewalt, Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung politisch Andersdenkender – das ist unsere Haltung als DKV."



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