PISA-SONDERAUSWERTUNG : Schüler*innen mit Migrationshintergrund: Fehlende Bildung der Eltern größtes Hindernis für Bildungserfolg

19. März 2018 // ticker

Geringe formale Bildung und niedriger beruflicher Status der Eltern sowie Schwierigkeiten mit der Unterrichtssprache sind die größten Hindernisse für den Schulerfolg von Schüler*innen mit Migrationshintergrund. Zu diesem Schluss kommt eine Sonderauswertung der PISA-Daten von 2015 durch die OECD, die am Montag veröffentlicht wurde.

zwd Brüssel/Berlin. Viele dieser Schüler*innen schneiden in der Schule schlechter ab als ihre inländischen Altersgenoss*innen. Dies gilt vor allem für Einwanderer*innen der ersten Generation (im Ausland geborene Schüler*innen von im Ausland geborenen Eltern). Im Durchschnitt der OECD-Länder erlangt etwa jede*r zweite Einwanderer*in der ersten Generation die Grundkompetenzen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Bei Schüler*innen ohne Migrationshintergrund liegt dieser Anteil bei etwa drei Vierteln.

„Gute Bildung ist entscheidend für junge Migranten, um sich in Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren“, betonte Gabriela Ramos, OECD Chief of Staff und G20-Sherpa, die den Bericht in Brüssel vorstellte. Es sei „alarmierend“, dass in der EU Schüler mit Migrationshintergrund deutlich häufiger an grundlegenden Aufgaben in Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik scheiterten. „Wir brauchen zielgerichtete Politiken, die allen die Möglichkeit geben, ihr Potential voll zu entfalten“, mahnte Ramos. Dem Bericht zufolge fühlen sich Zuwanderer*innen in der Schule weniger dazugehörig, haben häufiger schulbezogene Ängste und sind insgesamt weniger mit ihrem Leben zufrieden. Allerdings sind Schüler*innen mit Migrationshintergrund häufiger hoch motiviert, um in der Schule und darüber hinaus das Bestmögliche zu erreichen.

Entscheidend, welche Sprache zu Hause gesprochen wird

In Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, Slowenien und Schweden ist unter Migrant*innen und deren Nachkommen der Anteil leistungsschwacher Schüler*innen besonders hoch, so der Bericht. In diesen Ländern erreichen Schüler*innen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so häufig wie Einheimische nicht die schulischen Grundkenntnisse. Unterschiede bei der sozialen und wirtschaftlichen Herkunft können mehr als ein Fünftel der Kluft zwischen Schüler*innen mit Migrationshintergrund und einheimischen Schüler*innen beim Erreichen der Basiskompetenzen erklären. Sprachkenntnisse sind laut der Auswertung ebenfalls entscheidend: Schüler*innen mit Migrationshintergrund, die zu Hause nicht die Sprache des Aufnahmelandes sprechen, schneiden im PISA-Test um etwa acht Prozentpunkte schlechter ab als Schüler*innen mit Migrationshintergrund, die auch zu Hause in der Unterrichtssprache kommunizieren.

Zuwanderer besuchen zudem nach Erkenntnissen der OECD mit höherer Wahrscheinlichkeit Schulen, an denen häufiger geschwänzt wird und die ein schlechteres Unterrichtsklima haben als Schüler*innen ohne Migrationshintergrund. Auch sind Zuwanderer*innen häufiger als einheimische Schüler*innen Opfer von Mobbing und fühlen sich häufiger von Lehrer*innen unfair behandelt, was ebenfalls zu Leistungsunterschieden und Unterschieden beim Wohlbefinden beiträgt. Allerdings berichten viele Schüler*innen mit Migrationshintergrund auch, dass ihre Lehrer*innen ihnen zusätzliche Unterstützung anbieten.

Grüne: „Schulerfolg nicht von der sozialen Herkunft abhängig machen“

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Margit Stumpp, bezeichnete die Abhängigkeit zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und dem Bildungserfolg der Nachkommen als „Skandal“. „Wir dürfen den Schulerfolg nicht von der sozialen Herkunft abhängig machen“, kritisierte Stumoo. „Wir wollen längeres gemeinsames Lernen, individuelle Förderung und eine bessere Ausstattung der Schulen inklusive Ganztagsbetreuung. Kurz: Gute Bildungschancen für alle.“

Der Studie zufolge ist in den vergangenen zehn Jahren in fast allen OECD-Ländern der Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund deutlich gestiegen. Mittlerweile ist fast jede*r vierte 15-jährige Schüler*in in OECD- und EU-Ländern entweder im Ausland geboren oder hat mindestens einen im Ausland geborenen Elternteil.

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