STUDIE WORLD VISION : Schulbesuch von Mädchen in Gefahr

24. August 2020 // Ulrike Günther

Während der Krise haben fast 1,6 Milliarden Lernende weltweit nicht die Schule besuchen können. Für Kinder, vor allem Mädchen, ist es teilweise schwierig, zum Unterricht zurückzukehren. Schwangeren Teenagerinnen droht besonders im südlichen Afrika der Abbruch der Schulbildung, da man ihnen in einigen Ländern die Teilnahme an Schulstunden verweigert. Die Kinderhilfsorganisation World Vision warnt vor den Folgen.

Eine fortgesetzte Schulbildung ist für die Zukunft der Mädchen wichtig. - Bild: Pixabay / Sharon Ang
Eine fortgesetzte Schulbildung ist für die Zukunft der Mädchen wichtig. - Bild: Pixabay / Sharon Ang

zwd Berlin. Eine aktuelle Studie der Kinderhilfsorganisation World Vision geht davon aus, dass rund eine Million Schulmädchen im südlichen Afrika, die während der Zeit der geschlossenen Schulen schwanger geworden sind, nicht die Erlaubnis zur Rückkehr an ihre Schulen erhalten könnten. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) World Vision warnt in dem Bericht davor, diesen Teenagerinnen und jungen Frauen den Zugang zur Bildung zu versperren. In zahlreichen Ländern des Kontinentes ist es nach Angaben der Organisation schwangeren Mädchen nicht gestattet, am Schulunterricht teilzunehmen. Die NGO sieht dadurch einerseits die berufliche Zukunft dieser Mädchen und Frauen bedroht, andererseits auch ein mögliches Hemmnis für den dringend erforderlichen wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Lockdown während der Pandemie.

Im Afrika südlich der Sahara leben nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) weltweit die meisten Kinder und Jugendlichen ohne Schulbildung, an zweiter und dritter Stelle folgen Süd- und Westasien. Die Quote der schwangeren Heranwachsenden ist laut dem Bericht in der Region Afrikas mit ca. 10 Prozent der 15- bis 19-Jährigen (2018) ebenfalls höher als in anderen Teilen der Welt und im internationalen Mittel (4,2 Prozent). Die UN schätzen, dass weltweit insgesamt ca. 11 Millionen Schüler*innen der Primar- und Sekundarstufe, etwas weniger als die Hälfte davon Mädchen, bei Wiederaufnahme des Unterrichtes nicht an ihre Schulen zurückkehren könnten.

Abgebrochene Bildungskarrieren gefährden Zukunftschancen

"Eine verlorene Ausbildung ist nicht nur für junge Mütter und ihre Kinder katastrophal, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern nach der Pandemie“, betonte die Direktorin für Humanitäre Hilfe von World Vision Isabel Gomez anlässlich der Veröffentlichung der Studie am 21. August. Wenn diese Länder es nicht schafften, die Weiterbildung der heranwachsenden Mädchen zu gewährleisten, laufe die Region im Süden der Sahara Gefahr, zusätzlich zu den unmittelbaren schädlichen Folgen der Krise auf die Wirtschaft bis zu 10 Milliarden US Dollar ihres Bruttoinlandsproduktes einzubüßen, erklärte Gomez. Die Studie stellt fest, dass viele Mädchen während der Schulschließungen schwanger geworden sind - durch sexuelle Gewalt, frühe Verheiratung als Minderjährige oder aufgrund fehlender Kenntnisse, wie sie sich vor einer Schwangerschaft schützen können.

Untersuchungen zu den Auswirkungen der Ebola-Epidemie im westafrikanischen Sierra Leone in den Jahren 2014 bis 2016 haben nach Aussagen von World Vision gezeigt, dass sich für Mädchen und junge Frauen während der Schutzmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit verdoppelte, schwanger zu werden. Über 14.000 Teenagerinnen waren davon betroffen, viele von ihnen wurden daraufhin daran gehindert, ihren Schulbesuch fortzusetzen. Die Folgen für die Schülerinnen und ihre Familien sind laut Gomez verheerend, wenn man den Heranwachsenden ihr Recht auf Bildung verweigert: Sie hätten ebenso wie ihre Kinder weniger gute Zukunftschancen, seien einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt und sähen sich mit wachsender Armut und unsicheren Lebensverhältnissen konfrontiert.

NGO: Länder sollen Schulbesuch von schwangeren Mädchen unterstützen

Obwohl soziale Normen und Regeln vielfach die Rückkehr junger werdender Mütter an die Schulen untersagen, ist man der Studie zufolge in vielen Teilen von Afrika südlich der Sahara bemüht, das Recht auf Bildung der schwangeren Mädchen sicherzustellen. Während einige Länder, wie Togo oder Äquatorialguinea, auf dem Ausschluss der Heranwachsenden vom Unterricht beharren, haben andere Staaten angefangen, die Rückkehr dieser Teenagerinnen an die Schulen mit einem Angebot von Maßnahmen zu unterstützen. Sierra Leone z.B. hat im März 2020 die Schulbesuchssperre für schwangere Mädchen aufgehoben, nachdem der Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) entschieden hatte, dass die Regelung die Heranwachsenden diskriminiere und sie ihres Rechts auf Bildung beraube. Das südostafrikanische Mozambique hat inzwischen das Verbot für schwangere Schülerinnen, tagsüber am regulären Unterricht teilzunehmen, rückgängig gemacht, das Bildungsministerium von Ghana im Westen des Kontinentes hat Richtlinien entwickelt, um unbeabsichtigt schwanger gewordenen Teenagerinnen zu helfen, weiter die Schule zu besuchen.

Die NGO rät in der Studie allgemein, fortgesetztes Lernen in der Zeit der geschlossenen Schulen durch Distanzunterricht zu gewährleisten und alle Mädchen weiter zu unterrichten. Darüber hinaus sollten die Länder ein dem Zugang zur schulischen Bildung förderliches Umfeld schaffen, indem sie Strategien entwickeln, die schwangeren Schülerinnen, anstatt sie durch ausschließende Praktiken vom Unterricht fernzuhalten, die kontinuierliche Bildung erleichtern. Weiterhin sollten nach Auffassung der NGO Kampagnen für ein gesteigertes öffentliches Bewusstsein, geschlechtsspezifische Lehrertrainings und Unterricht in sexueller und reproduktiver Gesundheit die Rate der Teenager-Schwangerschaften verringern helfen sowie eine ausreichende Finanzierung der Bildung u.a. unterstützende Maßnahmen für den weiteren Schulbesuch der Mädchen ermöglichen.

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