KONZEPTE FÜR UNTERRICHT IN DER KRISE : Schule nach den Ferien: Rückkehr zum Regelbetrieb?

27. Juli 2020 // Ulrike Günther

Die Corona-Krise hat den Schulalltag stark verändert, Home-Schooling hat ganz unterschiedlich gut funktioniert. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat Mängel im Unterricht zur Zeit der Kontaktsperren und strengen Hygienevorschriften eingestanden. Eltern- und Lehrerverbände zweifeln an der geplanten Rückkehr zum schulischen Regelbetrieb.

Das Online-Lernen zu Hause funktioniert unterschiedlich gut. - Bild: PxHere
Das Online-Lernen zu Hause funktioniert unterschiedlich gut. - Bild: PxHere

zwd Berlin. Beim Lernen mit Computer und Internet zu Hause habe es „enorme Unterschiede“ gegeben, erklärte die Bildungsministerin im Rückblick auf die vergangenen Monate. Zwar hätten viele Schüler*innen einen guten Unterricht erhalten. Es habe jedoch auch Schulen gegeben, „an denen Lehrer während der Krise so gut wie gar keinen direkten Kontakt zu den Schülern hatten“, beklagte Karliczek die stellenweise aufgetretenen Defizite beim krisenbedingten Home-Schooling gegenüber der Bild am Sonntag (BaS).. In solchen Fällen sei es nur verständlich, dass „die Kinder Lernrückstände aufbauen“.

Karliczek: Unterschiede beim digitalen Lernen wird es weiter geben

Das Lernen unter den strengen Schutzvorgaben wertet die Ministerin für alle als eine besondere Ausnahmesituation, viele Beteiligte hätten sich angestrengt. Die bundesdeutsche Schulbildung zeige nach Ergebnissen neuerer Studien jedoch bereits unter gewöhnlichen Bedingungen „nur gutes Mittelmaß‘“, betonte Karliczek. Dementsprechend verlaufe der Schulunterricht auch während der Epidemie „im Großen und Ganzen mittelmäßig“. Für die Bildung in der Bundesrepublik steckt sich die Ministerin aber ein höheres Ziel als bloß das Mittelmaß und forderte: „Wir müssen besser werden“, in der Corona-Krise und erst recht danach.

„Wir brauchen einen neuen Aufbruch im Schulwesen“, schätzte Karliczek die Lage in der Schulbildung ein. Wenn aufgrund neuer Erkrankungswellen Schulen wieder schließen sollten, rechnet die Bildungsministerin aber nicht mit raschen Verbesserungen. Es werde sicherlich weiterhin „von Schule zu Schule Unterschiede geben“, sagte sie. Die Rückstände seien zum Teil ziemlich groß. „So realistisch müssen wir sein, trotz der Anstrengungen von Bund und Ländern“, gab Karliczek zu bedenken.

Elternrat fordert qualifizierten Fernunterricht für den Krisenfall

Vertreter*innen von Eltern- und Lehrerverbänden übten unterdessen scharfe Kritik an der geplanten Rückkehr zum Regelunterricht nach den Sommerferien. Der Vorsitzende des Bundeselternrates Stephan Wassmuth hält es für unrealistisch, jetzt davon auszugehen, dass die Corona-Krise am Anfang des nächsten Schuljahres einfach vorüber sei. Das Vorhaben, an den Schulen wieder regulären Unterricht abzuhalten, sei nur darin begründet, „dass es einen Mangel an Personal und Räumen gibt“, kritisierte der Elternratsvorsitzende im Interview mit der BaS die Pläne. Die Kultusministerkonferenz hatte bereits Mitte Juni die Entscheidung getroffen (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete), nach den Sommerferien möglichst zum Regelbetrieb zurückzukehren.

Wassmuth glaubt, dass es im neuen Schuljahr zu regionalen Schulschließungen kommen werde, sieht die Bundesländer allerdings dafür nicht ausreichend gerüstet. Die vorliegenden Konzepte seien mit Mängeln behaftet, „Wir brauchen endlich einen qualifizierten Fernunterricht, damit Eltern nicht wieder in die Rolle der Lehrer gedrängt werden“, verlangte Wassmuth. Die Situation des Home-Schooling, wie sie über Monate während der Krise geherrscht habe, dürfe sich nicht wiederholen, mahnte er.

Lehrerverband: Schulen auf Regelunterricht nicht gut vorbereitet

Ähnlich kritisch sieht der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger die Startbedingungen für das neue Schuljahr. Alle vorhandenen Konzepte könnten nicht darüber hinwegtäuschen, „dass die Schulen weder auf den Normalbetrieb noch auf den Fernunterricht gut vorbereitet sind“, beanstandete Meidinger die lückenhaften Planungen. Bisher sei nicht ersichtlich, wie die Schulen die von den Ländern erstellten Hygienekonzepte umsetzen sollten, so der Lehrer*innenvertreter.. Das vorgesehene Isolieren der Lerngruppen werde man spätestens im Kurssystem der Abiturstufe nicht verwirklichen können.

Weiterhin monierte der Verbandspräsident, dass die Kultusministerien keinen Unterschied zwischen jüngeren und älteren Schüler*innen machten, obwohl bekannt sei, dass sich die Erkrankung bei jüngeren Kindern und jungen Erwachsenen stark unterschiedlich verbreite. Die Mehrheit der Schutzkonzepte berücksichtigt nach Meidingers Aussagen diese Erkenntnisse aber nicht und behandelt Erstklässler*innen und Abiturient*innen gleich. Außerdem bemängelte der Präsident des Lehrerverbandes, dass Lüftungskonzepte schon daran scheitern würden, „dass nicht alle Klassenräume Fenster haben, die man öffnen kann“.

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