SCHULE UND CORONA-KRISE : Schulstart einmal anders: Mehrere Länder führen Maskenpflicht ein

4. August 2020 // Ulrike Günther

In einigen Bundesländern beginnt in diesen Tagen wieder der Unterricht. Mit oder ohne Maske – die Frage haben diese Landesregierungen überwiegend zugunsten des Mund-Nasen-Schutzes entschieden. Die Bundesregierung unterstützt die Pläne der Länder. SPD und Gewerkschaften bezweifeln, dass eine Rückkehr zum regulären Unterricht durchführbar ist. Angesichts steigender Infektionszahlen mahnt das Robert-Koch-Institut, an Schulen bestimmte Schutzvorgaben einzuhalten.

Im neuen Schuljahr müssen SchülerInnen in einigen Ländern Masken tragen. -  Bild: Pixabay / Juraj Varga
Im neuen Schuljahr müssen SchülerInnen in einigen Ländern Masken tragen. - Bild: Pixabay / Juraj Varga

zwd Berlin. Mecklenburg-Vorpommern (MV) hat heute (04. August) das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler*innen ab der 5. Klasse zur Pflicht gemacht. Die Regelung soll ab Mittwoch innerhalb der Schulgebäude und auf dem gesamten Gelände gelten, jedoch nicht im Unterricht oder in den Klassen- und Kursräumen. In dem nordostdeutschen Bundesland ist der Schulbetrieb am Montag als Erstes wieder gestartet. Trotz der bundesweit geringsten Infektionszahlen müsse das Land „auf Nummer sicher gehen“, da die Erkrankungszahlen in der Bundesrepublik derzeit erneut anstiegen, begründete die Bildungsministerin von MV Bettina Martin (SPD) die Entscheidung.

Man befolge damit den Rat von Fachleuten von Gesundheitsamt, Gesundheitsministerium und Universität. Das Tragen von Gesichtsmasken biete „ergänzend zu den anderen Hygienemaßnahmen in der Schule einen weiteren wichtigen Schutz für Schüler und Beschäftigte“, betonte die Bildungsministerin. Sie wies aber darauf hin, dass die Schulen vor der Krankheit am sichersten seien, wenn die gesamte Gesellschaft im Alltag die Hygieneregeln einhalte.

Brandenburg folgt mit Maskenpflicht Berliner Beispiel

Ebenfalls am Dienstag kündigte das Land Brandenburg entgegen früheren Plänen an, mit dem neuen Schuljahr ab dem 10. August in Korridoren das Tragen von Gesichtsmasken verpflichtend einzuführen. Im Unterricht müssten die Schüler*innen jedoch keinen Mund-Nasen-Schutz aufsetzen, um eine ungehinderte Kommunikation zu ermöglichen, wie die Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) gegenüber dem Rundfunk Berlin Brandenburg sagte. Damit folgt das Land dem Berliner Beispiel.

Die Bildungssenatorin von Berlin Sandra Scheeres (SPD) teilte am Dienstag mit, dass die Schulen der Hauptstadt nach den Ferien am 10. August unter Beachtung des Gesundheitsschutzes zum Normalbetrieb zurückkehren würden. Dabei solle innerhalb der Schulgebäude für Kinder wie Lehrkräfte eine Maskenpflicht gelten. Der Mindestabstand müsse aber nur in Lehrerzimmern eingehalten werden. Prinzipiell sei der Schulbesuch für alle verpflichtend, Schüler*innen mit Vorerkrankungen würden in Absprache mit der jeweiligen Schulleitung die Möglichkeit zum Einzelunterricht erhalten.

SPD , GEW und VBE: Zweifel an der Rückkehr zum Regelbetrieb

Die Parteichefin der SPD Saskia Esken äußerte sich hinsichtlich der Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebes skeptisch. Sie halte „die Rückkehr zur gewohnten Normalität an den Schulen für eine Illusion und die Aufgabe von Abstandsregeln für sehr problematisch“, sagte Esken im Interview mit den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Wenn Schulen vorhätten, teilweise auf Schutzmaßnahmen zu verzichten, müssten sie dafür gewisse Vorkehrungen treffen, z.B. Unterrichtskonzepte erstellen, welche „die Kontakte beschränken“, forderte die Parteivorsitzende der Sozialdemokrat*innen. Schulstunden in Fächern wie Fremdsprachen oder Sport z.B., die üblicherweise in verschiedenen Gruppen abgehalten werden, müssten zu diesem Zweck anders als sonst organisiert, die Wahlmöglichkeiten eventuell eingeschränkt werden, schlug Esken vor.

Auch der Bildungsverband VBE schätzt eine Rückkehr zum Regelunterricht als unrealistisch ein. Es werde „keinen flächendeckenden, vollumfänglichen Regelschulbetrieb wie vor Corona geben“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann der Welt. Ein solches Vorhaben ließe sich Beckmann zufolge selbst bei andauernd niedrigen Infektionszahlen nicht umsetzen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor dem „hohen Risiko“, welches die Schulöffnungen mit sich brächten.

Daher müssten nach Ansicht von GEW-Chefin Marlies Tepe alle am Schulbetrieb Beteiligten Vorsicht üben und den Mindestabstand beachten, wie sie gegenüber der Passauer Neuen Presse erklärte. Tepe bewertet zwar die Wiederaufnahme des Schulunterrichtes grundsätzlich als gut, doch der Start in den Regelbetrieb stellt ihrer Auffassung nach eine „schwierige Situation“ dar. Schulen sollten eigentlich frühzeitig genau darüber informiert werden, wie sie den Gesundheitsschutz zu leisten hätten. Darauf habe man sich bislang aber nicht genug vorbereitet, kritisierte die GEW-Vorsitzende.

Mund-Nasen-Schutz wird auch an Hamburger Schulen Pflicht

Einen Tag vor den Ländern MV, Berlin und Brandenburg (03. August) hatte Hamburg, das schon am 06. August den Schulbetrieb nach den Sommerferien wieder aufnehmen wird, verlauten lassen, auf der Grundlage medizinischer Empfehlungen anders als bislang geplant Schüler*innen ab der 5. Klassenstufe und Lehrkräften ein Tragen des Mund-Nasen-Schutzes auf dem Schulgelände vorzuschreiben. Im Unterricht sowie in Büros dürften sie hingegen die Gesichtsmasken ablegen.

Die Hamburger Schulbehörde habe sich dazu „mit vielen Fachleuten abgestimmt und sorgfältig das Recht auf einen umfassenden Gesundheitsschutz gegenüber dem Recht der Schülerinnen und Schüler auf gute Bildung und eine optimale Förderung ihrer geistigen, sozialen, psychischen Entwicklung abgewogen“, rechtfertigte der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) den Schritt hin zu mehr Gesundheitsvorsorge. Weitere Schutzmaßnahmen in der Hansestadt betreffen u.a. einen grundsätzlich einzuhaltenden Mindestabstand, der nur innerhalb der Klassenräume entfällt, und das Lernen in festen Gruppen, um die Menge der Kontakte zwischen Schüler*innen zu verringern.

Bundesregierung befürwortet Entscheidungen der Länder

Unterdessen signalisierte die Bundesregierung am Montag, dass sie die Pläne einiger Länder befürworte, das Tragen von Gesichtsmasken an Schulen zur Pflicht zu machen. Die stellvertretende Sprecherin der Regierung Ulrike Demmer wertete das Einführen einer solchen Schutzmaßnahme im Sinne einer „vernünftigen Überlegung“.. Eine entsprechende Vorschrift müsse aber Teil eines Gesamtkonzeptes sein, was allerdings unter die Zuständigkeit der Länder falle. Dass die Schulen trotz ansteigender Erkrankungszahlen wieder den Regelunterricht wagen wollen, nannte Demmer „eine anspruchsvolle Aufgabe“. Länder und Gemeinden hätten dabei „das Recht auf Bildung für alle Schülerinnen und Schüler zu verwirklichen und gleichzeitig natürlich dem Gesundheitsschutz weiterhin hohe Bedeutung beizumessen“.

Strengste Maskenregeln in Nordrhein-Westfalen

Am selben Tag wie der Hamburger Stadtstaat hatte das Bildungsministerium von Nordrhein-Westfalen (NRW) das Schutzkonzept für den Schulunterricht in den nächsten Wochen bekanntgeben. Demnach hat das bevölkerungsreichste Bundesland seine Hygienevorgaben noch einmal verschärft und wird mit dem Schulanfang am 12. August an seinen 5.500 Schulen eine Maskenpflicht mit den bundesweit strengsten Auflagen einführen. Die Regelung soll vorerst bis zum 31. August gelten. Grundsätzlich ist die Gesichtsbedeckung auf dem Gelände der Schule aufzusetzen, Kinder und Jugendliche ab dem 5. Schuljahrgang müssen den Mund- Nasen-Schutz auch während des Unterrichtes anlegen.

Voraussetzung dafür, den angestrebten, möglichst lückenlosen Präsenzunterricht mit üblichem Stundenplan durchführen zu können, sei das Einhalten der erforderlichen Regeln zur Hygiene und zum Infektionsschutz, hob die Bildungsministerin von NRW Yvonne Gebauer (FDP) hervor. Man müsse „weiterhin achtsam sein in Bezug auf das regionale Infektionsgeschehen und (…) sorgsam sein in Bezug auf die Gesundheit aller am Schulleben Beteiligten“, unterstrich Gebauer. Wenn sich aufgrund der Entwicklung der Fallzahlen der Unterricht in Präsenzform nicht weiter als machbar erweisen sollte, würden die Schulstunden stattdessen pflichtgemäß auf Distanz stattfinden. Dazu werde das Land die Digitalausstattung verbessern und über ein Investitionspaket in Höhe von 350 Millionen Euro sowohl alle 200.000 Lehrkräfte mit digitalen Geräten ausrüsten als auch alle Schüler*innen, die bis dahin keinen Zugang zu Computern oder Tablets hatten.

Karliczek: Präsenzunterricht nur mit zusätzlichen Schutzregeln möglich

Am Tag zuvor (02. August) hatte sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für das Tragen einer Gesichtsmaske in Schulgebäuden ausgesprochen. Zwar erachte sie es als „nachvollziehbar, wenn Länder auf Abstandsregeln in den Schulen verzichten wollen, weil die räumlichen Bedingungen ansonsten nur eingeschränkt Präsenzunterricht zulassen würden“, sagte die Bildungsministerin der Welt am Sonntag. Dennoch werde der Präsenzunterricht „nur dann funktionieren können, wenn weitere Regelungen zur Hygiene, zum Tragen von Schutzmasken sowie zum Abstandhalten auf dem Schulhof und auf den Fluren strikt eingehalten werden“, unterstrich Karliczek.

Schon vor einer Woche (28. Juli) hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) weiter zunehmende Fallzahlen in der Bundesrepublik vermeldet. Der Präsident des RKI Lothar Wieler hatte angesichts dieser neueren Entwicklung seinen „großen Sorgen“ Ausdruck verliehen. Mit Blick auf die anstehenden Schulöffnungen erklärte der RKI-Präsident, dabei seien bestimmte Regeln einzuhalten. Er verlangte Konzepte, welche zur Folge hätten, dass die Schüler*innen sich während der Pausen untereinander nicht zu sehr vermischten und Gruppen gebildet würden, die im Wesentlichen unter sich blieben. Obwohl die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen gesunken sei, rief Wieler dazu auf, die gängigen Regeln, wie Hygiene, Abstandsgebot und Mundschutz, weiterhin zu berücksichtigen.

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