ANTRÄGE LINKE UND FDP : Soziale Spaltung überwinden: Linke fordern BAföG-Reform

6. November 2020 // Ulrike Günther

Mit der zweiten Pandemie-Welle und den Schließungen in Gastronomie und Kulturbereich geraten viele Studierende erneut in finanzielle Zwangslagen. Die Überbrückungshilfen hat das Bundesbildungs-ministerium jedoch zum Beginn des Semesters eingestellt. Die Linken fordern krisensichere Unterstützung für Studierende und eine BAföG-Reform, die FDP setzt sich für bildungsbezogenen Wohnungsbau ein.

Viele Studierende sind durch fehlende Nebenjobs existenziell bedroht. - Bild:  flickr / Universität Salzburg
Viele Studierende sind durch fehlende Nebenjobs existenziell bedroht. - Bild: flickr / Universität Salzburg

zwd Berlin. Auf der Grundlage der aktuellen Daten, wonach bundesweit rund 3 Millionen Menschen studieren, doch nur 11 Prozent Anspruch auf BAföG haben, 7 Prozent auf den Höchstsatz und über ein Drittel (37 Prozent) auf Nebenjobs angewiesen sind, hat die Linksfraktion in einem am Donnerstag (05. November) debattierten Antrag (Drs .19/23931) die prekäre Situation vieler Student*innen aufgezeigt: Diese habe sich während der Corona-Krise verschärft und sei durch die Hilfen der Koalitionsregierung nicht hinreichend gemildert worden.

Aufgrund der offenbar gewordenen finanziellen Engpässe von Studierenden, die gerade junge Menschen aus Nicht-Akademiker*innen-Familien besonders zu schaffen machten und in Studienabbrüche oder Schulden hineintrieben, fordern die Linken die Bundesregierung auf, das BAföG umfassend zu reformieren. Die hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke prangerte die Politik der Regierung an, welche die Studierenden in der Krise mit Rückzahl-Krediten faktisch in die Verschuldung gezwungen und Anträge auf Überbrückungshilfen bei nicht-pandemiebedingten Notlagen abgelehnt habe, als „unterlassene Hilfeleistung“ an.

Linke möchten mit höheren BAföG-Sätzen soziale Spaltung bekämpfen

Gohlke wies auf die „massive soziale Spaltung“ an Hochschulen hin, die sie auf eine verfehlte Politik der Regierung zurückführt. Laut der Linken-Sprecherin leben 28 Prozent der Student*innen von weniger als 700 Euro im Monat. „Eine anständige Bildungspolitik wäre, dafür zu sorgen, dass die soziale Herkunft nicht immer weiter vererbt wird“, so Gohlke. Wesentliche Punkte in dem Vorschlag der Linken betreffen ein geändertes Konzept der staatlichen Studienförderung als „rückzahlungsfreier Vollzuschuss“, auf 560 Euro bzw. 370 Euro erhöhte Beitragssätze für den Grundbedarf und die Pauschale für Wohnkosten, die Anpassung der Zuschüsse an die tatsächlichen Mietpreise sowie um 10 Prozent angehobene Freibeträge bei den Einkünften von Eltern bzw. Partner*innen.

Darüber hinaus solle die Regierung das BAföG während krisenbedingter Einschränkungen für die betroffenen Studierenden öffnen. Weiterhin sieht der Linken-Antrag das Schaffen von 50.000 neuen, bezahlbaren Plätzen in Studentenwohnheimen vor, da die verfügbaren, öffentlich geförderten Unterkünfte nach Angaben des Deutschen Studentenwerkes (DSW) für lediglich 8 Prozent aller Studierenden Wohnraum bereitstellen.

SPD fordert unbürokratische Hilfen und ein BAföG für Zwangslagen

Unterstützung für die Forderungen der Linken kam vonseiten der Grünen-Fraktion, der SPD und FDP. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Oliver Kaczmarek erkannte die neuerliche Zwangslage der Studierenden angesichts des seit dem 03. November geltenden Lockdowns und der damit für viele wieder wegbrechenden Einkünften aus Nebenjobs an. „Was es jetzt braucht, sind Hilfen für Notlagen, um das Studium beenden zu können“, erklärte Kaczmarek. Hilfen allein in Form von „individueller Verschuldung“ sieht der SPD-Sprecher nicht als vernünftige Lösung an. Stattdessen forderte er bürokratieärmere Überbrückungshilfen und einen „Notfallmechanismus im BAföG“, d.h. Hilfen für alle diejenigen, die sich in finanziellen Engpässen befinden.

Grüne plädieren für Grundsicherung für Studierende und Azubis

Wie die Linken kritisierte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Kai Gehring die ignorante Haltung der Regierung gegenüber den Studierenden, die von den neuen Entscheidungen zu einem Krisen-Lockdown betroffen sind. Die provisorische Überbrückungshilfe müsse „durch eine wirksame Unterstützung für alle Studierenden in finanzieller Not“ ersetzt werden, betonte Gehring. Um die während der Krise sichtbar gewordenen Defizite bei der Finanzierung des Studiums zu beseitigen, schlagen die Grünen eine Grundsicherung sowohl für Student*innen als auch Azubis vor, die einen elternunabhängigen Garantiebetrag und einen Bedarfszuschuss enthalten soll.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rief anlässlich der Parlamentsdebatte die Bundesregierung dazu auf, die Überbrückungshilfen für Studierende umgehend in erweiterter und unbürokratischer Form neu aufzulegen und bis mindestens einschließlich März 2021 zu verlängern. Außerdem mahnte auch der stellvertretende GEW-Vorsitzende Dr. Andreas Keller, das BAföG krisenfest zu gestalten. Die Große Koalition solle noch in der laufenden Legislatur „eine BAföG-Reform auf den Weg bringen, die durch höhere Bedarfssätze und Freibeträge deutlich mehr Studierende in die Förderung holt“, verlangte Keller. Die Zahlungen seien zu erhöhen und die staatliche Unterstützungsleistung als Vollzuschuss zu zahlen.

FDP schlägt Baukasten-BAföG und mehr bildungsbezogenes Wohnen vor

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jens Brandenburg nahm ebenfalls auf die schwierige Lage von Studierenden während der erneuten Schließungen Bezug und beanstandete das Fehlen einer „krisenfesten Studienfinanzierung“. Den Koalitionsfraktionen machte er den Vorschlag, das BAföG-Volldarlehen sogleich für alle Student*innen zu öffnen, denen krisenbedingt die Einkünfte aus Nebenjobs verlorengehen, und forderte allgemein eine „elternunabhängige, faire Unterstützung (…) für alle“. Die FDP-Fraktion legt in ihrem ebenfalls im Parlament verhandelten Antrag (Drs. 19/23927) einen Fokus auf die Wohnsituation von Student*innen und Auszubildenden.

Die Liberalen monieren, dass die Wohnzuschüsse über das BAföG nur in 10 Prozent der Hochschulstädte die Mietkosten decken und dass es für Azubis meist gar keine gezielten Wohnungsangebote gebe. Sie schlagen daher vor, Bund und Länder sollten öffentlich-private Partnerschaften für das bildungsbezogene Wohnen nutzen, Studentenwohnheime und aus Bundesmitteln geförderten studentischen Wohnungsbau auch für Azubis öffnen und der Verwendung von gewerblichem Leerstand als Wohnräume für Studierende und Azubis entgegenstehende Umstände reduzieren.

Zudem setzen sich die Liberalen in ihrem Antrag für die Erweiterung der digitalen Infrastruktur vor allem an ländlichen Hochschulstandorten und für digitale Hochschullehre ein, die nicht an Ort oder Zeit gebundenes Studieren ermöglicht. Zusätzlich verlangen die Liberalen von der Regierung, einen Gesetzentwurf für ein „elternunabhängiges Baukasten-BAföG“ vorzulegen. Die Anträge der Linken und der FDP wurden zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss bzw. den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen überwiesen.

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