INTERNATIONALER TAG GEGEN GEWALT AN FRAUEN : SPD-Spitze setzt ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen

25. November 2020 // Ulrike Günther

Frauen werden bedroht, belästigt, angegriffen. Häufig lauern die Gefahren gerade zu Hause, im Privatbereich. Viele Frauen erfahren Gewalt durch Lebens- oder Ehepartner, werden missbraucht oder gar umgebracht. Zum Tag gegen Gewalt an Frauen haben SPD, Grüne, Linke, Gewerkschaften und Frauenverbände zum Kampf gegen Femizide und Partnergewalt aufgerufen. Sie fordern mehr Gewaltschutz, Hilfsangebote und die Umsetzung des Istanbul-Abkommens.

Die Fahne mit dem Frauensymbol ist ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen.  - Bild: Pixabay
Die Fahne mit dem Frauensymbol ist ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen. - Bild: Pixabay

zwd Berlin. Jeden dritten Tag wird in der Bundesrepublik Deutschland eine Frau von ihrem Partner umgebracht, alle 45 Minuten erleidet eine Frau durch ihren Partner körperliche Gewalt. Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November zeichnete die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken mit den Zahlen der Kriminalstatistik ein erschütterndes Bild vom Ausmaß der an Frauen verübten Gewalttaten. Vor dem Willi-Brandt-Haus in Berlin hissten die Sozialdemokrat*innen im Beisein von Partei-Chefin Esken, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und der stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) Ulrike Häfner am Mittwochvormittag symbolisch die violette Fahne zum Kampf gegen Gewalt an Frauen. Mit der Aktion will die SPD auf die Lage weiblicher Gewaltopfer aufmerksam machen.

„Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen, um Gewalt gegen Frauen zurückzudrängen“, hob Esken in einer kurzen Ansprache vor anwesenden Medienvertreter*innen hervor. Auch Generalsekretär Klingbeil und die Vize-Vorsitzende der ASF Häfner stellten die erschreckende Reichweite des Problems dar und unterstrichen ihr entschiedenes Engagement gegen jede Form von Partnerschaftsgewalt, häuslicher und sexualisierter Gewalt. Klingbeil wies auf die Zunahme der digitalen Gewalt hin, die es einzudämmen gelte. Insgesamt machte er deutlich, dass Gewalt gegen Frauen alle angehe. Alle seien "aufgefordert einzugreifen", wenn sie Zeug*innen von Gewalttaten werden.

Linke und Grüne setzen sich für Statistiken zu Femiziden ein

Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Cornelia Möhring rief die Bundesregierung auf, das „Tempo für einen umfassenden Gewaltschutz“ zu beschleunigen. Aus Sicht der Linken sind jährliche Berichte zu Frauengewalt und statistische Daten zu Femiziden erforderlich, die bisher in der Bundesrepublik nicht systematisch erfasst werden. Allgemein sei das Hilfesystem zum Schutz vor Gewalt „völlig überlastet und unterfinanziert“, kritisierte Möhring. Wie die Linken weisen die Grünen darauf hin, dass Tötungen von Frauen häufig eine „lange Gewaltgeschichte“ vorausgehe

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Ulle Schauws hält daher neben einer noch genaueren Dokumentation von Partnerschaftsgewalt vor allem den umfassenden, besser finanzierten Ausbau von Frauenhäusern und -beratungsstellen für wichtig. „Wir wollen, dass jede (von Gewalt betroffene) Frau überall in Deutschland und unabhängig von sozialem Status oder Aufenthaltstitel Schutz und Hilfe bekommt“, erklärte Schauws. Das Präsidiumsmitglied des Deutschen Frauenrings Georgia Langhans nannte Gewalt an Frauen ein Verbrechen, das „vorbehaltlos und ausnahmslos geahndet und gestoppt“ werden müsse. Langhans monierte, dass die Bundesrepublik den Gebrauch des Begriffs Femizid nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Tötung und Ermordung einer Frau auf Grund ihres Geschlechts“ in Gesellschaft, Politik und Rechtsprechung noch nicht übernommen habe. Weder gebe es entsprechende Statistiken noch konsequente Strafverfolgung.

DF: Gewaltschutz muss oberste politische Priorität haben

Auch der Deutsche Frauenrat (DF) und weitere Mitglieder des Bündnisses Istanbul-Konvention (BIK) machten sich zum internationalen Anti-Frauengewalt-Tag für effektiven Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt stark. Die Regierung müsse „Gewaltschutz über die Ressorts hinweg zur politischen Priorität“ machen, so der DF. Zur konsequenten Umsetzung des Istanbul-Abkommens gehörten eine mit politischen Befugnissen ausgestattete Koordinierungsstelle sowie eine finanziell und personell abgesicherte Gesamtstrategie.

Das BIK bemängelte, dass die Rechte marginalisierter Mädchen und Frauen auf Schutz und Hilfe nicht hinreichend umgesetzt würden. Die Projektleiterin des ebenfalls zum BIK zählenden Frauenvereins Weibernetz Martina Puschke machte besonders auf die Situation von beeinträchtigten Frauen und Mädchen aufmerksam. Sie seien in höherem Maße der häuslichen oder sexualisierten Gewalt ausgesetzt. Von sexuellen Übergriffen seien sie bis zu drei mal häufiger betroffen als andere Frauen. Man müsse für „tragfähige Präventionsangebote“ sorgen, „die sich an alle Mädchen und Frauen richten“, forderte Puschke, d.h. auch barrierefreie Zugänge gewährleisten. Weiterhin solle die Gesellschaft „jede Form von geschlechtsspezifischer Gewalt ächten und aktiv werden“, um sie zu verhindern.

SPD fordert mehr Opferschutz und angemessene Strafverfolgung

Die zuständigen BerichterstatterInnen der SPD-Bundestagsfraktion Karl-Heinz Brunner und Mechthild Rawert forderten in einer Stellungnahme anlässlich des weltweiten Gedenk- und Aktionstages eine wirksamere Umsetzung der Istanbul-Konvention bei Gewaltvorsorge, Opferschutz und strafrechtlicher Verfolgung. Insbesondere verlangten sie eine angemessene Bestrafung von Femiziden. An erster Stelle beim Bekämpfen von Partner- und Trennungsgewalt sollte die Präventionsarbeit stehen. „Gewalt ist keine Privatangelegenheit – wir brauchen mehr Unterstützung und Sicherheit für potenzielle Opfer, den Willen zum rechtzeitigen Handeln“, betonte Rawert. Insbesondere schlägt sie intensivere Forschung zu Tatursachen und weiterzuentwickelnde Risikoanalysen vor, darüber hinaus mehr Kooperation mit dem Frauen-Hilfssystem.

GEW: Regierung soll Konvention zu Gewalt am Arbeitsplatz ratifizieren

Die Erziehungsgewerkschaft GEW setzt sich vorrangig dafür ein, die Gesellschaft für das Thema der Gewalt gegen Frauen verstärkt zu sensibilisieren. Die GEW möchte „ein Klima schaffen, das Gewalttaten brandmarkt und Mädchen von klein auf lehrt, wie sie sich gegen Gewalt wehren können“, stellte die Vorsitzende Marlis Tepe heraus. Tepe warnte vor den Folgen der gegenwärtigen Krise, in der viele Menschen durch Home-Office und Kontaktsperren in eine Form von häuslicher Isolation gerieten: „Die alltägliche Gewalt wird unsichtbarer, Frauen und Mädchen verlieren Schutzräume.“ Außerdem mahnte die GEW-Vorsitzende die Regierung, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu ratifizieren.

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