BILANZ : Starke länderabhängige Unterschiede auf dem Ausbildungsmarkt

2. November 2017 // Monika Butterweck

Während sich in Bayern etwa 80.000 Interessierte auf 100.000 Ausbildungsstellen bewerben konnten, hatten über 26.000 Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen gar keine Chance auf eine Ausbildung, weil dort Stellen fehlen.

Im vergangenen Beratungsjahr 2016/17, das vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2017 lief, haben regionale, berufliche und qualifikatorische Ungleichgewichte bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen zugenommen. Das geht aus der Ausbildungsmarktbilanz 2016/2017 hervor, die am Donnerstag von der Bundesagentur für Arbeit vorgestellt wurde. Insgesamt ist demnach sowohl die Zahl der unbesetzten Stellen, als auch die Zahl der unversorgten Bewerber*innen gestiegen. Bis zum Stichtag am 30. September sind bundesweit 480.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, bei insgesamt 547.800 Bewerber*innen und 549.800 Ausbildungsstellen.

Die Unterschiede auf den Ausbildungsmärkten der einzelnen Länder sind zum Teil gravierend: In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gibt es weit mehr unbesetzte Ausbildungsstellen, als es Bewerber*innen gibt. In Mecklenburg-Vorpommern handelte es sich um 513 Unversorgte gegenüber 1.339 offenen Stellen, in Bayern 1.339 Unversorgte auf sogar 14.361 Stellen. In Nordrhein-Westfalen war die Lage hingegen besonders angespannt. Seit Beginn des Beratungsjahres standen 136.973 Ausbildungssuchenden nur 110.891 offene Ausbildungsstellen gegenüber. Aktuell seien noch 10.364 bisher erfolglose Bewerber*innen aus Niedersachsen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, es gebe hingegen nur noch 3.068 offene Stellen, meldete der DGB-Bezirk Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt.

Bewerber*innen mit „Schlechteren Voraussetzungen“ eine Chance geben

Im Hinblick auf über 10.000 erfolglose Bewerber*innen in Niedersachsen forderte der Vorsitzende des DGB-Bezirks, Hartmut Tölle, Ausbilder dazu auf, auch Bewerber*innen, die auf den ersten Blick schlechtere Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mitbringen, eine Chance zu geben. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach sich sogar für eine bundesweite Ausbildungsgarantie aus. „Wir brauchen zudem eine Ausbildungsplatzumlage, die ausbildungswilligen Unternehmen ermöglicht, zusätzliche Ausbildungsstellen zu schaffen“, sagte Ansgar Klinger, für Berufsbildung verantwortlicher GEW-Vorstand. DGB und GEW sind sich zudem einig, dass sogenannte „Warteschleifen“, in denen Ausbildungswillige übergangsweise untergebracht werden, ohne die Möglichkeit dort einen Abschluss zu erreichen, abgeschafft werden müssten. „Eine gute Ausbildung ist zentral für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Keiner darf verloren gehen“, mahnte Tölle. Klinger betonte zudem, dass das Risiko in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung etwa fünfmal so hoch sei wie für Menschen mit einem Berufs- oder Fachschulabschluss.

Jamaika ist gefragt

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sieht die kommende Regierung in der Verantwortung: „Wer Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung bekämpfen will, muss bei der Ausbildungslosigkeit ansetzen.“ Sie kritisierte, dass dieses Thema bei den laufenden Sondierungsgesprächen zwischen CDU, FDP und Grünen bisher keine Beachtung gefunden habe. Die Assistierte Ausbildung müsse von der Bundesregierung ausgeweitet werden und auch außerbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden, sagte Hannack. „Die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft wachsen, wenn eine konstant hohe Zahl an Jugendlichen den Sprung in die Ausbildung nicht schafft und gleichzeitig eine wachsende Zahl an betrieblichen Ausbildungsplätzen offen bleibt", mahnte die DBG-Vize.

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