KURZ UND KNAPP : Statements zum Weltmädchentag

11. Oktober 2017 // Rita Schuhmacher

Auch in diesem Jahr findet am 11. Oktober der Internationale Mädchentag (auch Welt-Mädchentag) statt. Der im Dezember 2011 von den Vereinten Nationen initiierte Tag soll in jedem Jahr an diesem Tag einen Anlass geben, um auf die weltweit vorhandenen Benachteiligungen von Mädchen hinzuweisen. Der zwd hat für Sie einige Statements und frauenpolitische Forderungen zusammengestellt.

Zum Internationalen Mädchentag am 11. Oktober erinnert die Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES daran, wie sehr Mädchen weltweit Menschenrechtsverletzungen und geschlechtsspezifischen Diskriminierungen ausgesetzt sind: „Diskriminierung beginnt bereits im Mädchenalter. Weltweit werden Mädchen benachteiligt. Schätzungsweise 117 Millionen Mädchen und Frauen fehlen heute in Asien und Osteuropa, da sie auf Grund ihres Geschlechtes während der Schwangerschaft abgetrieben wurden (UNFPA: 2017). Mädchen gehen weniger lange zur Schule als ihre Brüder, arbeiten mehr im Haushalt und werden früher verheiratet. Auch in Deutschland besteht eine Ungleichheit. Viele junge Mädchen, vor allem Geflüchtete oder junge Frauen mit Migrationshintergrund, befinden sich in einem Teufelskreis: Sie müssen nach der Schule ihrer Mutter im Haushalt helfen oder auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen, während die Jungen Fußball spielen. […] Zudem werden viele Mädchen früh verheiratet: Schätzungsweise 1000 minderjährige Ehefrauen lebten im Jahr 2016 in Deutschland. […]Für die jungen Ehefrauen bedeutet dies das Ende der Schullaufbahn. Auch führen diese Ehen in der Regel zu einer (zu) frühen Schwangerschaft, was ein gesundheitliches Risiko für die jungen Mütter und ihre Kinder bedeutet. Die Müttersterblichkeit ist bei jungen Müttern signifikant höher als bei älteren. […] Die Benachteiligung von Mädchen ist ein weltweites Phänomen. Es sollte die wichtigste Aufgabe der Politik sein, strukturelle Benachteiligungen abzubauen und Mädchen zu stärken.

Gitta Trauernicht, Vizepräsidentin der SOS-Kinderdörfer International, erklärte in einem Interview anlässlich des Weltmädchentages, wieso Unterstützung von Mädchen noch immer nötig ist: „In weiten Teilen der Welt gelten Mädchen immer noch weniger als Jungen – und werden auch so behandelt. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele: Zweidrittel aller Mädchen zwischen 5 und 14 Jahren in Entwicklungsländern leisten Haus- und Betreuungsarbeit. Die Familien schicken eher Jungen als Mädchen zur Schule, was zurzeit bedeutet, dass über 60 Millionen Mädchen im Schulalter überhaupt nicht zur Schule gehen. 750 Millionen Mädchen und Frauen sind vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet worden und bekommen häufig auch vorher Kinder. […] Ich fang mal an mit dem großen Land Indien. In manchen Regionen ist die Vorstellung, dass Mädchen weniger wert sind, weit verbreitet. Das hat extreme Auswirkungen. Schon vor der Geburt werden weibliche Föten abgetrieben, nach der Geburt werden Mädchen getötet oder weggegeben. Ein anderes Beispiel: In arabischen Ländern kann die Hälfte aller Mädchen überhaupt nicht schreiben. Extrem ist auch die Genitalverstümmelung in Ländern wie Jemen, Senegal oder Sudan. Eine ganz schreckliche Maßnahme, die Folgen für das ganze Leben dieser Mädchen hat.“

Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, fordert mehr autonome Räume für Mädchen, eine abgesicherte und ausreichende Finanzierung autonomer und kultursensibler Mädchenarbeit: „Allen Anstrengungen zum Trotz werden Mädchen heute immer noch gegenüber Jungen benachteiligt. Geschlechterstereotype und damit verbundene Eigenschaften werden schon den Jüngsten über Spielzeug, in Schulbüchern, durch Kinderbuchfiguren und Darstellungen in Film und Fernsehen immer wieder eingetrichtert. Die rollenspezifischen Erwartungen an Mädchen begrenzen sie in ihren Entscheidungsmöglichkeiten und wirken sich auf ihre berufliche Entwicklung aus. Und das selten zu ihrem Vorteil, weil sich die Benachteiligung von Mädchen in späteren Jahren in der Benachteiligung von angeblich typischen Frauenberufen und in Ungleichbezahlung fortsetzt. Es kommt deshalb nicht allein darauf an, dass Mädchen in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen gefördert werden, sondern dass sie in allen Bereichen, in denen sie später ausgebildet werden und arbeiten, vernünftig bezahlt werden. Daher ist die Forderung nach einer Aufwertung von sozialen und pflegerischen Berufen mindestens genauso wichtig wie die gezielte Förderung von Mädchen in Naturwissenschaften und Technik. Darüber hinaus braucht es mehr autonome Räume für Mädchen, eine abgesicherte und ausreichende Finanzierung autonomer und kultursensibler Mädchenarbeit. Die Lebenswelten von Mädchen benötigen einen eigenständigen Platz. Mädchen haben das Recht, ihre eigenen Forderungen zu entwickeln und sich zu ermächtigen.“

Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Frauenministerium Rheinland-Pfalz, verweist auf die Wirkungsreichweite des Engagements von Ehrenamtlichen: „Der Weltmädchentag ist ein Paradebeispiel dafür, was das Engagement von Ehrenamtlichen bewirken kann. Denn inoffiziell wurde dieser Tag schon seit 2008 von der Kinderhilfsorganisation Plan International begangen, bis ihn dann drei Jahre später die UNO offiziell weltweit ausgerufen hat. Nach wie vor brauchen Mädchen weltweit Unterstützung, um chancengleich, gewaltfrei und selbstbestimmt leben zu können. Deshalb kämpfen wir mit und für Mädchen und fördern unter anderem ein Mädchenhaus sowie die Beratung für Mädchen in Notsituationen, wie zum Beispiel eine drohende Zwangsverheiratung. Auch in Rheinland-Pfalz brauchen Mädchen trotz formaler Gleichberechtigung noch besondere Unterstützung.“

Die Landesgleichstellungsbeauftragte Brandenburgs, Monika von der Lippe, mahnt die Hinterfragung überholte Rollenbilder an: „Die Beschränkung von Mädchen auf ein überholtes Rollenbild hat auch bei uns Auswirkungen auf ihr ganzes Leben: Sie müssen mehr im Haushalt helfen und erhalten weniger Taschengeld. Ihre Berufswahl fokussiert sich oft auf Branchen, die schlechter bezahlt sind und Abhängigkeiten provozieren. Es geht um die Darstellung und die Wahrnehmung weiblicher Potenziale. Nur eine von vier Kinderfiguren im Fernsehen ist weiblich, an der politischen und wirtschaftlichen Spitze sitzen eher Männer und die vermeintlich ideale Frau wird mit einem Körperbild kommuniziert, das Mädchen krank macht. Das alles dürfen wir nicht hinnehmen. Junge Menschen sind gleich viel wert - egal ob Junge oder Mädchen. Wir müssen Mädchen ihre Rechte klar machen, sie darin unterstützen, sich stark zu machen und ihnen die nötige Hilfe bieten. Dazu brauchen wir starke Frauen, die in den Medien, der Öffentlichkeit und der Politik als Vorbilder auftreten. Wir müssen traditionelle Rollenbilder hinterfragen und mehr Vielfalt zulassen. Dabei ist Aufklärungsarbeit ebenso wichtig, wie das Starkmachen für ein selbstbestimmtes Leben. Eine große Bedeutung kommt dabei der außerschulischen Jugendarbeit zu.“

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