KURZ UND KNAPP : Statements zur Einführung eines dritten Geschlechts

8. November 2017 // Rita Schuhmacher

Intersexuellen Menschen soll ermöglicht werden, ihre geschlechtliche Identität im Geburtenregister "positiv" eintragen zu lassen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Der zwd hat einige Statements von Politiker*innen und Verbänden gesammelt.

zwd Karsruhe. Damit gaben die Karlsruher Richter*innen einer beschwerdeführenden Person recht, die beim zuständigen Standesamt die Berichtigung ihres Geburtseintrags von „weiblich“ in „inter/divers“, hilfsweise nur „divers“ gefordert hatte. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die beschwerdeführende Person insbesondere eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Das Persönlichkeitsrecht schütze auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, gab das Verfassungsgericht zur Begründung ihrer Entscheidung an. Außerdem verstoße das geltende Personenstandsrecht gegen das Diskriminierungsverbot. Der Gesetzgeber muss nun laut Karlsruhe bis Ende 2018 eine Neuregelung schaffen, in die als drittes Geschlecht neben "männlich" und "weiblich" noch etwa "inter", "divers" oder eine andere "positive Bezeichnung des Geschlechts" aufgenommen wird.

Das sagen Politiker*innen und Verbände:

Deutscher Lesben- und Schwulenverband (LSVD): „Der LSVD fordert den Gesetzgeber auf, einen umfassenden rechtlichen Rahmen für Personen zu schaffen, die sich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlen. Dabei darf er nicht bei der Mindestvorgabe des Bundesverfassungsgerichts haltmachen, den dritten Geschlechtseintrag nur Personen mit biologischen Varianten der Geschlechtsentwicklung zu eröffnen. Maßgeblich ist das empfundene Geschlecht. Die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität, die dem Deutschen Bundestag bereits 2012 vorlagen, müssen vollständig umgesetzt werden.“

Monika Lazar, Mitglied der Grünen-Bundestagsfraktion: „Das Urteil ist ein Meilenstein für das Selbstbestimmungsrecht von intersexuellen Menschen. Nun ist es amtlich: Die Welt ist nicht ausschließlich zweigeschlechtlich. Dafür streiten wir Grüne seit Langem. Die persönliche Freiheit und nicht Ordnungsvorstellungen über die Geschlechter müssen Leitbild eines menschenrechtsorientierten Personenstandsrechts sein. Nach jahrelangem Kampf um die Anerkennung und gegen menschenrechtswidrige Praktiken, wie die geschlechtsangleichenden Operationen, ist das der erste große Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung und Akzeptanz. Nun muss der Gesetzgeber der tatsächlichen Vielfalt der Geschlechter Rechnung tragen und eine dritte Geschlechtskategorie ermöglichen. Menschen in vorgegebene Raster zu pressen und ihnen das Leben schwerzumachen, muss ein Ende haben.“

Kai Klose, Landesvorsitzender der hessischen Grünen sowie Staatssekretär und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung der hessischen Landesregierung: „Der Bevollmächtigte für Integration und Antidiskriminierung, Staatssekretär Kai Klose, nannte die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, dass neben männlich und weiblich auch ein drittes Geschlecht im Geburtenregister eingetragen können werden soll „wegweisend“ und „eine große Hilfe und Erleichterung für alle Menschen, die weder männlich noch weiblich“ seien. „Intersexuelle haben mit vielen Herausforderungen und Diskriminierungen zu kämpfen. Es ist deshalb ein wichtiger Schritt und ein starkes Signal, dass ihr Geschlecht nun auch vermerkt werden kann. Ich bin sicher, das wird Intersexuellen auf diese Weise helfen und dazu beitragen, dass ein anderes Selbstverständnis in der Gesellschaft Einzug hält“, so Klose am Mittwoch in Hessen. Der Staatssekretär betonte, dass kein Eintrag keine Lösung war.“

Anne Spiegel (Grüne), Familienministerin von Rheinland-Pfalz: „Das BVerfG hat heute ein bahnbrechendes Urteil zur geschlechtlichen Identität gesprochen. Die gute Botschaft: Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, dürfen nun nicht länger gegen ihren Willen dazu gezwungen werden. (…) Das ist ein wichtiger Schritt, sexuelle Identitäten in ihrer Vielfalt anzuerkennen. (…) Ich sehe mich durch das heutige Urteil auch in meiner Forderung bestätigt, das diskriminierende Transsexuellengesetz aufzuheben und durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung zu ersetzen.“

Daniel Born, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg für LSBTTIQ-Menschen: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist Bestätigung unserer politischen Linie für mehr Akzeptanz und gleiche Rechte (…) Das Leben soll positiv beginnen, auch mit dem Eintrag in das Geburtsregister. Deshalb ist es wichtig, dass sich hier alle Menschen mit ihrer geschlechtlichen Identität wiederfinden. (…) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zudem auch eine Bestätigung unserer politischen Linie für mehr Akzeptanz und gleiche Rechte in Baden-Württemberg gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, queeren und in diesem Fall speziell intersexuellen Menschen.“

Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) via Twitter: "Es verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, wenn ihr Geschlechtseintrag offen bleibt."

Hintergrund:
In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Intersexuelle, die mit unterschiedlichen Geschlechtermerkmalen ausgestattet sind und sich einer traditionellen Geschlechtszuordnung entziehen.

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