Mehr als 10.000, wenn nicht 15.000 Frauen jährlich kann eine Chemotherapie erspart werden, so lautet am 28. Oktober die Botschaft an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-Ba) in der Pressekonferenz der Genomic Health, einem kalifornischen Anbieter genomischer Diagnosetests. Der G-Ba ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Mit dem Thema war kurz vor Ende der Legislaturperiode auch der Petitionsausschuss des Bundestags befasst.
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. An ihn richtet sich die Initiative, den Genexpressionstest Oncotype DX® in den Katalog der zugelassenen medizinischen Maßnahmen der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufzunehmen, weil er nach Einschätzung des Anbieters Genomic Health, aber auch nach Auffassung von Brustkrebs-ExpertInnen die Notwendigkeit einer unterstützenden Chemotherapie bei Brustkrebspatientinnen festzustellen vermag.
Dennoch würde dieser Test in Deutschland routinemäßig lediglich von den privaten Krankenkassen bezahlt. Viele Anträge auf Kostenerstattung gesetzlich Versicherter würden zurückgewiesen, kritisierte der Geschäftsführer der Genomic Health GmbH Deutschland, Gerald Wiegand. Weitestgehend offen ließen die Redner, welche Vorteile der Oncotype DX® gegenüber anderen modernen Testverfahren zur Bestimmung der Notwendigkeit einer ‚adjuvanten’ Chemotherapie hat.
Brustkrebspatientinnen forderten die Erstattung von Genexpressionstests
Brustkrebs bei Frauen habe ein fast endemisches Ausmaß. Nach der Operation stellt sich bei vielen Patientinnen die Frage, ob eine nachfolgende Chemotherapie angezeigt ist. In Deutschland würden dabei, sagte die Leiterin der Oncotype DX®-Teststudie PlanB, Ulrike Nitz, vierundsechzig von hundert von Brustkrebs betroffenen Frauen eine Chemotherapie erhalten, wenngleich diese nicht erforderlich gewesen wäre. Diese medikamentöse Behandlung mit Zellgiften ist der gängigen Ansicht von Medizinern zufolge mit erheblichen Nebenwirkungen und Risiken für die Patienten sowie mit hohen Kosten für die Krankenkassen verbunden. Wurde ein hormonsensitiver Tumor in der Brust ohne Lymphknotenbefall festgestellt, könnte nach den bisherigen Ergebnissen ihrere Studie jedoch der Oncotype DX®-Test unnötige Chemotherapien vermeiden helfen, berichtete Nitz. Deshalb würden Brustkrebspatientinnen die routinemäßige Erstattung solcher Genexpressionstests wie den Oncotype DX® fordern.
Unnötige Chemotherapien könnten jedoch, so schreibt die AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V.), mittels anderer Testverfahren als den Genexpressionstests verhindert werden. Die AGO empfiehlt lediglich den uPA/PAI-1-Test (Femtelle®) zur Ergänzung der Bestimmung mittels der klassischen klinisch-pathologischen Faktoren. Dieser habe nämlich im Gegensatz zu den Genexpressionstests wie dem Oncotype DX®, Mammaprint® und Endopredict® einen hohen Evidenzgrad.
Der Evidenzgrad des Oncotype DX® sei jedoch, so gibt Nitz zu bedenken, mit der Stufe 2b durchaus als hoch einzustufen, üblicherweise arbeiteteten Ärzte auf einem Evidenzlevel zwischen 4 und 5. Zudem sei der Vorteil von Oncotype DX® gegenüber anderen Testverfahren darin zu sehen, als einziger sowohl prognostisch als auch prädiktiv zu sein.
Alle Patientinnen würden von dem Test profitieren
Obgleich der Oncotype DX® in anderen Ländern, wie beispielsweise den USA und Großbritannien bereits standardmäßig bezahlt würde, sei dies in Deutschland bisher nicht der Fall. Gesetzlich Versicherte müssen einen individuellen Antrag auf Erstattung stellen. Die Genehmigung hänge dabei vom „Gutwillen des Bearbeiters“ ab, sagte der Geschäftsführer der Genomic Health, Wiegand. Es würden jedoch alle Brustkrebspatientinnen, bei denen ein entsprechender Tumorbefall diagnostiziert wurde, von diesem Test profitieren. Selbst wenn im schlechtesten Fall die Chemotherapie angezeigt ist, könnten die Patientinnen dadurch eine autonome Entscheidung über die unterstützende Behandlung fällen, machte die Chefredakteurin des Brustkrebsmagazins „Mamma Mia“, Eva Schumacher Wulf, geltend. Die „Zweiklassenmedizin“ in der Brustkrebsmedizin, so deutete Wiegand die momentane Versorgungssituation, sei untragbar.
Dabei könnten die gesetzlichen Kostenträger nach Einschätzung von Wiegand durchaus von diesen Tests profitieren: 500 Euro pro Brustkrebspatientin ließen sich einsparen, würde der Test in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen aufgenommen. Das Fehlen solcher Tests im Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen begründet der DKV-Spitzenverband allerdings mit einem Mangel an prospektiven Studien. Der Nutzen solcher Tests sei bisher nicht überzeugend nachgewiesen, erklärte der Pressesprecher des Verbandes, Florian Lanz, am 4. September. Dagegen argumentierte Wiegand auf dem Pressegespräch, der Nachweis der Prospektivität dieses Tests sei sehr wohl gegeben, er entspreche lediglich nicht den hierzulande geforderten formellen Kriterien. Um die geforderten Nachweise zu erhalten, bedürfe es weiterer zehn bis fünfzehn Jahre; bis dahin sei der Test veraltet. Die routinemäßige Erstattung dieses Tests könne entsprechend als Prüfstein der Innovationsfähigkeit des deutschen Systems gelten.
Thema auch im Petitionsausschuss des Bundestages
Mitte September wurde speziell zu diesem Thema dem Bundestag eine Petition zugeleitet, deren Urheberschaft jedoch anonym geblieben ist. Ob diese Petition tatsächlich von besorgten Patienten oder vielmehr von interessengeleiteten Unternehmen verfasst wurde, war beim Bundestag nicht zu erfahren. Das Sekretariat des Petitionsausschusses erklärte auf zwd-Nachfrage, keine Befugnis zu besitzen, die Identität der Petentin bzw. der PetentInnen bekannt zu geben.
Anmerkung der Redaktion: Auch nach der Petition bleibt die Frage offen, welcher Genexpressionstest gegebenenfalls bezahlt werden sollte: Oncotype DX® oder die Konkurrenzprodukte Mammaprint® oder Endopredict®.
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. An ihn richtet sich die Initiative, den Genexpressionstest Oncotype DX® in den Katalog der zugelassenen medizinischen Maßnahmen der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufzunehmen, weil er nach Einschätzung des Anbieters Genomic Health, aber auch nach Auffassung von Brustkrebs-ExpertInnen die Notwendigkeit einer unterstützenden Chemotherapie bei Brustkrebspatientinnen festzustellen vermag.
Dennoch würde dieser Test in Deutschland routinemäßig lediglich von den privaten Krankenkassen bezahlt. Viele Anträge auf Kostenerstattung gesetzlich Versicherter würden zurückgewiesen, kritisierte der Geschäftsführer der Genomic Health GmbH Deutschland, Gerald Wiegand. Weitestgehend offen ließen die Redner, welche Vorteile der Oncotype DX® gegenüber anderen modernen Testverfahren zur Bestimmung der Notwendigkeit einer ‚adjuvanten’ Chemotherapie hat.
Brustkrebspatientinnen forderten die Erstattung von Genexpressionstests
Brustkrebs bei Frauen habe ein fast endemisches Ausmaß. Nach der Operation stellt sich bei vielen Patientinnen die Frage, ob eine nachfolgende Chemotherapie angezeigt ist. In Deutschland würden dabei, sagte die Leiterin der Oncotype DX®-Teststudie PlanB, Ulrike Nitz, vierundsechzig von hundert von Brustkrebs betroffenen Frauen eine Chemotherapie erhalten, wenngleich diese nicht erforderlich gewesen wäre. Diese medikamentöse Behandlung mit Zellgiften ist der gängigen Ansicht von Medizinern zufolge mit erheblichen Nebenwirkungen und Risiken für die Patienten sowie mit hohen Kosten für die Krankenkassen verbunden. Wurde ein hormonsensitiver Tumor in der Brust ohne Lymphknotenbefall festgestellt, könnte nach den bisherigen Ergebnissen ihrere Studie jedoch der Oncotype DX®-Test unnötige Chemotherapien vermeiden helfen, berichtete Nitz. Deshalb würden Brustkrebspatientinnen die routinemäßige Erstattung solcher Genexpressionstests wie den Oncotype DX® fordern.
Unnötige Chemotherapien könnten jedoch, so schreibt die AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V.), mittels anderer Testverfahren als den Genexpressionstests verhindert werden. Die AGO empfiehlt lediglich den uPA/PAI-1-Test (Femtelle®) zur Ergänzung der Bestimmung mittels der klassischen klinisch-pathologischen Faktoren. Dieser habe nämlich im Gegensatz zu den Genexpressionstests wie dem Oncotype DX®, Mammaprint® und Endopredict® einen hohen Evidenzgrad.
Der Evidenzgrad des Oncotype DX® sei jedoch, so gibt Nitz zu bedenken, mit der Stufe 2b durchaus als hoch einzustufen, üblicherweise arbeiteteten Ärzte auf einem Evidenzlevel zwischen 4 und 5. Zudem sei der Vorteil von Oncotype DX® gegenüber anderen Testverfahren darin zu sehen, als einziger sowohl prognostisch als auch prädiktiv zu sein.
Alle Patientinnen würden von dem Test profitieren
Obgleich der Oncotype DX® in anderen Ländern, wie beispielsweise den USA und Großbritannien bereits standardmäßig bezahlt würde, sei dies in Deutschland bisher nicht der Fall. Gesetzlich Versicherte müssen einen individuellen Antrag auf Erstattung stellen. Die Genehmigung hänge dabei vom „Gutwillen des Bearbeiters“ ab, sagte der Geschäftsführer der Genomic Health, Wiegand. Es würden jedoch alle Brustkrebspatientinnen, bei denen ein entsprechender Tumorbefall diagnostiziert wurde, von diesem Test profitieren. Selbst wenn im schlechtesten Fall die Chemotherapie angezeigt ist, könnten die Patientinnen dadurch eine autonome Entscheidung über die unterstützende Behandlung fällen, machte die Chefredakteurin des Brustkrebsmagazins „Mamma Mia“, Eva Schumacher Wulf, geltend. Die „Zweiklassenmedizin“ in der Brustkrebsmedizin, so deutete Wiegand die momentane Versorgungssituation, sei untragbar.
Dabei könnten die gesetzlichen Kostenträger nach Einschätzung von Wiegand durchaus von diesen Tests profitieren: 500 Euro pro Brustkrebspatientin ließen sich einsparen, würde der Test in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen aufgenommen. Das Fehlen solcher Tests im Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen begründet der DKV-Spitzenverband allerdings mit einem Mangel an prospektiven Studien. Der Nutzen solcher Tests sei bisher nicht überzeugend nachgewiesen, erklärte der Pressesprecher des Verbandes, Florian Lanz, am 4. September. Dagegen argumentierte Wiegand auf dem Pressegespräch, der Nachweis der Prospektivität dieses Tests sei sehr wohl gegeben, er entspreche lediglich nicht den hierzulande geforderten formellen Kriterien. Um die geforderten Nachweise zu erhalten, bedürfe es weiterer zehn bis fünfzehn Jahre; bis dahin sei der Test veraltet. Die routinemäßige Erstattung dieses Tests könne entsprechend als Prüfstein der Innovationsfähigkeit des deutschen Systems gelten.
Thema auch im Petitionsausschuss des Bundestages
Mitte September wurde speziell zu diesem Thema dem Bundestag eine Petition zugeleitet, deren Urheberschaft jedoch anonym geblieben ist. Ob diese Petition tatsächlich von besorgten Patienten oder vielmehr von interessengeleiteten Unternehmen verfasst wurde, war beim Bundestag nicht zu erfahren. Das Sekretariat des Petitionsausschusses erklärte auf zwd-Nachfrage, keine Befugnis zu besitzen, die Identität der Petentin bzw. der PetentInnen bekannt zu geben.
Anmerkung der Redaktion: Auch nach der Petition bleibt die Frage offen, welcher Genexpressionstest gegebenenfalls bezahlt werden sollte: Oncotype DX® oder die Konkurrenzprodukte Mammaprint® oder Endopredict®.