zwd-CHEFREDAKTEURIN DR. DAGMAR SCHLAPEIT-BECK : Twesten-Wechsel hinterlässt eine Glaubwürdigkeitslücke

8. September 2017 // Dagmar Schlapeit-Beck

​Mit ihrem Wechsel zur CDU-Fraktion unter Beibehaltung ihres ­Mandats hat die niedersächsische Landtagsabgeordnete Elke Twesten (bisher: Grüne) ein politisches Erdbeben ausgelöst. Nun kommt es zu vorgezogenen Neuwahlen am 15. Oktober.

Dr. Dagmar Schlapeit Beck ist beim zwd Chefredakteurin für den Bereich Frauen und Frauengesundheit.
Dr. Dagmar Schlapeit Beck ist beim zwd Chefredakteurin für den Bereich Frauen und Frauengesundheit.

Mit diesem Schritt hat sie jedoch nicht nur die rot-grüne Ein-Stimmen-Landtagsmehrheit gekippt, sondern auch der grünen Frauenpolitik einen Bärendienst erwiesen. Noch 2013, anlässlich der Vorlage des Gleichstellungsatlas‘, hatte Twesten als damalige frauenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion hervorgehoben: „In der Frauenpolitik haben wir noch harte Arbeit vor uns, wenn wir das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes umsetzen wollen. Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass der Anteil von Frauen in niedersächsischen Kreistagen und Stadträten nirgends auch nur annähernd die 50 Prozent erreicht – obwohl Frauen 51 Prozent der Bevölkerung stellen.“ Noch im März 2017 beklagte Twesten anlässlich der Veröffentlichung des 3. Gleichstellungsatlas‘: „Wir haben noch viel zu tun: Nur jedes vierte Mandat in den kommunalen Parlamenten ging nach der Kommunalwahl 2016 an eine Frau, nur zwei Landrätinnen sitzen in den 46 Landkreisen an der Spitze der Verwaltung.“

Und jetzt? Der Frauenanteil im gerade aufgelösten 17. Niedersächsischen Landtag betrug insgesamt 31,39 Prozent, bei den Grünen stolze 50 Prozent, während die CDU mit 24,07 Prozent am Schluss rangierte. Im neuen Landtag wird die Frauenquote in der CDU-Landtagsfraktion nach den aktuellen Aufstellungsbeschlüssen voraussichtlich noch weiter absinken. Ähnlich im 18. Deutschen Bundestag: Dort beträgt der Frauenanteil an allen Abgeordneten 36,4 Prozent (Grüne 55,6 %, SPD 42,2 %). Auch hier bildet die Unionsfraktion mit lediglich 24,8 Prozent das Schlusslicht. Und daran wird sich wohl auch nicht viel ändern.

Das gleiche Bild zeigt sich auf der kommunalen Ebene im aktuellen Genderranking deutscher Großstädte 2017, erstellt durch die Heinrich-Böll-Stiftung: die Grünen bestellen vorbildlich 50 Prozent aller Ratsstühle mit Frauen, die CDU jedoch nur 28,8 Prozent. Zu Recht einen höheren Frauenanteil in der Politik zu fordern und dann in jene Partei zu wechseln (CDU), in der Frauen noch immer deutlich benachteiligt werden, ist inhaltlich nicht nachvollziehbar. Aber dann hat Elke Twesten, wenn sie ab Oktober nicht mehr dem Landtag angehört, viel Zeit, in ihrer neuen Partei verändernd zu wirken, falls Man(n) sie lässt.

Als Motiv ihres Fraktionswechsels bleibt nur das persönliche Karrieredenken! Nicht von ungefähr wurde bekannt, dass sich Twesten vor ihrem Parteiwechsel von den Grünen zur CDU vergeblich um die Position als Landesfrauenbeauftragte in Bremen beworben hatte. „Die Aufgabe hätte sehr gut zu mir gepasst“, sagte Twesten damals. Am Ende fiel die Wahl aber auf eine andere Kandidatin. Auf die Frage, ob eine Zusage für den Job einen Wechsel zur CDU verhindert hätte, antwortete Twesten: „Das ist rein spekulativ.“ Die Bremer Findungskommission unter Leitung von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) sprach sich am Ende eines Auswahlverfahrens für die parteilose Bettina Wilhelm aus, die acht Jahre Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall war. n

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