STUDIUM UND CORONA-EPIDEMIE : Überbrückungshilfe für Studierende: 40 Prozent der Anträge abgelehnt

24. Juli 2020 // Ulrike Günther

Durch die Corona-Krise haben viele Studierende ihren Job verloren, es fehlt ihnen an den wichtigsten Mitteln für ihren Lebensunterhalt. Doch die vom Bundesbildungsministerium den Studentenwerken bereitgestellten Überbrückungshilfen erreichen bloß die Hälfte der Antragsteller*innen. Grüne, Liberale und Linke prangern die zu strengen Förderkriterien an und fordern ein Krisen-BAföG für alle existenzbedrohten Studierenden.

In der Krise haben viele Studierende finanzielle Sorgen. - Bild: Wikimedia.org / elbpresse.de
In der Krise haben viele Studierende finanzielle Sorgen. - Bild: Wikimedia.org / elbpresse.de

zwd Berlin. Wie das Deutsche Studentenwerk (DSW) heute (24. Juli) mitteilte, sind in den Monaten Juni bis Juli bundesweit bisher über 134.000 Anträge auf die Überbrückungshilfen des Bildungsministeriums (BMBF) bei den Studierendenwerken eingegangen. Davon seien rund 100.000 Anträge bearbeitet, aber ca. 40 Prozent abgelehnt worden. Nur 53 Prozent der Anträge auf die Überbrückungszuschüsse hätten die Studentenwerke bewilligt, in etwa der Hälfte der Fälle würden die Bearbeiter*innen noch einmal bei den Student*innen nachfragen, um einzelne Punkte zu ihrer Situation abzuklären. Als häufigsten Grund für die Ablehnung (ca. 50 bis 60 Prozent der Anträge) gab das DSW an, die Studierenden befänden sich nicht in einer durch die Krise – z.B. durch den Verlust des Nebenjobs oder die weggefallene Unterstützung vonseiten der Eltern - hervorgerufenen finanziellen Zwangslage.

Diese Anträge müssten die Studierendenwerke aufgrund der vom BMBF gesetzten Förderkriterien zurückweisen, auch wenn sich auf den Konten dieser Studierenden meist nur ein geringes Guthaben befände, sagte der Generalsekretär des DSW Achim Meyer auf der Heide. „Für diese Form struktureller Armut von Studierenden, die auch bereits vor der Pandemie bestand, kann die auf drei Monate angelegte Überbrückungshilfe schlicht nicht greifen“, erklärte er. Bei weiteren Anträgen seien bestimmte formale Voraussetzungen für den Erhalt der Überbrückungshilfen nicht erfüllt, da die Student*innen z.B. beurlaubt seien oder bereits eine andere Unterstützung, wie das erweiterte Kurzarbeitergeld, bezögen.

Grüne: Förderhilfen gehen an Zwangslage der Studierenden vorbei

Politiker*innen der Oppositionsfraktionen zeigten sich empört angesichts der hohen Ablehnungsquoten bei den Überbrückungsanträgen. Die Reaktion der Koalitionsregierung auf die finanziellen Sorgen der Studierenden während der Krise sei „offenkundig falsch konzipiert und geht an der akuten Notlage der Zielgruppe vorbei“, kritisierte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Kai Gehring. Während der Bund innerhalb kurzer Zeit anderen Branchen und Bereichen Zuschüsse und Kredite in Milliardenhöhe gewähre, drohe vielen Student*innen wie zuvor ein finanzielles Desaster.

Anträge von Studierenden abzulehnen, da sie bereits vor der Epidemie von Mitteln unterhalb des Mindesteinkommens gelebt haben, nannte Gehring zynisch. Die schwierige Lage solcher Student*innen zeige, wie dringend erforderlich es sei, die Studienfinanzierung zu reformieren. Der Grünen-Politiker prangerte das unzulängliche Handeln von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) an und forderte, das BAföG für die krisenbedingt Notleidenden unter den Studierenden zu öffnen, um gerechte Bildung zu gewährleisten.

FDP kritisiert undurchsichtige Förderansprüche

Ähnlich äußerte sich der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jens Brandenburg. Die hohe Ablehnungsrate mache deutlich „wie intransparent die Förderansprüche offensichtlich sind“, hob er in einer Stellungnahme hervor. Die Koalitionsregierung müsse dafür sorgen, dass alle in finanzielle Zwangslagen geratenen Student*innen auf die Hilfen zugreifen könnten. Brandenburg beklagte, dass die Bildungsministerin das BAföG nicht für alle Studierenden geöffnet habe, die durch die Epidemie ihren Job verloren haben. "Die Verfahren wären eingespielt, der Förderanspruch schnell geprüft und die Rückzahlung erst nach dem Studium fällig", unterstrich der FDP-Politiker.

Zudem bemängelte er, dass Annahme und Ablehnen von Anträgen auf die Überbrückungshilfen sich in den einzelnen Bundesländern offensichtlich nach einem sehr uneinheitlichen Muster vollziehe. Während im Saarland die Studentenwerke nach Informationen des Tagesspiegel (21. Juli) ca. 60 Prozent der Gesuche ablehnten, würden sie in Bremen dagegen über 90 Prozent der Überbrückungsanträge bewilligen. „Der Zugang zu schneller Hilfe darf keine Standortfrage sein“, verlangte Brandenburg. Viele Student*innen seien Monate nach dem Verlust ihrer Jobs an den Rand ihrer Existenz gedrängt. Der FDP-Sprecher beanstandete ebenfalls die zögerliche Herangehensweise der Ministerin Karliczek, stattdessen müsse sie für eine „pragmatische Umsetzung“ der Studierendenhilfen sorgen. Auch Brandenburg urteilte, es sei „höchste Zeit für eine krisenfeste Studienfinanzierung!"

Linke: Online-Software ist Ergebnis "krasser Fehlplanung"

Für das Bearbeiten der Anträge auf Überbrückungshilfe hatte das BMBF gemeinsam mit dem DSW für über 325.000 Euro eigens eine Online-Software entwickelt, wie aus einem Antwortschreiben des Ministeriums auf eine Anfrage der hochschulpolitischen Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke hervorgeht. Das Beantragungstool sollte schnelle Überweisungen der Förderhilfen an die Studierenden sicherstellen. Nach Angaben der Tageszeitung taz waren aber bis zum 29. Juni noch keine Gelder an die Konten der Student*innen geflossen. Darüber hinaus sei das System zeitweilig überlastet gewesen. Die Linken-Sprecherin Gohlke bewertete die eingesetzte Software als Ergebnis einer „krassen Fehlplanung und Mittelverschwendung“. Wie die Grünen und Liberalen setzt sich Gohlke dafür ein, das reguläre Studierenden-BAföG auszuweiten, Das wäre ein „deutlich billigeres und schnelleres Verfahren“, so die Linken-Politikerin.

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