ADA NOLDE : Unterstützerin ihres Mannes auf dem Weg zum angestrebten NS-Staatskünstler

24. Juli 2019 // Hilda Lührig-Nockemann

„Er: ein Genie, noch ganz unerkannt, […] aber ohne Anziehung für die Welt. […] Sie: jung, schön, anziehend, […] nicht groß, aber mit Sehnsucht nach Großem u. nur Großes liebend.“ So charakterisierte Ada Nolde in einem Tagebucheintrag von 1920 rückblickend sich und ihren späteren Ehemann Emil Hansen – erst bei der Eheschließung 1902 nahm er den Namen seines Heimatortes Nolde an – bei einem ersten Zusammentreffen.

Ada und Emil Nolde in ihrem Garten in Seebüll, 1945 - Bild: Flickr/Cea +
Ada und Emil Nolde in ihrem Garten in Seebüll, 1945 - Bild: Flickr/Cea +

zwd Berlin. Dieser Eindruck der Schauspielerin Ada Vilstrup (1879-1946) lässt schon Schlüsse auf ihre Rolle als Ehefrau zu: Mit ihrem Streben nach Großem unterstützte sie Nolde nicht nur in seiner künstlerischen Genialität, sondern auch in seinem Bemühen, in dem nationalsozialistischen System als Staatskünstler anerkannt zu werden.

Die Berliner Nolde-Ausstellung präsentiert einen Kontrast: Aquarelle und farbenprächtige Gemälde neben zahlreichen ­Dokumenten, die die Verstrickung des Malers und seiner Frau in den Antisemitismus und den Hitlerkult belegen. So wird dort Emil Nolde aus seinem 1933 geschriebenen Brief zitiert: „Der Führer ist groß und edel in seinen Bestrebungen und ein ­genialer Tatenmensch.“ ­Diesem weitverbreiteten Führerkult frönte auch Ada Nolde. Im selben Jahr schrieb sie von Hitlers beglückender Mission, „uns die Augen zu öffnen, wie vollständig wir von ­Juden beherrscht waren.“ Folglich wurde von diesem Zeitpunkt an auch die ­Hakenkreuzfahne über dem Haus in Seebüll gehisst.

Begeistert berichtete sie ihrem Mann von dem Film „Jud Süss“, durch den ihr das „ganze Tun“ der Juden als „furchtbar“ bewusst wurde. Nach der Goebbelsrede 1943, in der er die Ausschaltung aller Juden in Europa propagierte, hoffte sie, dass dadurch „einige Menschen zur Vernunft“ gebracht würden. Auf der anderen Seite äußerte sie Unbehagen, als sie von einem Besucher „furchtbare wahre Sachen“ aus Polen erfuhr. Dieses Unbehagen könnte auf positive Erinnerungen hindeuten, denn sowohl zu Emil Noldes Förderern wie auch zum gemeinsamen Freundeskreis gehörten mindestens bis 1930 jüdische Zeitgenossen. Ihr allgemeiner Freundeskreis distanzierte sich jedoch zunehmend von ihnen, und das Ehepaar Nolde sah sich in ihrer Begeisterung für das NS-Regime isoliert. In einem Brief an ihren Mann, erklärte Ada Nolde 1943, dass alle, die zu ihnen stünden, anderer politischer Meinung seien. „So stehen wir auf unserem Posten allein.“

Ada Noldes einziges Trachten war, ihr „Leben in seins“ zu geben. In frühen Jahren hatte sie das Vergolden der Rahmen von Noldes Bildern, die später durch dunkelbraune oder schwarze ersetzt wurden, übernommen. Jede Anerkennung Noldes empfand sie auch als eigene Bestätigung. Begeistert berichtete sie einem Förderer, dass junge Künstler ihren Mann „den neuen Rembrandt“ nennen würden. Sie beeinflusste schließlich durch ihr wiederholtes Vorlesen aus der Sagensammlung des isländischen Dichters, Historikers und Politikers Snorre Sturlasons Noldes Wende von religiösen Bildern – wie dem ­ChristusZyklus – zu Darstellungen von Wikingern und ­Sagengestalten als Ausdruck seiner Identifikation mit dem NS-­Regime. Aus Ada Noldes Sicht war nicht nachvollziehbar, dass der „deutscheste, germanische, treueste Künstler“ 1941 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde. Ebenso empört hatte sie 1938 reagiert, als Nolde in den Flensburger Nachrichten im Gleichklang mit jüdischen Personen aus der Berliner Kulturszene genannt wurde. In einem Beschwerdebrief an den Schriftleiter stellte sie klar, dass ihr Mann schon seit 1930 gegen die „jüdischen Machenschaften in Berlin aufgetreten“ und im Übrigen auch Parteimitglied sei.

Nach dem Untergang des Dritten Reiches zerstörte Nolde wichtige Dokumente, um den Blick auf sich ausschließlich als verfolgtem Künstler zu lenken. Dennoch finden sich im Nolde-Archiv über 25.000 Dokumente, darunter viele Briefe von Emil und Ada Nolde. So gelang dem Historiker Bernhard Fulda und der Kunsthistorikerin Aya Soika eine fast lückenlose Rekonstruktion des Antisemitismus des Ehepaares Nolde, nachdem – nach jahrzehntelangem restriktiven Zugang – der seit 2013 amtierende Direktor Dr. Christian Ring einen uneingeschränkten Zugang zum Archiv der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde gewährte. Deren Forschung – Grundlage der Ausstellung im Hamburger Bahnhof – stellt Ada Noldes Rolle in den biografischen Kontext ihres Mannes und räumt mit dem Mythos von Emil Nolde als NS-Opfer auf.

Hinweis zur Ausstellung: „Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus“. Berliner Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, 2. April bis 15. September 2019

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