Grundlage der Klemm-Studie waren die Modellrechnungen der KMK zur Entwicklung des tatsächlichen Lehrkräftebedarfs und -angebots in Deutschland bis 2030. Die KMK rechnet bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Bedarf an 14.000 Lehrkräften und unterstellt, dass jeder Lehramtsstudierende das Studium abschließen und die Schullaufbahn einschlagen würde - was jedoch nach Einschätzung von Klemm in der Praxis nicht der Fall ist. Nach seinen Berechnungen werden bei einer voraussichtlichen Steigerung der Schülerzahlen um 9,2% bis zum Schuljahr 2030/31 mindestens 81.000 Lehrer:innen-Stellen unbesetzt bleiben. Weitere Lehrkräfte würden jedoch zusätzlich beim Ganztagsausbau, der Inklusion und der Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen erforderlich. Diese Bedarfe habe die KMK in ihren Berechnungen nicht einkalkuliert. Die Personalnot wird nach Einschätzung des Bildungsforschers im MINT-Bereich noch dramatischer ausfallen: „Nur für etwa ein Drittel der bis 2030 zu besetzenden Stellen werden neu ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen.“
Klemm bescheinigt den aktuellen Prognosen der KMK "mangelnde Seriosität", weil sie nicht mit der Realität des enormen Lehrkräftemangels überein stimmen. Basierend auf den Berechnungen des Essener Bildungsforschers resümiert der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann, diese Lücke stelle eine "massive Bedrohung für Bildungsqualität, -gerechtigkeit und die Zukunft unseres Landes" dar. „Die Zahlen der KMK verschleiern den Lehrermangel. Die Situation ist viel dramatischer“, beurteilte Beckmann die Lage. Die Politik darf sich nach seinen Worten nicht mehr „aus der Verantwortung stehlen:“ Die weit auseinanderliegenden Ergebnisse der beiden Studien seien Grund genug für eine sofortige Aufstockung des Lehrkräfteangebots. Der VBE-Bundesvorsitzende spricht im Hinblick auf die KMK-Prognosen von einer riesigen "Mogelpackung".
KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU): Studienergebnisse bringen nichts neues
Die amtierende KMK-Präsidentin und Bildungsministerin Schleswig-Holsteins, Karin Prien, zeigte sich von der Personalnot an Schulen nicht überrascht. Die CDU-Politikerin betonte, dass die KMK schon 2020 verschiedene Maßnahmen zur Mangelbewältigung veröffentlicht habe. Die Pläne der Bildungspolitikerin sähen Pläne für den Ausbau von Studienplätzen sowie verbesserte Möglichkeiten für Seiteneinsteiger:innen vor. Man arbeite ergänzend "selbstverständlich kontinuierlich an der methodischen Weiterentwicklung" der Prognosen. Prien betonte: "Alle 16 Länder sind sich der Lage bewusst und ergreifen landesspezifische Maßnahmen."
VBE verlangt ein Maßnahmenbündel
Künftig sollten nach Auffassung des VBE die Arbeitsbedingungen in der Schule verbessert werden. Eine gleiche Bezahlung, unabhängig von der Schulform- und stufe, sei dabei wesentlich. Der Aufbau und die Integration von multiprofessionellen Teams, die Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben entlasten, spielten dabei auch eine Rolle. Schulsozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen, Schulgesundheits- und IT-Fachkräfte könnten das Schulwesen durch ihre Spezialisierungen ergänzen. Der Verband fordert ferner schulpolitische Maßnahmen für Ganztag, Inklusion und Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen, die bedarfsgerecht auf ein Zwei-Pädagogen-System angepasst werden müssten, um die Lehrkräftelücke zu schließen. Zudem sollten durch eine „Lehrkräftegewinnungskampagne“ Schulabsolvent:innen mit einem attraktiven Angebot gezielt angesprochen werden, um das mehr Bewerbungen für das Lehramtsstudium zu gewinnen.