GAST im zwd-POLITIKMAGAZIN : VBE-Vorsitzender Beckmann: Es mangelt an Ressourcen und Umsetzungskonzepten

24. September 2021 // Redaktion

Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann hat für das zwd-POLITIKMAGAZIN seine Erwartungen an den 20. Deutschen Bundestag und die neue Bundesregierung skizziert.

Udo Beckmann, VBE-Vorsitzender (Foto: Thomas Jauck)
Udo Beckmann, VBE-Vorsitzender (Foto: Thomas Jauck)

Udo Beckmann (69) seit 2009 Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Zuvor hatte er mehr als 20 Jahre an der Spitze des nordrhein-westfälischen VBE-Landesverbandes gestanden. Der gelernte Grund- und Hauptschullehrer hat von 1996 bis 2005 eine Hauptschule in einem sozialen Brennpunkt der Stadt Dortmund geleitet.


"Uns fehlen nicht die Aufgaben und Ideen, sondern es mangelt an Ressourcen und Umsetzungskonzepten"

Bildung ist Ländersache. Immer wieder wird der Ruf danach laut, das Bundesbildungsministerium mit weiten Kompetenzen auszustatten, so dass von Berlin aus Bildungspolitik gemacht und zum Beispiel über Schulstruktur und Lehrpläne entschieden wird. Die vielen Vorteile des föderalistischen Systems werden dabei gerne ausgeblendet, genauso wie die Erfordernisse vor Ort, die eben doch andere Maßnahmen in Schleswig-Holstein als in Thüringen bedingen.

Obwohl also die Kompetenzen klar verteilt sind, ist es verblüffend, mit welcher Vehemenz im Bundestagswahlkampf gerne über Bildungspolitik gesprochen wird. Unbenommen: Natürlich darf und soll eine Partei deutlich machen, was für ein Bildungssystem zu ihren Werten passt. Schnell wird dabei aber die Grenze überschritten, Änderungen im Bildungssystem als möglichen Bestimmungsraum nationaler Politik zu verkaufen.

Wer der Bildung in Deutschland von Bundesebene aus helfen möchte (und ich gehe davon aus, dass dies Anspruch aller demokratischen Parteien ist), sollte alle Kraft und Wahlversprechen darauf ausrichten, dass Kindergärten, Schule, Universitäten und Volkshochschulen für die Anforderungen, die an sie gestellt werden, ausfinanziert sind.

Denn das ist das eigentliche Problem von Bildung in diesem Land: Uns fehlen nicht die Aufgaben und schon gar nicht die Ideen, was geändert werden könnte oder wie. Andersherum ergibt sich das Bild: Es gibt so viele Ideen und so viele Herausforderungen, aber mangelnde Ressourcen und kaum Ansätze, wie das geändert werden könnte. Hier mal ein paar Milliarden für Digitalisierung, in letzter Minute der noch laufenden Legislaturperiode Geld für die Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung. Investitionen mit Ablaufdatum. Das reicht zum einen nicht aus und ist zum anderen wenig zielführend, da nicht nachhaltig. Wir müssen Strukturen aufbauen können, die langfristig unterstützen. Finanzierungsprojekte müssen daher viel stärker auf ihre nachhaltige Wirkung hin ausgerichtet werden und entsprechend langfristig angelegt sein. Nur eine gut regulierte, adäquat koordinierte und Innovation zulassende Förderkulisse ermöglicht es Bildungseinrichtungen, sich entsprechend der heutigen Erfordernisse aufzustellen. Dafür braucht es eine gemeinsame Investitionsübernahme von Bund, Ländern und Kommunen. Unsere Kernforderung bleibt daher, aus dem Kooperationsverbot ein Gebot zu machen.

Die angemessene Finanzierung könnte auch bei der Lösung des wohl größten Problems im Bildungssystem helfen: der Bekämpfung des Fachkräftemangels. Ob Erzieher:innen oder Lehrkräfte, Ausbildner:innen oder wissenschaftliches Personal an Hochschulen. Der Mangel ist spürbar und er ist kaum noch zu beheben. Das hängt auch maßgeblich damit zusammen, dass die Bedingungen in den Bildungseinrichtungen mangelhaft sind. Zu den fehlenden Absolvent:innen von Ausbildung und Studium kommen deshalb auch einige gestandene Persönlichkeiten, die ihren Herzensjob aufgrund der Rahmenbedingungen aufgeben.

Gleichermaßen gilt es, die Lehrkräfteausbildung voranzubringen. Und das ist tatsächlich ein Thema, das auf Bundesebene angegangen und zum Beispiel durch die Verstetigung und Ausweitung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vorangebracht werden könnte. Dazu jedoch findet man in den Wahlprogrammen reichlich wenig. Eine vertane Chance, könnte dieses Programm doch mit mehr Mitteln und vor allem dem Ansatz, aus funktionierenden Programmen einzelner Universitäten zu lernen und diese großflächig in der Lehrkräftebildung anzubieten, stark zu einer Verbesserung des Studiums beitragen.

Und auch die Ausbildung für Erzieher:innen muss in den Fokus rücken. Die größte Herausforderung: zu wenig Plätze, die dann auch noch bezahlt werden müssen. Gerade, wer Personen mit Lebenserfahrung und ggf. eigenen Kindern anwerben will, muss aber einrechnen, dass es sich viele gar nicht leisten können, die Ausbildung zu absolvieren. Es ist daher notwendig, das Schulgeld abzuschaffen und die Ausbildung zu vergüten. Daneben muss die Professionalisierung weiter vorangetrieben werden und mehr Kapazitäten im universitären Bereich geschaffen werden. Wir brauchen einen Mix verschiedener Professionen und Professionslevels in den Kindertagesstätten.

Wer auf Bundesebene für Bildungspolitik eintritt, ist daher für mich nur glaubwürdig, wenn nicht auf Länderebene zu ändernde Strukturen versprochen werden, sondern wer sich klar auf eine bessere Ausfinanzierung des Bildungssystems, die Gewinnung von Fachkräften und die Verbesserung des Lehramtstudiums fokussiert und dies zwischen Bund, Ländern und Kommunen staatsvertraglich vereinbaren will.

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