CORONA-KRISE : Verzweifelte Lage der Kultur-schaffenden: Grütters sagt verbesserte Hilfspakete zu

20. April 2020 // Ulrike Günther

Viele Künstler*innen sehen sich durch die Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. Angesichts der von Kreativen verstärkt geäußerten Kritik an den Hilfspaketen hat Kulturstaatsministerin Prof. ´in Monika Grütters (CDU) jetzt versprochen, diese nachzubessern. Tausende Kulturschaffende hatten in offenen Briefen von der Regierung Soforthilfen gefordert. Der Deutsche Kulturrat (DK) verlangt einen Kulturinfrastruktur-Förderfonds.

Soforthilfen für die Freie Kunst gefordert - Bild: Pixabay / lachrimae 73
Soforthilfen für die Freie Kunst gefordert - Bild: Pixabay / lachrimae 73

zwd Berlin. Sie werde sich weiterhin „mit aller Kraft dafür einsetzen, die einzigartige Kulturlandschaft in Deutschland in all ihrer Vielfalt zu erhalten“, sagte Grütters der Deutschen Presseagentur (dpa). Dazu gehöre es selbstverständlich auch, dass die Bundesregierung die bereits vorhandenen Hilfspakete andauernd überprüfe und gegebenenfalls nachbessere. Gleichzeitig verteidigte Grütters die von ihr aufgelegten „milliardenschweren“ Hilfsmaßnahmen, die „auch und ganz gezielt notleidenden Kreativen gelten“. Die Kulturstaatsministerin zeigte laut dpa Verständnis für die Verzweiflung von Künstler*innen in der derzeitigen Krise und ermutigte die kreativen Selbständigen, auf die „niedrigschwellige Unterstützung“ des Staates zurückzugreifen, wie z.B. die Übernahme von Heiz- und Wohnkosten.

Kulturschaffende fordern Soforthilfe für freiberufliche Künstler*innen

Bis Sonntagabend hatten über 5.000 Künstler*innen einen offenen Brief der Initiative Kulturschaffender in Deutschland unterzeichnet. Darin schildern die Verfasser*innen die „dramatische und existenzbedrohende Situation“, in welcher die freiberuflichen und selbständigen Kreativen während der Krise leben. Die Umsetzung der von Bund und Ländern eingesetzten Hilfsprogramme ginge „an der Realität der Betroffenen vorbei“, heißt es in dem Schreiben. Die Kulturschaffenden halten es daher für dringend erforderlich, die bestehenden Hilfsmaßnahmen zu verbessern. Sie fordern ein „bundeseinheitliches Soforthilfeprogramm“, welches die monatlichen Lebenshaltungskosten der Künstler*innen in Höhe von bis zu 1.180 Euro gewährleisten soll.

Prominente Musiker*innen, wie Anne-Sophie Mutter, Lisa Batiashvili oder Matthias Goerne, hatten in einem weiteren, in Auszügen in der Welt am Sonntag (19. April) veröffentlichten Brief ähnliche Soforthilfen für freiberufliche Künstler*innen aller Sparten gefordert, deren Existenz durch die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Epidemie gefährdet ist. Der ersatzlose Ausfall von Konzerten, Theateraufführungen und anderen Events bringe die Künstler*innen finanziell und wirtschaftlich in Bedrängnis.

Die weltbekannten Musikstars wenden sich an Kulturstaatsministerin Grütters und fragen, ob es „für den deutschen Staat unvorstellbar“ sei, den „freiberuflichen Kulturschaffenden ebenso schnell eine maßgeschneiderte Hilfe“ anzubieten wie dem großen Wirtschaftskonzern Adidas oder den Ergo- und Logotherapeuten, die zum Ausgleich der Verdiensteinbrüche einen Einmalzuschuss in Höhe von 40 Prozent ihrer Einkünfte aus dem vorigen Quartal bekämen. Die Künstler*innen schlagen vor, der Staat solle den Kreativen helfen, die folgenden acht bis zwölf Monate zu überbrücken.

DK hält Förderfonds für kulturelle Infrastruktur für erforderlich

Der Kulturbund kritisiert das laufende Bundesprogramm, das selbständig tätigen Kulturschaffenden wie anderen Freiberuflichen und Kleinunternehmen bei krisenbedingten finanziellen Schwierigkeiten eine Einmalzahlung von bis zu 15.000 Euro gewährt, damit sie ihre Betriebskosten decken können. DK-Geschäftsführer Olaf Zimmermann bemängelt an dieser Regelung, viele freiberufliche Künstler*innen würden davon nicht angemessen profitieren. Die Kreativen wie auch Selbständige im Allgemeinen hätten oftmals nur geringe Betriebsausgaben. Private Mietkosten oder Beiträge zur Krankenversicherung hingegen würden nicht über das Bundesprogramm übernommen.

Zimmermann lobt die Hilfspakete einiger Bundesländer, die versuchen, aus eigenen Mitteln die prekäre Lage der Kulturschaffenden in der Krise abzumildern. Es sei aber ungerecht, dass es vom Wohnsitz der Künstler*innen abhänge, ob sie in den Genuss eines tragfähigen Fördersystems kommen. „Für diesen Förderflickenteppich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund!“, monierte der DK-Geschäftsführer. Die Grundsicherung nannte Zimmermann eine Behelfslösung für akut in ihrer Lebensgrundlage bedrohte Kreative. Solche Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, um die Kulturschaffenden und kulturellen Einrichtungen in der Krise wirksam zu unterstützen.

Deshalb bekräftigte Zimmermann das seit März vom DK geforderte Einrichten eines nationalen Kulturinfrastrukturfonds. Kulturvereinen, mit öffentlichen Mitteln geförderten Kulturinstitutionen und Kulturbetrieben solle der Fonds ebenso zugute kommen wie den Künstler*innen selber. „Wir brauchen (…) eine funktionierende kulturelle Infrastruktur, damit auch in der Zukunft Aufträge an Künstler vergeben werden können und Kulturorte erhalten bleiben“, rechtfertigte Zimmermann das vom DK angedachte Hilfskonzept.

Bundesprogramm sichert individuelle Bedarfe der Selbständigen nicht ab

Einen solchen Vorschlag unterstützt auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. Wie der DK beanstandet er, dass das Bundeshilfsprogramm keine Maßnahmen für die individuellen Bedarfe der Kreativen vorsehe. Es fehle eine „nationale Kraftanstrengung“, um die Künstler*innen und Kultureinrichtungen in eine Normalität nach der Corona-Krise hinüberzuretten, schreibt Baum in einem Beitrag für den Tagesspiegel. Gefordert sei daher „ein spezieller Kulturnothilfefonds des Bundes, also ein temporärer kulturspezifischer Rettungsfonds, der die Lücken schließt“.

Vergleichbare Argumente führen verschiedene Künstlerorganisationen an, um besser an die Lebenswirklichkeit der Kreativen angepasste Hilfspakete zu verlangen. Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) ist nach Angaben der dpa der Auffassung, dass man eine bundesweite Regelung nach dem baden-württembergischen Vorbild schaffen sollte. Allein in dem südwestdeutschen Bundesland könnten Selbständige Aussagen der BBK-Vorsitzenden Dagmar Schmidt gemäß Eigenmittel von bis zu 1180 Euro geltend machen. Das sei für die Freischaffenden sinnvoll, da diese von ihrer Unternehmung leben müssten.

Der Bundesverband Schauspieler (BFFS) sieht vor allem ein Problem in den auf Anträgen für Hilfsleistungen bezeichneten Vermögensgrenzen. Schauspieler*innen hätten zumeist nur eine unzureichende gesetzliche Altersversorgung, weshalb sie häufig auf finanzielle Rücklagen angewiesen seien. Dadurch würden sie jedoch nach den derzeit geltenden Bestimmungen von der Förderung ausgegrenzt, erklärte BFFS-Vorstandsmitglied Heinrich Schafmeister gegenüber der dpa. Daher hofften die Schauspielkünstler*innen für die Zeit der Krise auf flexible Lösungen.

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