KÜNFTIGE MINISTER IN EINER NEUEN GROKO : Vorschlag: Schulz sollte als Vizekanzler ein Europaministerium führen

4. Februar 2018 // zwd-Herausgeber Holger H. Lührig

zwd-Herausgeber Holger H. Lührig beschäftigt sich mit der Frage, ob der SPD-Vorsitzende Martin Schulz nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien in ein Kabinett unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eintreten sollte. Sein Votum: Ja zu einem Vizekanzler und Europaminister.

Bild: zwd
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zwd Berlin. Die vieldiskutierte Frage sowohl in den Medien als auch parteiintern in der SPD lautet: Sollte der Vorsitzende Martin Schulz auf einen Platz im Kabinett verzichten, falls die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und den Unionsparteien erfolgreich zum Abschluss kommen? Die Debatte bezieht sich dabei auf jenen Satz des SPD-Vorsitzenden, der auch in Talkshows allzu oft vorgespielt wurde: Er, so hatte Schulz auf Rückfragen versichert, werde nicht in ein Kabinett unter Führung der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel eintreten. Darf ein SPD-Vorsitzender, der moralische Maßstäbe für sich beansprucht, nach dem Motto des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer(CDU), verfahren: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“? Die Glaubwürdigkeit eines Politikers stand und steht auf dem Spiel, wenn er Dinge tut, die er vorher öffentlich ausgeschlossen hatte zu tun. Das galt und gilt nun auch für Martin Schulz. Sollte er trotzdem einen Kabinettsposten anstreben? Immerhin könnte der zumeist nicht mitzitierte Halbsatz aus Adenauers Geschwätz-Schelte eine Brücke bauen: „Nichts hindert mich, weiser zu werden“.

Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien gehören ins Kabinett

Also doch für Schulz das Außen- oder Finanzministerium? Beide Jobs verlangen ein hohes Maß an Reisetätigkeit, erfordern weitweit Präsenz auf der internationalen Bühne. Lässt sich das – allein schon zeitlich - mit dem Anspruch vereinbaren, den Erneuerungsprozess in der eigenen Partei voranzubringen? Ich glaube: nur schwerlich. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass der Vorsitzende einer Partei, die eine Regierung mitbildet, eben einem solchen Kabinett angehören muss. Und zwar schon deshalb, weil das Führungspersonal der mitregierenden Parteien in die Entscheidungsprozesse auf Regierungsebene eingebunden sein sollte und die jeweils anderen Parteien in der Regierung darauf vertrauen können müssen, dass Verabredungen zwischen den Partner*innen verlässlich getroffen werden können und mitgetragen werden. In den letzten beiden Jahren haben wir gerade anschaulich erlebt, was es bedeutet, wenn die Vorsitzenden nicht der von ihren Parteien mitgetragenen Regierung angehört haben. Der eine, CSU-Chef Horst Seehofer, konnte als bayerischer Ministerpräsident von München aus seine Gegenposition in der Flüchtlingsproblematik auch deshalb so ungeniert in der Öffentlichkeit ausbreiten, weil er nicht der Kabinettsdisziplin unter Kanzlerin Merkel unterworfen war – Opposition innerhalb der Regierung, das ging und geht gar nicht. Der andere, SPD-Chef Martin Schulz, konnte von der Kanzlerin im zurückliegenden Bundestagswahlkampf gnadenlos vorgeführt werden, weil diese argumentieren konnte, die von Schulz vorgetragene Kritik stehe im Widerspruch zu den zwischen ihr und dem Außenminister (Sigmar Gabriel) getroffenen Absprachen. Es spricht also viel dafür, dass alle Parteivorsitzenden auch dem Kabinett angehören sollten (das gilt übrigens in letzter Konsequenz auch für die CSU, wo Markus Söder als Seehofer-Nachfolger diesen nicht nur als Regierungschef, sondern auch als Parteivorsitzenden beerben möchte – er müsste also seine Ambitionen in diesem Punkte noch zurückstellen).

Schulz als Europa-Minister

Es steht deshalb für mich außer Frage, dass Martin Schulz nach erfolgreichen Groko-Verhandlungen Vizekanzler werden muss und wird. Offen bleibt aber, ob überhaupt und mit welchem Ressort dieser Kabinettsposten verknüpft sein sollte. Der langjährige Präsident des Europaparlaments muss nicht zwingend Außenminister werden, um in der Europapolitik der deutschen Regierung an der Umsetzung der anspruchsvollen Zielsetzungen des Sondierungspapiers eine maßgebliche Rolle zu übernehmen. Wenn es zutrifft, dass allein schon die Stabilität Europas und die Mitwirkung an dem vom französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron angestoßenen Erneuerungsprozess den Eintritt der SPD in die nächste Bundesregierung rechtfertigen, dann ist auf diesem Feld auch der Platz von Schulz. Bisher habe ich nirgendwo gelesen, wie der Prozess von Berlin aus gesteuert werden soll. Wie bisher entscheidend durch die Kanzlerin und am Rande durch den Außenminister und durch durch die Fachminister unterschiedlicher politischer Coleur? Der Glyphosat-Skandal, - wie sich der CSU-Landwirtschaftsminister auf EU-Ebene gegen die Absprachen in der Bundesregierung stellte – ist kein Vertrauensbeweis für den maßgeblich von Schulz ausgehandelten Aufbruch für Europa. Es bestätigt, dass die SPD mit ihren europapolitischen Ansprüchen diese Aufgabenstellung in der Regierung nicht federführend der Union überlassen darf und kann.Der SPD-Vorsitzende muss deshalb seine Vizekanzlerschaft mit der federführenden Zuständigkeit für Europa verbinden – als Europaminister und auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Freilich wäre ein sowohl für die Außenpolitik als auch die Europapolitik zuständiger Ressortchef ein Superminister („Minister des Auswärtigen und für Europa“), dem angesichts der Vielzahl weltpolitischer Probleme dann wirklich keine Zeit bliebe, dem Erneuerungsanspruch für Europa einerseits und für seine Partei andererseits gerecht zu werden. Aber auch ein Wechsel an der Parteispitze verböte sich, wie schon vorstehend beschrieben.

Eine Lösung könnte nach meiner Überzeugung darin liegen, ein besonderes Europaministerium zu schaffen, das aus dem Auswärtigen Amt die Abteilungen für Europa und für Auswärtige Kulturpolitik zugewiesen bekäme und mit der Vizekanzlerschaft verbunden wäre. Es wäre auf Schulz wie zugeschnitten.

Nota bene: Die anderen Aufgaben des Außenministeriums könnten mit dem Entwicklungshilfe-Ministerium verknüpft werden. Es hätte sachlich gesehen schon Charme, die ohnehin fragwürdige Nebenaußenministerrolle des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufzulösen und dieses Ressort in neu zugeschnittenes Bundesaußenministerium zu integrieren. Ein mit dem Ressortbereich „Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ verbundenes Auswärtiges Amt wäre sicherlich schmackhaft genug, um die ihm nachgesagten außenpolitischen Ambitionen von CSU-Chef Seehofer zu befriedigen. Und der wäre dann, ob er wollte oder nicht wollte, aktiv in die entwicklungspolitischen Aufgaben zur Lösung der Flüchtlingsproblematik in Afrika und Asien eingebunden.

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