zwd-HERAUSGEBER HOLGER H. LÜHRIG : Wahlnachlese: Ohne Vision in eine trübe Zukunft

16. November 2017 // Holger H. Lührig

​Nach der Bundestagswahl und den Landtagswahlen in Niedersachsen ist – teilweise mit zeitlicher Verzögerung – das große Stühlerücken angesagt. Die SPD hat am 24. September um 18.05 Uhr den Weg in die Opposition angetreten und versprochen, sie wolle sich neu aufstellen und dabei jünger und weiblicher werden. Doch die bisherige Performance lässt davon wenig spüren.

zwd Berlin. Zwar hat mit Andrea Nahles erstmals eine Frau den wichtigen Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion übernommen, doch das war’s dann auch schon vorerst mit den Frauen. Drei andere wichtige Positionen in der Sozialdemokratie (neben dem Parteivorsitz der 1. Parlamentarische Geschäftsführer, der Generalsekretär und der Bundestagsvizepräsident) sind mit Männern neu besetzt worden. „1:4” beklagen nicht wenige. Sie finden, die SPD sei nicht weiblicher, sondern männlicher geworden. Die Wahlanalysen in dieser Ausgabe belegen, dass es die SPD trotz vieler guter Frauen (in Funktionen als Bundesministerinnen und Regierungschefinnen) nicht vermocht hat, mehr Wählerinnen für sich zu gewinnen. Es gilt: Mehr Frauen und mehr Glaubwürdigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.

Zumal in einer Zeit, in der Angela Merkel im Herbst ihrer Kanzlerinnenschaft angekommen ist. Selbst wenn sich CDU/CSU, FDP und Grüne am Ende über einen Koalitionsvertrag einigen, kann schon jetzt das mühsame Gestottere beim Formulieren von Gemeinsamkeiten für eine schwarze Ampel nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren Laufzeit mehr als begrenzt ist. Gleichgültig, wer zuerst abstürzt (Seehofer wohl schon bald, Merkel in zwei Jahren): An einer grundlegenden Neuaufstellung der großen Volksparteien geht kein Weg vorbei, wenn diese nicht den Rechtspopulisten das Feld überlassen wollen. Da sei unsere Demokratie davor!

Ohne eine Vision, wie Deutschland in 20, 30 Jahren aussehen wird und welche Welt unsere Kinder und Enkel*innen vorfinden sollen, wird die Debatte darüber schnell im Alltagsgeschäft der Politik versanden. Diese Zukunftsdebatte zu führen, ist eine wichtige Aufgabenstellung, der wir uns mit dem zwd-POLITIKMAGAZIN verpflichtet fühlen und zu der wir unsere Leserinnen und Leser herzlich einladen.

Artikel als E-Mail versenden