ARMUTSBASIERTE FÖRDERUNG VON GRUNDSCHULEN : Warum der Königsteiner Schlüssel für Bildungsgerechtigkeit nicht taugt

25. August 2023 // GesCh / Holger H. Lührig

Die Verwendung des Königsteiner Schlüssels ist seit dem DigitalPakt Schule 2020 kritisch hinterfragt worden. Im Zusammenhang mit dem von der Ampel-Koalition geplanten Startchancenprogramm ist die Debatte erneut entbrannt. Eine von Prof. Marcel Helbig (WZB) vorgelegte Analyse hat die Zweifel erhärtet, ob mit der von der KMK-Mehrheit befürworteten Verteilung der Bundesgelder eine armutsbasierte Förderung der Grundschulen mehr Bildungsgerechtigkeit erreicht werden kann. Die Gesellschaft Chancengleichheit hat dazu eigene Berechnungen erstellt.

Cover der Gesellschaft Chancengleichheit
Cover der Gesellschaft Chancengleichheit

Bereits anlässlich der Debatte über den DigitalPakt I (Schule) hatte die Gesellschaft Chancengleichheit bereits im Jahr 2020 - basierend auf einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Kinderarmut in Deutschland - alternative Berechnungen zur Bundesfinanzierung vorgelegt und eine Abkehr vom Königsteiner Schlüssel befürwortet. Inzwischen ist durch weitere wissenschaftliche Studien die Datenlage differenzierter und konkret erhärtet worden.

  • Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat 2022 eine armutsbasiert begründete Abkehr vom Königsteiner Schlüssel befürwortet.
  • Aus ganz anderen Motiven hat auch der Bundesrechnungshof 2022 einen Ausstieg des Bundes aus der auf Schulen bzw. Schulkinder bezogenen Bundesförderung befürwortet, weil die Verteilung der Mittel nicht bedarfsgerecht erfolge und dieser Mangel nicht abgestellt werden könne.
  • Im Mai 2023 hat das Land Bremen die bisherige und erneut von der Kultusministerkonferenz vorgeschlagene Verteilung von Bundesmitteln nach dem Königsteiner Schlüssel - bezogen auf den DigitalPakt II und das Startchancenprogramm - auf die Agenda des Bundesrates gesetzt und dazu einen Entschließungsantrag vorgelegt.
  • Insbesondere eine Studie von Prof. Dr. Marcel Helbig (Wissenschaftszentrum Berlin) hat im Juni 2023 veranschaulicht, welche Veränderungen in den Berechnungen sich ergeben müssten, wenn besonders „armutsbasierte Grundschulen“ – also Grundschulen mit einem prozentualen Anteil von mehr als 23,5 Prozent Grundschulkindern, die in Armutsverhältnissen leben – in den Fokus der Förderung aus Bundesmitteln gerückt würden.

In der Berechnung der Gesellschaft Chancengleichheit wird von den 2.000 Schulen ausgegangen, die Helbig zugrunde gelegt hat. Darauf basierend wurde eine Verteilung der Bundesmittel gemäß dem Vorschlag des BMBF (60 Prozent der Mittel für Grundschulen) berechnet, also in Höhe von 600 Millionen Euro. Ob mehr als diese 2.000 Grundschulen letztlich von einem „armutsbasierten Verteiler“ profitieren könnten, muss mangels entsprechender Datenlage noch dahingestellt bleiben, obwohl die von Prof. Helbig bereitgestellten Daten unstreitig sein dürften. Es wäre Aufgabe der Länder, die zusätzlich erforderlichen Daten transparent zur Verfügung zustellen.

Das Ergebnis der Verteilung der Bundesmittel (Original-Bildquelle: zwd-POLITIKMAGAZIN, Ausgabe 397) steht in Spalte 11 der nachstehenden Tabelle, dem die Verteilung der 600 Mio Euro nach dem Königsteiner Schlüssel gegenüber gestellt wurde (Spalte 12). Die Differenz von Spalte 11 zu 12 beschreibt die Abweichungen (-/+). Die Zahlen sprechen für sich: Während allein Bayern und Baden-Württemberg mangels der entsprechenden Anzahl von (als armutsbasiert gekennzeichneten) Grundschulen auf gut 125 Millionen Euro verzichten müssten, würden zusätzlich zu den nach dem Königsteiner Schlüssel avisierten Mitteln rund 96 Millionen nach NRW, knapp 25 Millionen nach Berlin und gut 11 Millionen mach Bremen gehen. Weitere zusätzliche Mittel bekämen auch andere Länder mit Ausnahme von Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen.

Eine gut lesbare Version des Tabellen-Originals als Druckversion bekommen Sie hier als Download-Angebot!

Legende: 3: Schüler:innen-Zahlen an Schulen insgesamt. Auf eine Aufschlüsselung nach Grundschulen in den Bundesländern wurde verzichtet. Nach der Schulstatistik 2021/2022 des Statistischen Bundesamtes gab es in Deutschland 2.880.302 Grundschüler:innen, davon 1.462.521 Jungen und 1.418.026 Mädchen.

Legende 8-10: Der Anteil der armutsbasierten Grundschulen nach Helbig bezieht sich 2.000 Grundschulen, prozentual (Spalte 9 und absolut (Spalte 10), korrespondieren also nicht mit der Gesamtzahl der Grundschulen in den Länder (Spalte 8)

Legende 11-13: Die Berechnung der Bundesmittel für Grundschulen (600 Millionen Euro) ist auf der Basis von Helbig für 2.000 Grundschulen vorgenommen worden. Sie gibt also eine Tendenz wieder. Wie viele Grundschulen als armutsbasiert anzusehen sind, müssen die Länder noch transparent machen.

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