ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG : Gesundheitswesen: Weiterhin wenig Frauen in Leitungsgremien

31. März 2020 // Ulrike Günther

Frauen sind in Führungspositionen und Gremien der selbstverwalteten Gesundheitsfürsorge immer noch deutlich unterrepräsentiert. Die Bundesregierung strebt daher eine Erhöhung des Frauenanteils in den Krankenkassen und Ärzteverbänden an. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen wäre erforderlich, um eine geschlechtsspezifische Sicht auf Erkrankungen und Entscheidungsprozesse zu gewährleisten.

Bild: Pixnio
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zwd Berlin. Zu diesem Zweck habe die Regierung bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, heißt es in der Antwort (Drs. 19/17878) auf eine kleine Anfrage (Drs. 19/17347) der Grünen-Bundestagsfraktion. Demnach soll z.B. das Gesetz für fairen Kassenwettbewerb für eine angemessene Besetzung der Leitungspositionen im Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sorgen, und das Reformgesetz des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) legt eine 40-prozentige Frauenquote für die Vorschlagslisten bei der Wahl von Verwaltungsräten in den Krankenkassen fest.

Grüne: Fehlende weibliche Sichtweise führt zu schlechterer Versorgung

Die Grünen hatten ihre Fragestellung damit begründet, dass ihrer Ansicht nach ein geringer Frauenanteil in den Entscheidungsgremien im Gesundheitswesen „nicht nur ungerecht, sondern auch unklug“ sei. Gemischte Teams würden bessere Ergebnisse erbringen, wie zahlreiche Forschungsstudien belegten. Andererseits werde ihrer Auffassung gemäß die weibliche Sichtweise im Gesundheitswesen allgemein vernachlässigt, Forschung und Lehre orientierten sich weiterhin am männlichen Körper. Das hätte eine schlechtere Qualität in der medizinischen Versorgung von Frauen und teilweise sogar fehlerhafte Behandlungen zur Folge. Die Grünen-Abgeordneten beriefen sich in ihrer Anfrage u.a. auf verschiedene Gremien der Vereinten Nationen (CESCR und CEDAW, UN-Ausschüsse für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte bzw. für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen), welche mehrfach die mangelnde Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen und Ämtern in der Bundesrepublik kritisiert hatten.

Weniger als ein Drittel Frauen in Führungsetagen der Ärzteverbände

In ihrem Antwortschreiben auf die Grünen-Anfrage legt die Regierung die statistischen Daten zur Verteilung der Geschlechter in den Führungsetagen der Organisationen von Ärzt*innen, Zahnärzt*innen und Psychotherapeut*innen sowie Krankenkassen offen. Während der Anteil von Frauen unter den Ärzt*innen und Zahnärzt*innen im Jahr 2018 bei über 40 Prozent (42,7Prozent/ 45,6 Prozent) lag, waren die Medizinerinnen auf der ersten Führungsebene der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigungen (KBV und KZBV) zu weniger als einem Drittel (ca. 23 Prozent/ 26,7 Prozent) vertreten. Dabei war nach Angaben der Regierung gegenüber 2017 ein Anstieg der Frauenquote in der KBV um ca. 4,1 Prozent und in der KZBV um 23,5 Prozent zu verzeichnen.

Ein ähnliches Bild bietet sich bei der Frauenrate in den Vorständen und ersten Führungsebenen der Bundeskammern von Ärzt*innen (BÄK), Zahnärzt*innen (BZÄK) und Psychotherapeut*innen (BPtK). In der BÄK waren 2018 gemäß der Regierungsantwort 25 Prozent der Mitglieder im Vorstand weiblich, ein Prozent weniger als im Vorjahr. In der BZÄK betrug der Frauenanteil gerade einmal knapp über 5 Prozent, mit einer Zunahme gegenüber 2017 um 100 Prozent. Im Vorstand der BPtK, welche für die Interessen einer mit insgesamt rund 75 Prozent Psychologischen Psychotherapeutinnen stark weiblich dominierten Berufsgruppe eintritt, waren lediglich 40 Prozent der Vorstandsmitglieder Frauen, 20 Prozent mehr als 2017. Ebenso war auf der ersten Leitungsebene der BÄK 2018 bloß ein Drittel der Angestellten weiblich, in der BZÄK gab es in dieser Führungsetage auch 2018 noch keine Frau. Hingegen war in der BPtK die unterhalb des Vorstandes liegende Führungsebene zu 100 Prozent mit Frauen besetzt. In allen drei Fällen änderte sich gemäß den von der Regierung bereitgestellten Statistiken der Prozentsatz im Vergleich zum Vorjahr nicht

Gleichstellungspläne der BÄK sollen Frauenanteil in Gremien erhöhen

Um den Frauenanteil in den Verbänden der Mediziner*innen bzw. Psychotherapeut*innen zu steigern, hat die BÄK dem Regierungsschreiben zufolge Förder- und Gleichstellungspläne entwickelt, welche den Anteil jüngerer und weiblicher Ärzt*innen in den Ausschüssen der Länderkammern erhöhen sollen. Die BZÄK sorgt mit einer eigenen Akademie für die Ausbildung von berufspolitischem Nachwuchs, etwa die Hälfte der Studierenden sind demnach weiblich. Die BPtK gründete nach eigenen Angaben 2018 eine eigene Gleichstellungskommission und führte gezielte Regelungen für Frauenquoten in den verschiedenen Gremien ein. Außerdem sollen spezielle Maßnahmen die Familie und Berufstätigkeit besser vereinbar machen. Für durch die Betreuung von Kindern und Pflege von Angehörigen entstehende Kosten zahlt die BPtK den Angehörigen ihrer Berufsgruppe/ Psychotherapeut*innen Entschädigungen.

Fast keine Frauen in den Vorständen der Krankenkassen

Noch niedriger fallen die Frauenanteile in den Führungsgremien und Vorständen der GKVs und ihren Verbänden aus. Zwar sind Frauen in den Vertretungen der GKVs in allen Landesteilen zu über 50 Prozent beschäftigt. Die AOK weist aber in knapp 67 Prozent ihrer Niederlassungen eine Rate von null Prozent Frauen in den Vorständen auf, ebenso wie 83 Prozent der Ersatzkassen und eine Mehrzahl der von der Statistik erfassten Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen. Von den zehn größten Krankenkassen haben allein die AOK Bayern (50 Prozent) und die TK (33 Prozent) weibliche Mitglieder in ihren Leitungsgremien. Die Vorstände der anderen acht Krankenkassen sind rein männlich besetzt. In den Führungsetagen der AOK beträgt die Frauenquote zwischen 0 und 40 Prozent, die statistischen Angaben zu Frauen in Leitungsebenen der Betriebskassen sind stark lückenhaft, bei ungleichmäßig verteilten Raten.

Stark schwankende Frauenraten in den Länderärztekammern

In den einzelnen Bundesländern schwankt laut Statistik der Anteil weiblicher Führungskräfte in den Ärztekammern auf der ersten Leitungsebene stark. Die höchste Frauenquote wies die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) in Mecklenburg-Vorpommern mit knapp 82 Prozent auf, gefolgt von Bremen und Sachsen mit jeweils ca. 71 Prozent. In den KZVs von Bayern, Hessen und im Saarland waren 2018 hingegen keine Frauen auf der ersten Leitungsebene tätig. Über die Menge von Frauen in den Führungsetagen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder liegen laut Regierungsschreiben keine aktuellen Informationen vor.

In den Vorständen der Länderärztekammern rangierte der Frauenanteil zwischen 80 Prozent (Bremen) und 11 Prozent (Sachsen-Anhalt). Deutlich niedriger fielen die Prozentsätze bei den Zahnärztekammern der Länder aus. Hier erreichte Hamburg mit 40 Prozent weiblichen Vorstandsmitgliedern den Spitzenwert, in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg gab es gar keine Frauen in den Leitungsorganen. Die Vorstände der Landespsychotherapeutenkammern waren 2018 zu 80 Prozent (Saarland) bis 20 Prozent (Niedersachsen) mit Frauen besetzt. Auf der ersten Führungsebene variierte die Frauenrate in den Länderkammern aller genannten Berufsgruppen zwischen 0 und 100 Prozent.


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