STATISTIK 2019 : Weniger Azubis mit Neuverträgen – Frauenanteil gesunken

12. August 2020 // Ulrike Günther

In der Corona-Krise fürchten viele Auszubildende um ihre Lehrstellen, wirtschaftlich gefährdete Betriebe sehen sich nicht mehr in der Lage, Ausbildungsplätze anzubieten. Doch auch vorher schon ist die Zahl der Ausbildungsanfänger*innen gesunken. Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Firmen 2019 weniger Neuverträge abgeschlossen haben. Der Anteil an Frauen ist weiter zurückgegangen.

In vielen Ausbildungsberufen geht die Zahl der Neuverträge zurück. - Bild: PxHere
In vielen Ausbildungsberufen geht die Zahl der Neuverträge zurück. - Bild: PxHere

zwd Berlin/ Wiesbaden. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) schlossen 2019 insgesamt 513.000 Personen einen neuen Vertrag über eine Ausbildung ab. Das waren 8.600 bzw. 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Von den Ausbildungsanfänger*innen waren 325.000 oder fast zwei Drittel (63,5 Prozent) Männer. Nur 187.400 oder 36,5 Prozent der neuen Lehrlinge waren Frauen. Damit sank der Anteil der weiblichen Azubis mit neuen Lehrstellenverträgen gegenüber 2018 noch einmal um 2,5 Prozent.

Die Frauenquote unter den Lehrlingen im dualen Ausbildungszweig ist seit zehn Jahren rückläufig. Im Jahr 2009 lag der Frauenanteil noch bei 42,6 Prozent. Insgesamt ging die Menge neu abgeschlossener Verträge für duale Ausbildungen im vergangenen Jahrzehnt um 8 Prozent zurück. Die Zahl aller in einer Berufslehre befindlichen Personen sank seit 2010 von rund 1,5 Millionen um fast 12 Prozent auf 1,3 Millionen.

Linke fordern bessere Lehrstellenqualität und Arbeitsbedingungen

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Birke Bull-Bischoff führt den Rückgang bei den neuen Lehrstellenverträgen wesentlich auf Mängel bei der Qualität der Berufsausbildungen zurück. Das ziehe häufig einen schlechten Ruf der jeweiligen Ausbildungsberufe nach sich. Darüber hinaus würden diese für junge Leute wenig Anreize bieten. „Überstunden ohne Anrechnung, fehlende fachliche Anleitung und Betreuung der Azubis, schlechte Bezahlung sind in manchen Branchen leider üblich“, erklärte Bull-Bischoff anlässlich der Veröffentlichung der Statistik.

Für die von ihr benannten ungünstigen Arbeitsbedingungen für Lehrlinge macht die Linken-Politikerin u.a. eine verfehlte Ausbildungspolitik verantwortlich. Sie forderte die Bundesregierung, in erster Linie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), und die Wirtschaft auf, sich aktiv für eine verbesserte Qualität bei Ausbildungen und angemessene Arbeitsbedingungen für Lehrlinge einzusetzen.

Bull-Bischoff schlug vor, dafür gesetzliche Standards einzuführen. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit dürfe nicht überschritten werden, die Ausbildungen müssten kostenfrei sein, ein geeignetes Betreuungsverhältnis von Ausbildenden und Lehrlingen sei zu gewährleisten. Gerade angesichts der Krisenzeit hält die Linken-Sprecherin längerfristige Lösungen für erforderlich, um erfolglose Ausbildungswege von jungen Leuten und sich verschärfende Ungleichheiten auf dem Lehrstellenmarkt zu verhindern.

Mehr Migrantinnen fingen eine Ausbildung an

Nach Angaben von Destatis war 2017 und 2018 noch ein vorübergehender Anstieg bei der Anzahl der Neuverträge zu verzeichnen. Das Statistik-Amt sieht eine Ursache für diese Zuwächse vor allem darin, dass mehr Migrant*innen und Flüchtlinge in diesen Jahren eine Ausbildung begonnen haben. 2019 hat auch dieser Trend wieder abgenommen. 2,3 Prozent weniger Personen mit nicht-deutschem Herkunftsland schlossen einen neuen Ausbildungsvertrag ab. Während von den 59.700 Ausbildungsanfänger*innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im untersuchten Zeitraum 68,2 Prozent männlich waren, 4,8 Prozent weniger als 2018, erhöhte sich der Anteil der weiblichen Migrant*innen mit neuem Lehrstellenvertrag um 3,8 Prozentpunkte auf knapp ein Drittel.

Verkaufsberufe bei Azubis am stärksten gefragt

Am begehrtesten bei den Azubis mit neuen Verträgen war wie in den Vorjahren der Bereich Verkauf. Über 26.100 Lehrlinge gingen ein Ausbildungsverhältnis als Kauffrau/ Kaufmann im Einzelhandel ein, fast ebenso viele (26.060 Personen) als Kauffrau/ Kaufmann für Büromanagement. Die höchsten Zuwächse an neuen Lehrstellenverträgen gegenüber dem Vorjahr erfuhr mit 8,4 Prozent der Beruf Fachinformatiker/in, den 2019 mehr als 16.200 Azubis neu erlernten.

In einigen Branchen, wie Gastronomie, Hotellerie oder Tourismus sowie Einzelhandel, machte sich Destatis zufolge die rückläufige Tendenz auf dem Berufsbildungsmarkt besonders auffällig bemerkbar. Im Vergleich zu 2010 wurden 2019 in diesen Wirtschaftsfeldern 28 Prozent weniger Neuverträge für Lehrstellen unterzeichnet. Stärker als in anderen Bereichen nahm die Menge der Ausbildungsanfänger*innen in dem genannten Zeitraum in den Berufen Koch/ Köchin (- 45,3 Prozent), Fachkraft im Gastgewerbe (- 37,6 Prozent) oder Hotelfachfrau/ fachmann (- 28 Prozent) ab. Demgegenüber wurden auf dem Gebiet Veranstaltungstechnik sogar 15,9 Prozent mehr neue Lehrlinge zur Fachkraft ausgebildet.

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