Der Wissenschaftsrat hat in seinem Arbeitsbericht „Prüfungsnoten an Hochschulen im Prüfungsjahr 2010“ (Drs. 2627-12) sowohl die regionalen Unterschiede bei der Zensurenvergabe als auch eine Inflationierung von Bestnoten scharf kritisiert. Schon in vorangegangenen Analysen der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates habe sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet, dass Faktoren wie die Wahl des Studienortes und des Studienganges die Abschlussnote nachhaltig beeinflussten. Und auch innerhalb der Fachbereiche zeigten sich erhebliche Unterschiede. So könnten die durchschnittlich vergebenen Abschlussnoten um mehr als einen ganzen Notenschritt voneinander abweichen.
„Mit welcher Note ein Studium abgeschlossen wird, hängt in Deutschland nicht nur von der Prüfungsleistung ab, sondern auch davon, was und wo man studiert“, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Wolfgang Marquardt. Lag der Schnitt zur Jahrtausendwende noch bei 70 Prozent, konnten laut Wissenschaftsrat 2010 schon mehr als Dreiviertel der Studierenden ihr Studium mit einer 1 oder einer 2 vor dem Komma abschließen. Besonders BiologiestudentInnen und Studierende der Geisteswissenschaften hätten in hohem Grade Bestnoten erreicht: In dem naturwissenschaftlichen Fach seien es 98 Prozent, die ihr Diplom oder Staatsexamen mit der Auszeichnung „sehr gut“ oder „gut“ erhielten, im Diplomstudiengang Psychologie 97 Prozent gewesen. Auch in den Bachelorstudiengängen seien in vier von fünf Fällen Bestnoten vergeben worden. Ein „ausreichend“ dagegen kam fächerübergreifend kaum noch zur Anwendung – gerade 1,1 Prozent der Studierenden – gegenüber noch vier Prozent vor 12 Jahren – erhielten 2010 diese Beurteilung.
Differenzierungen über Nachkommastellen
Laut dem Bericht des Sachverständigengremiums, das die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung berät, gibt es kaum noch Fächer, die eine differenzierte Notengebung vorweisen können, wie beispielsweise die Rechtswissenschaft. Nur sieben Prozent der Jura-Absolventen wurde 2010 ein gutes oder sehr gutes Staatsexamen bescheinigt. In den meisten anderen Fächern jedoch scheinen sich Differenzierungen „zunehmend auf den Bereich der Nachkommastellen zu beschränken“, wird die Lage in dem wissenschaftspolitischen Kommentar beurteilt, den der Wissenschaftsrat das erste Mal einem seiner Arbeitsberichte beifügte. In diesem empfiehlt der Rat ein sich auf „gemeinsame Kriterien und Qualitätsmaßstäbe stützendes Benotungssystem, das
eine klare Orientierung dafür liefert, wann beispielsweise eine Prüfungsleistung
als „gut“ zu beurteilen ist“. Die im Kommentar vermerkten Empfehlungen sind zwar nicht bindend, werden aber meist doch umgesetzt, bestätigte Marquardt. Allerdings hatte der Wirtschaftsrat schon in früheren Analysen vergeblich angemahnt, das bestehende Notenspektrum besser auszunutzen.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sah in der Zunahme des Trends ein Versagen der Fakultäten und Hochschulleitungen, die auf frühere Berichtergebnisse der Jahre 2001 und 2005 nicht entsprechend reagiert hätten. Während Meidinger die Gründe für die Entwicklung einer Bestnoteninflation unmittelbar bei den Lehrenden selbst sieht, begründete Marquardt den Prozess mit den unterschiedlichen Selektionsverfahren, wie auch wegen unterschiedlicher curricularer Ausgestaltungen ein und desselben Fachs.
Bologna-Prozess verantwortlich
Laut Meidinger stelle zusätzlich der Bologna-Prozess, der vergleichbare Abschlüsse schaffen sollte, einen wesentlichen Faktor für eine Aufweichung der Bewertungsstandards dar. „Der Bologna-Prozess hat zu einer Konkurrenz der Bachelorstudiengänge untereinander um die besten Abschlussnoten geführt, da Studenten für die Zulassung zum Masterstudiengang auf gute Noten beim Bachelor angewiesen seien“, schätzt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes die Entwicklung ein. Auch die Kritik des Wissenschaftsrates galt besonders der Zensurvergabe in den Bachelor- und Masterstudiengängen. Eine Vergleichbarkeit sei durch dieses Zensurverfahren arg eingeschränkt, heißt es in dem Berichtskommentar; zudem machten auch die starken regionalen Schwankungen einen adäquaten Leistungsvergleich praktisch unmöglich, so die Beurteilung des Wissenschaftsrates. So hätten Studierende der Germanistik in Gießen deutlich bessere Chancen auf eine Bestnote als ihre Kommilitonen in der Hauptstadt. Das sei zunehmend auch ein Problem der Hochschulen selbst, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates. Er sieht darin eine Chance für die Zukunft: „Bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten für Master-Programme sind die Hochschulen nun erstmals selber auf standortübergreifende vergleichbare Prüfungsnoten angewiesen. Vielleicht gibt dies den Anstoß, die Benotungspraxis an Hochschulen einmal gründlich zu reflektieren.“ Generell plädierte Marquardt aber dafür, die Ergebnisse nicht überzubewerten, weil die Gründe nicht einfach zu fassen sein. Als langfristige Lösung baut Marquardt auf die Aufstellung von Bewertungsmaßstäben, die seiner Einschätzung nach zumindest im gleichen und verwandten Fächern einen Vergleich ermöglichen könnte.
Einen anderen Weg hält Philologenverbandschef Meidinger für gangbar, indem eine Pflicht für Zweitkorrekturen eingeführt wird: „Man müsste in viel stärkerem Maße die Hauptverantwortung für die Notenvergabe dem betreuenden Dozenten entreißen und Zweitkorrekturen durch Fachkollegen vorsehen, die den Prüfling nicht kennen.“ Damit könne nicht nur den Problemen an den Hochschulen entgegengewirkt werden, auch die Arbeitgeber müssten nicht mehr als Folgewirkung der Bestnoteninflation auf andere Einstellungskriterien ausweichen, glaubt Meidinger. Beispielsweise persönliche Empfehlungen und Beziehungen, Selbstdarstellungsvermögen oder Auslandsaufenthalte, die sich vor allem Studenten vermögender Eltern leisten können, könnten sonst zukünftig solche Kriterien darstellen, befürchtet der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes.
„Mit welcher Note ein Studium abgeschlossen wird, hängt in Deutschland nicht nur von der Prüfungsleistung ab, sondern auch davon, was und wo man studiert“, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Wolfgang Marquardt. Lag der Schnitt zur Jahrtausendwende noch bei 70 Prozent, konnten laut Wissenschaftsrat 2010 schon mehr als Dreiviertel der Studierenden ihr Studium mit einer 1 oder einer 2 vor dem Komma abschließen. Besonders BiologiestudentInnen und Studierende der Geisteswissenschaften hätten in hohem Grade Bestnoten erreicht: In dem naturwissenschaftlichen Fach seien es 98 Prozent, die ihr Diplom oder Staatsexamen mit der Auszeichnung „sehr gut“ oder „gut“ erhielten, im Diplomstudiengang Psychologie 97 Prozent gewesen. Auch in den Bachelorstudiengängen seien in vier von fünf Fällen Bestnoten vergeben worden. Ein „ausreichend“ dagegen kam fächerübergreifend kaum noch zur Anwendung – gerade 1,1 Prozent der Studierenden – gegenüber noch vier Prozent vor 12 Jahren – erhielten 2010 diese Beurteilung.
Differenzierungen über Nachkommastellen
Laut dem Bericht des Sachverständigengremiums, das die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung berät, gibt es kaum noch Fächer, die eine differenzierte Notengebung vorweisen können, wie beispielsweise die Rechtswissenschaft. Nur sieben Prozent der Jura-Absolventen wurde 2010 ein gutes oder sehr gutes Staatsexamen bescheinigt. In den meisten anderen Fächern jedoch scheinen sich Differenzierungen „zunehmend auf den Bereich der Nachkommastellen zu beschränken“, wird die Lage in dem wissenschaftspolitischen Kommentar beurteilt, den der Wissenschaftsrat das erste Mal einem seiner Arbeitsberichte beifügte. In diesem empfiehlt der Rat ein sich auf „gemeinsame Kriterien und Qualitätsmaßstäbe stützendes Benotungssystem, das
eine klare Orientierung dafür liefert, wann beispielsweise eine Prüfungsleistung
als „gut“ zu beurteilen ist“. Die im Kommentar vermerkten Empfehlungen sind zwar nicht bindend, werden aber meist doch umgesetzt, bestätigte Marquardt. Allerdings hatte der Wirtschaftsrat schon in früheren Analysen vergeblich angemahnt, das bestehende Notenspektrum besser auszunutzen.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sah in der Zunahme des Trends ein Versagen der Fakultäten und Hochschulleitungen, die auf frühere Berichtergebnisse der Jahre 2001 und 2005 nicht entsprechend reagiert hätten. Während Meidinger die Gründe für die Entwicklung einer Bestnoteninflation unmittelbar bei den Lehrenden selbst sieht, begründete Marquardt den Prozess mit den unterschiedlichen Selektionsverfahren, wie auch wegen unterschiedlicher curricularer Ausgestaltungen ein und desselben Fachs.
Bologna-Prozess verantwortlich
Laut Meidinger stelle zusätzlich der Bologna-Prozess, der vergleichbare Abschlüsse schaffen sollte, einen wesentlichen Faktor für eine Aufweichung der Bewertungsstandards dar. „Der Bologna-Prozess hat zu einer Konkurrenz der Bachelorstudiengänge untereinander um die besten Abschlussnoten geführt, da Studenten für die Zulassung zum Masterstudiengang auf gute Noten beim Bachelor angewiesen seien“, schätzt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes die Entwicklung ein. Auch die Kritik des Wissenschaftsrates galt besonders der Zensurvergabe in den Bachelor- und Masterstudiengängen. Eine Vergleichbarkeit sei durch dieses Zensurverfahren arg eingeschränkt, heißt es in dem Berichtskommentar; zudem machten auch die starken regionalen Schwankungen einen adäquaten Leistungsvergleich praktisch unmöglich, so die Beurteilung des Wissenschaftsrates. So hätten Studierende der Germanistik in Gießen deutlich bessere Chancen auf eine Bestnote als ihre Kommilitonen in der Hauptstadt. Das sei zunehmend auch ein Problem der Hochschulen selbst, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates. Er sieht darin eine Chance für die Zukunft: „Bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten für Master-Programme sind die Hochschulen nun erstmals selber auf standortübergreifende vergleichbare Prüfungsnoten angewiesen. Vielleicht gibt dies den Anstoß, die Benotungspraxis an Hochschulen einmal gründlich zu reflektieren.“ Generell plädierte Marquardt aber dafür, die Ergebnisse nicht überzubewerten, weil die Gründe nicht einfach zu fassen sein. Als langfristige Lösung baut Marquardt auf die Aufstellung von Bewertungsmaßstäben, die seiner Einschätzung nach zumindest im gleichen und verwandten Fächern einen Vergleich ermöglichen könnte.
Einen anderen Weg hält Philologenverbandschef Meidinger für gangbar, indem eine Pflicht für Zweitkorrekturen eingeführt wird: „Man müsste in viel stärkerem Maße die Hauptverantwortung für die Notenvergabe dem betreuenden Dozenten entreißen und Zweitkorrekturen durch Fachkollegen vorsehen, die den Prüfling nicht kennen.“ Damit könne nicht nur den Problemen an den Hochschulen entgegengewirkt werden, auch die Arbeitgeber müssten nicht mehr als Folgewirkung der Bestnoteninflation auf andere Einstellungskriterien ausweichen, glaubt Meidinger. Beispielsweise persönliche Empfehlungen und Beziehungen, Selbstdarstellungsvermögen oder Auslandsaufenthalte, die sich vor allem Studenten vermögender Eltern leisten können, könnten sonst zukünftig solche Kriterien darstellen, befürchtet der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes.