GASTKOMMENTAR: CHRISTA WEIGL-SCHNEIDER : zwd-Debatte: ​„Ist ein Paritätsgesetz der Weg für Gleichberechtigung in den Parlamenten?“

4. Juni 2018 // Christa Weigl-Schneider

Nur Repräsentanz verleiht Stimme. Die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland besteht zu 51 Prozent aus Frauen. Der Frauenanteil in den Parlamenten entspricht aber bei weitem nicht ihrem Anteil an der Bevölkerung. Ein von Frauen gewollter und gewünschter Zustand? Sicherlich nicht: Dies widerspricht auch dem Verständnis vom Leben in einer gleichberechtigten Demokratie. Welche Ursachen sind für die geringe Repräsentanz verantwortlich?

Bild: Landesfrauenrat Bayern
Bild: Landesfrauenrat Bayern

zwd Berlin. Voraussetzung einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an der politischen Macht ist der gleichberechtigte Zugang zu den politischen Entscheidungsgremien, d.h. das passive Wahlrecht sollte für alle Frauen und Männern unter gleichen Voraussetzungen den Zugang zum politischen Mandat verschaffen. Das bestehende Wahlrecht gewährleistet das aber nicht, im Gegenteil: Es ist wesentliche Ursache dafür, dass Frauen beim Zugang zu den politischen Entscheidungsgremien benachteiligt sind und werden.

Das Wahlorganisationsrecht liegt nämlich nach dem derzeitig gültigen Wahlrecht bei den Parteien. Die Parteien sind in der Besetzung der Wahllisten mit ihren Kandidat_innen völlig frei. Es gibt für die Parteien keine Regeln oder Vorgaben des Gesetzgebers, die Parteien schaffen sich selbst ihre Regeln. Folge dieser Freiheit ist, dass sich die die Strukturen der Parteien in der Auswahl ihrer Kandidat_innen widerspiegeln: Männlich dominierte Parteien (CDU, CSU, FDP, Freie Wähler und AfD) besetzen die Wahllisten bevorzugt mit männlichen Kandidaten. Dadurch erhöht sich zwangsläufig der Anteil der gewählten Männer in den politischen Entscheidungsgremien.

Parteien wie SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei besetzen die Wahllisten aufgrund eigener Selbstverpflichtung paritätisch mit Frauen und Männern.

Ergebnis: Parlamente, in denen der Anteil der Parteien wie SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder Linkspartei hoch ist, haben einen höheren Anteil an Mandatsträger_innen. Hier haben die Frauen folglich auch einen größeren Anteil an der politischen Macht.

Die Sicht auf die Sitzverteilung im Bundestag nach der Wahl 2017 sieht wie folgt aus:

709 Abgeordnete: 218 Frauen und 491 Männer
Wahlbeteiligung 76,5 %
(61,5 Mio Wahlberechtigte, davon 31,7 Mio Frauen)

CDU/CSU 246 Sitze, davon 49 Frauen (19,9 %)
aufgeschlüsselt:
200 Sitze CDU, davon 195 Direktmandate, 41 Frauen
46 Sitze CSU, davon 46 Direktmandate, 8 Frauen

SPD 153 Sitze, davon 64 Frauen (= 41,8 %)

FDP 61 Sitze, davon 19 Frauen (= 23,7 %)

Grüne 67 Sitze, davon 39 Frauen (= 58,2 %)

Linke 69 Sitze, davon 37 Frauen (= 53,6 %)

AfD 92 Sitze, davon 10 Frauen (= 10,6 %)

Parteilos 2 Sitze (Ex-AfD), 1 Frau, 1 Mann

Daraus ergibt sich zwingend der Schluss, dass durch den Einzug der FDP und der AfD und dem Stimmenverlustinsbesondere der SPD der Anteil der Mandatsträger_innen im Deutschen Bundestag von 37 % in 2013 auf 30,7% in 2017 sank.

In Bayern beträgt der Anteil der Mandatsträger_innen 28 %. Die Verteilung der Mandate auf Frauen und Männer sieht nach der Wahl 2013 wie folgt aus:

180 Abgeordnete: 126 Männer und 54 Frauen
Wahlbeteiligung 64,5 %

CSU 101 Sitze, davon 21 Frauen (=20,8 %)

SPD 42 Sitze, davon 18 Frauen (= 42,9 %)

Grüne 18 Sitze, davon 9 Frauen (= 50 %)

FW 19 Sitze, davon 3 Frauen (= 15,8 %)

Der Frauenanteil im Bayerischen Landtag von nur 28 % erklärt sich zwingend aus dem geringen Anteil der Mandatsträgerinnen der CSU und FW.

Würden alle Parteien im Wege einer Selbstverpflichtung Regeln schaffen, die zur Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten führt, wäre das ein wichtiger Schritt zur Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten. Es wäre auch ein wichtiges Signal an alle Frauen, die sich politisch einbringen wollen, dass ihr Anteil an der politischen Macht gewünscht und gefördert wird. Es ist meine Überzeugung, dass dieses Signal zu einer Veränderung der politischen Kultur und automatisch zu einer höheren Motivation von Frauen zum politischen Engagement führt. Bisher ist aber keine Initiative der Parteien mit männlich geprägten Strukturen in Sicht, derartige selbstverpflichtende Regeln zu schaffen.Damit wäre ja ein Verlust politischer Macht von Männern verbunden.

Mein Fazit:

Ein Paritätsgesetz anstelle des bestehenden Wahlrechts für Kommunen, Länder und die Bundesrepublik ist ein demokratisches Muss!

Der Verein für Fraueninteressen, dessen Vorsitzende ich bin, steht seit 1894 für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Das Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten wurde 2014 vom Verein für Fraueninteressen in Zusammenarbeit mit dem 1914 gegründeten Stadtbund Münchner Frauenverbände mit dem Ziel initiiert, das bestehende Wahlrecht auf seine Verfassungsmäßigkeit durch die Gerichte prüfen zu lassen und ein Paritätsgesetz von den Politiker_innen einzufordern. . Kooperationspartner des Aktionsbündnisses sind der Bayerische Landesfrauenrat und der Katholische Deutsche Frauenbund Landesverband Bayern www.aktionsbuendnis-parite.de.


Christa Weigl-Schneider ist Sprecherin des Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten, Jurisitn und Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen.

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