KOMMENTAR ZUR DEBATTE IM ZWD-POLITIKMAGAZIN : „Kann ein Paritätsgesetz mehr Frauen den Weg in die Parlamente ebnen?“

30. Mai 2018 // Hilda Lührig-Nockemann

​51 Prozent aller Wahlberechtigten sind Frauen. In den Wahlgesetzen von Bund und Ländern findet das bisher jedoch keine Berücksichtigung. Die Parität von Frauen und Männern in den Wahllisten unterliegt dem Goodwill der Parteien. Auf gesetzliche Füße stellen wollte dies das „Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten“.

zwd Berlin. Im November 2016 reichte stellvertretend für 153 Kläger*innen die Juristin Prof.´in Dr. Silke Laskowski beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Popularklage auf Feststellung der ­Verfassungswidrigkeit des aktuellen Landeswahlgesetzes ein. Nahezu anderthalb Jahre später, im März 2018, fiel die Entscheidung – Ablehnung der Klage. Wen wundert’s, denn das Bayerische Verfassungsgericht ist zu 80 Prozent mit Männern besetzt! Ein Grund für die Abweisung findet sich in Absatz 84: „Das Fehlen paritätischer Vorgaben in den gerügten Vorschriften dient gerade der Chancengleichheit aller sich um eine Kandidatur Bewerbender.“

Da stolpert man/frau doch über den Blickwinkel der Richter*innen. Ignorieren sie die statistische Datenlage, die klar die Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten von Bund, Ländern und Kommunen belegt? Von Chancengleichheit und Parität keine Spur! Allein das Beispiel „Bundestag“ dokumentiert, dass Frauen nur in den Parteien mit festen Quotenregelungen Chancen haben, den Männern gleichgestellt nominiert zu werden. Nicht von ungefähr liegt der Frauenanteil bei den konservativen Parteien ohne Quote zwischen 11,7 (Zum Vergleich: Unmittelbar nach Inkrafttreten des Frauenwahlrechts (1919) betrug der Frauenanteil in der Nationalversammlung 8,7 %.) und 22,5 Prozent, bei den anderen Parteien mit Quote hingegen zwischen 42 und 58 Prozent. Fehlen Frauen auf den Wahllisten, fehlen sie nicht nur in den Parlamenten, sondern auch in den Ämtern.

Eine von der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegebene Studie konstatiert, dass 2017 der Frauenanteil unter den Oberbürgermeister*innen nur 8,2 Prozent betrug. Diese Studie belegt auch, dass die einer Quote verpflichteten Parteien auch Fraktions- und Ausschussvorsitze deutlich häufiger mit Frauen besetzen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch durch Freiwilligkeit die Benachteiligung von Frauen abgebaut werden könnte. Die Praxis aber zeigt, dass Freiwilligkeit nicht in allen Parteien greift. Deshalb kann „die strukturelle Bevorzugung von Männern in der Politik – allen voran die Nominierungspraxis der Parteien – nur durch gesetzliche Regelungen ausgeglichen werden“, wie Dr. Helga Lukoschat von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. (EAF) auf deren Homepage vor einem Jahr noch einmal bekräftigt hatte. Eine gesetzliche Regelung stünde Deutschland tatsächlich gut zu Gesicht, denn acht europäische Länder – mit Vorbildfunktion das Parité-Gesetz in Frankreich – regeln schon jetzt über ein Gesetz den Frauenanteil in Kommunalvertretungen, Landes- und Bundesparlamenten. Notwendig ist das auch vor dem Hintergrund, dass eine Zusammensetzung der Parlamente mit deut-lich mehr Männern als Frauen „negative Auswirkungen auf den Inhalt der politischen Entscheidungen“ hat, wie die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. auf ihrer Homepage zu bedenken gibt. Nachvollziehbar, frau/man denke nur an die Entscheidung des männerdo-minierten Bayerischen Verfassungsge-richtes!

Bereits 1981 wies die Juristin Dr. ­Elisabeth Selbert (SPD), eine der Mütter des sogenannten Gleichberech-tigungsgesetzes, darauf hin, dass die mangelnde Präsenz von Frauen in den Parlamenten und öffentlichen Ämtern „schlicht Verfassungsbruch in Permanenz“ sei. Die 1994 durch das Parlament erfolgte Ergänzung von Artikel 3 Absatz 2 GG um den Passus „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern […]“ beseitigte selbst im politischen Bereich das weibliche Defizit nicht. ­Deshalb habe ich frauenpolitische Expertinnen eingeladen, sich zu der Frage zu äußern: „Ist ein Paritätsgesetz der Weg zur Gleichberechtigung in den Parlamenten?“

Die Expert*innen-Beiträge finden Sie in unserer neuen Printausgabe Nr. 360.

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