JUBILÄUMSJAHR BEETHOVEN : „Seid umschlungen, Millionen“

10. Februar 2020 // Ulrike Günther

Musikalisches Genie, Revolutionär und Weltbürger, Vertreter der Wiener Klassik und Wegbereiter der Romantik, Fürstenprotegé und temperamentvolle „Urgewalt“: Zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827), eines der weltweit meistgespielten Komponist*innen, finden bundesweit tausende Konzerte und Events statt.

Ludwig van Beethoven - Bild: flickr / Boston Public Library
Ludwig van Beethoven - Bild: flickr / Boston Public Library

zwd Berlin/ Bonn. Vom beliebten „Für Elise“ über die Klaviersonate „Pathétique“ bis zur aufrührerischen Heroischen Sinfonie begeistern seine mitreißenden, ausdrucksstarken Werke auch heute Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Anlässlich von Beethovens 250. Geburtstag werden im Rahmen des Jubiläumsjahres unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus tausende Konzerte, Aufführungen von Opern und Theaterstücken, Ausstellungen und Konferenzen den gebürtigen Bonner Meistermusiker und Schöpfer zahlreicher musikgeschichtlicher Schlüsselwerke feiern und ehren.

Geplant sind u.a. ein Beethoven-Marathon, bei dem am 25. und 26. April die Berliner Philharmoniker eine Vielzahl von Beethovens Kammermusikstücken aufführen. Auf dem Berliner Musikfest wird der Pianist Igor Levit an acht Abenden im August und September dem Publikum im Kammermusiksaal der Philharmonie sämtliche 32 Klaviersonaten des Komponisten vorspielen. Die im Juli 2016 eigens gegründete Beethoven Jubiläums GmbH BTHVN 2020 koordiniert unter dem Leitspruch „Beethoven neu entdecken“ die bundesweit laufenden 300 Projekte und über tausend Events. Schon im Koalitionsvertrag von 2013 hatten Union und SPD die Vorbereitung des Jubiläumsjahres zur „nationale(n) Aufgabe“ erklärt. Die Kosten der Veranstaltungen zum Jubiläum belaufen sich auf insgesamt 43,5 Millionen. 27 Millionen Euro davon kommen vom Bund, 10 Millionen trägt das Land Nordrhein-Westfalen, 3 bzw. 1,5 Millionen Euro die Geburtsstadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis.

Musikalischer Titan mit menschlichem Pathos

Über das Verhältnis des häufig verliebten, doch nie in den Hafen der Ehe eingelaufenen Musikers, seine in einem Brief von ihm adressierte „unsterbliche Geliebte“ und eine mögliche uneheliche Tochter wird viel spekuliert. Das Frauenmuseum Bonn geht daher vom 02. Februar bis zum 08. November „Beethoven und (der) Frage nach den Frauen“ nach. Der Fokus der Sonderausstellung liegt auf dem Leben von Frauen und Komponistinnen im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Ein vielfältiges Musik- und Vortragsprogramm umfasst Konzerte mit Werken von durch Beethoven inspirierten zeitgenössischen wie von talentierten vergessenen Komponistinnen, außerdem Collagen, Performances und auf den Geschlechterdiskurs bezogene Vorträge.

Am 17. Dezember eröffnete Bundespräsident Steinmeier feierlich in Berlin das Beethovenjahr im Schloss Bellevue. Steinmeier rühmte in seiner Rede vor rund 150 Gästen den Komponisten als „Titan“ und „prometheischen Geist“ und beschrieb, wie in seiner Musik das „Pathos des menschlichen Strebens nach Freiheit und des menschlichen Leids“ hörbar sei. Steinmeier mahnte jedoch auch vor „übersteigertem Pathos“ und verwies auf den Missbrauch von Beethovens Werken durch die NS-Herrschaft zum Zwecke von deren sich selbst überhöhender Selbstdarstellung. In einem „Wandelkonzert“ spielten in mehreren Räumen des Schlosses die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Leitung ihres Chefdirigenten Paavo Järvi. Ein Schüler*innen-Ensemble trat mit „Beethoven Beats“ auf, und der Bariton-Sänger Äneas Humm trug Lieder vor.

Eröffnungsauftakt in der Bonner Geburtsstadt

Zum musikalischen Auftakt des Jubiläumsjahres 2020 spielte am Tag vorher das Beethoven Orchester Bonn die Ouvertüre zur Wiener Uraufführung des Fidelio im Opernhaus der Bundesstadt im Beisein von ca. 1000 Gästen und Politiker*innen, mit dem Generalmusikdirektor Dirk Kaftan als Dirigenten. Kulturstaatsministerin Prof. ´in Monika Grütters (CDU) nannte den Komponisten bei ihrer Festrede einen „Visionär, Humanisten und überzeugten Europäer“. Sich mit ihm auseinanderzusetzen, sei heute aktueller als je zuvor. „Beethoven war schon zu Lebzeiten eine Legende: ein Künstler, der (…) gegen Takt und Konvention komponierend, Grenzen sprengte“, sagte Grütters. Seine Musik bewege und verbinde bis heute „Menschen aller Länder und Kontinente“, so die Kulturstaatsministerin.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) würdigte den weltberühmten Musiker als „Humanist(en) und Weltbürger“. Beethoven personifiziere somit „die DNA Nordrhein-Westfalens“. Seinem „Jahrhunderttalent“ wolle das Land im Jubiläumsjahr ein Forum schaffen. Der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan betonte, Beethoven gehöre „der ganzen Welt, der ganzen Menschheit“. Er sei „die Verkörperung einer universellen Sprache, der Musik, die weltweit Menschen begeistert“. Im Vorfeld der Bonner Veranstaltung erklärte Grütters, das Jubiläumsjahr habe die Aufgabe, den Künstler in der Gegenwart aufs Neue zu entdecken. Beethoven habe einerseits als „Ausnahmekünstler“ die Musik radikal revolutioniert. Andererseits brauche ein demokratisches Europa die „visionäre Kraft“, mit welcher der Musiker als Verfechter der französischen Revolutionsideale künstlerisch wie politisch Stellung bezog. Es gelte laut Grütters, Beethovens "politisch-gesellschaftliche wie auch seine musikalische Wirkmacht“ zu erkunden. Wie Steinmeier prangerte sie die rücksichtslose Indienstnahme des Musikers für die unwürdigen Ziele des deutschen Nationalismus und des NS-Regimes an. Anders als diese habe Beethoven sein Werk den Menschen und dem Gedanken der Menschlichkeit gewidmet.

Parallelfeier in der Wiener Wahlheimat

Vor dem eigentlichen Festakt am Abend war das in der Bonner Innenstadt gelegene Geburtshaus des Künstlers nach grundlegender Sanierung wiedereröffnet worden. Grütters hob die „Aura des Authentischen“ hervor, die dem Haus anhafte und es möglich mache, Beethoven noch etwas näher zu kommen. Das mit jährlich rund 100.000 Besucher*innen weltweit am meisten besichtigte Komponisten-Museum in dem mit 3,8 Millionen Euro renovierten barocken Gebäude bildet eines der zentralen Projekte des Jubiläumsjahres. Seine international größte Beethoven-Sammlung mit über 200 Ausstellungsstücken soll einen erlebnisorientierten Zugang zu dem eigenwilligen Künstler gewähren. Multimedial und in mehreren Sprachen erinnern die Instrumente, Bilder, Briefe und Gebrauchsgegenstände, wie die Hörrohre des schon mit 30 Jahren schwerhörigen, später völlig ertaubten Musikers, an Beethovens Leben und Schaffen.

Gleichzeitig wurde in der Wahlheimat des Künstlers Wien, wo der Komponist, von adligen Mäzenen gefördert, 35 Jahre seines Lebens verbrachte, das Jubiläumsjahr unter dem Motto „Beethoven gehört allen“ eröffnet, u.a. mit Konzerten des Bläserensembles „29er Blech“ und des Webern Symphonie Orchester der Wiener Musikhochschule. Mit „Beethoven. Menschenwelt und Götterfunken" präsentiert die Österreichische Nationalbibliothek den Besucher*innen bis zum 19. April Originalpartituren, Briefe und Bilddokumente, darunter die Originalhandschrift der vom Musiker vertonten, von der Europäischen Gemeinschaft (EU) 1985 zur Hymne gewählten Schillerschen „Ode an die Freude" als Leihgabe der Berliner Staatsbibliothek. Diese ist im Besitz der weltweit umfassendsten Sammlung von Autographen des Komponisten. In einer eigenen Sonderausstellung „Diesen Kuß der ganzen Welt“ macht die Bibliothek ihrerseits Handschriften von Beethovens musikalischen Werken ebenso wie Lebensdokumente, z.B. Briefe und die sog. Konversationshefte, vom 11. März bis 30. April der Öffentlichkeit zugänglich.

12 Monate Konzerte und Projekte

Die Schau „Beethoven. Welt. Bürger. Musik“ - noch bis zum 26. April in der Bonner Bundeskunsthalle und zur Zeit der bundesdeutschen Präsidentschaft im EU-Ministerrat vom 13. Oktober 2020 bis zum 17. Januar 2021 im Brüsseler Palais der Schönen Künste - vermittelt über die ausgestellten Skizzenbücher, Autographen und Erstausgaben einen Eindruck von der Arbeitsweise des klanggewaltigen Musikers sowie Kenntnisse zum kulturgeschichtlichen Kontext seines Lebens und Wirkens. Ein Höhepunkt der Jubiläumsveranstaltungen wird ein von Sir Simon Rattle dirigiertes Konzert des London Symphony Orchestra mit der Geigenvirtuosin Lisa Batiashvili im Opernhaus Bonn sein, die am 22. Februar Alban Bergs Violinkonzert und Beethovens 7. Sinfonie erklingen lassen.

Im Rahmen des Jubiläumsjahres hinaus fördert der Bund außerdem mit dem „Labor 2020“ ein international angelegtes Kooperationsprojekt der Berliner Akademie der Künste: Seit 2016 ließ sich eine Gruppe junger Komponist*innen aus Tel Aviv, Basel und Thessaloniki von Beethovens Werken anregen. Die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit - Konzerte, Klanginstallationen, Lese-Performances und Musik-Theater - bei der sie das Experimentieren in den Mittelpunkt rückten, stellen sie vom 12. Bis 18. März in den Räumen der Kunstakademie vor. Am 08.August bringt das Bundesjugendorchester gemeinsam mit dem Weltjugendchor Tan Duns „The Nine Project“ zuerst in Bonn und danach in mehreren anderen deutschen Städten zur Aufführung. Es setzt schamanistische chinesische Gesänge zu Beethovens klassischer Musik ins Verhältnis.. Am 21. Juni überträgt der deutsch-französische Sender Arte alle Sinfonien des Meisters live aus verschiedenen europäischen Metropolen. In Bonn spielt an diesem Tag das Mahler Chamber Orchestra die im Jahr 1799/1800 vom noch nicht dreißigjährigen Beethoven komponierte und mit großem Erfolg uraufgeführte 1. Sinfonie in C-Dur. Als Abschlusskonzert zum Beethoven-Jubiläumsjahr wird am 17. Dezember als dem 250. Tauftag des Komponisten, ebenfalls im Bonner Opernhaus, die letzte vom Musiker komponierte 9. Sinfonie in d-Moll erklingen. Es spielt das West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboims Leitung, der gesamteuropäische Jugendchor singt die darin eingelegte Sinfoniekantate „An die Freude“.

Zitat in der Überschrift aus Friedrich von Schillers Gedicht "An die Freude"
Bilder oben: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), Quelle: zwd
Kulturstaatsministerin Prof. in Monika Grütters (CDU), Quelle: Bundesstadt Bonn / Sascha Engst

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