zwd-INTERVIEW: STEFAN WENZEL (GRÜNE) : „Unser Ziel ist klar: Fortsetzung der Regierungsarbeit”

12. Oktober 2017 // Dr. Dagmar Schlapeit-Beck

Kurz vor der Landtagswahl am 15. Oktober sprach zwd-Chefredakteurin Dr. Dagmar Schlapeit-Beck mit dem niedersächsischen Umweltminister über die wichtigsten Erfolge der rot-grünen Landesregierung.

Bild: Grüne-Landtagsfraktion Niedersachsen
Bild: Grüne-Landtagsfraktion Niedersachsen

zwd-POLITIKMAGAZIN: Herr Minister, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten landespolitischen Erfolge der rot-grünen Landesregierung in den Politikfeldern Bildung, Gleichstellung, Kultur und Gesundheit?

Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne): In den vergangenen knapp fünf Jahren wurden die Studiengebühren und das Turbo Abitur abgeschafft. Die Ganztagsschulen und die Krippenplätze wurden deutlich ausgebaut. Sprachförderung, Grundbildung und Schulsozialarbeit wurde ausgebaut. Fachhochschulen wurden deutlich gestärkt und die Neugründung von Gesamtschulen ermöglicht. Die Gleichstellung wurde über verschiedenste Projekte unterstützt, darunter Programme zur Personalentwicklung und Karrierenetzwerke für Frauen. Die Abstimmung über das fertige Gleichstellungsgesetz musste wegen des Fraktionswechsels einer Abgeordneten meiner Fraktion leider auf die nächste Wahlperiode vertagt werden. Das Projekt Gesundheitsregionen für eine Verbesserung der wohnortnahen Gesundheitsversorgung wurde aufgelegt, über Sondervermögen wurden die Investitionen in Krankenhäuser gestärkt. Eine sehr große Summe wurde für die Sanierung bzw. den Neubau der Universitätskliniken in Hannover und Göttingen bereitgestellt. Die Kulturförderung wurde um fast 20 Prozent aufgestockt und das kam auch vielen kleinen Einrichtungen zugute.

Welches sind für Sie die wichtigsten politischen Ziele der nächsten Landtags-Legislaturperiode?

Wir stehen für ein Land in dem es sozial gerecht zugeht, das weltoffen ist und die natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt. Für die Achtung der Grund- und Bürgerrechte und ganz klar gegen Rassismus. Wir wollen den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und deshalb gerade die schwächeren Bevölkerungsgruppen besonders unterstützen. Wir stehen für gebührenfreie Bildungszugänge, Chancengerechtigkeit und gute Arbeit ein. Unsere Energieversorgung wollen wir komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Gesunde Ernährung und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel gibt es nur mit einer Wende in der Agrarpolitik.

Welche Konsequenzen ziehen die Grünen aus dem Bundestagswahlergebnis für die niedersächsische Landtagswahl?

Die Bundestagswahl hat unsere Motivation nochmal massiv verstärkt. Wir gehen mit Optimismus in die Wahl.

Wie wollen die Grünen in Niedersachsen dem erstarkenden Rechtspopulismus begegnen?

Wir reden niemandem nach dem Mund, sondern benennen klar die Herausforderungen und die wunden Punkte - auch wenn es komplex wird. Wir packen die Probleme an, auch wenn es ungemütlich wird. Wir treten rassistischen Äußerungen deutlich entgegen. Wir stärken die Bürgerbeteiligung und binden Menschen in Entscheidungen ein. Im Übrigen sehen wir in Niedersachsen eine deutlich andere Ausgangslage als zur Bundestagswahl im Bund. Wir sind überzeugt, dass auch die WählerInnen zwischen Bundestagswahl und Landtagswahl unterscheiden, bei der es um die Möglichkeit der Fortsetzung der guten Zusammenarbeit von SPD und Grünen für unser Bundesland Niedersachsen geht.

Wie bewerten Sie die zurückliegende rot-grüne Koalition in Niedersachsen? Wollen Sie die Zusammenarbeit fortsetzen? Welche Probleme hat es auch gegeben?

In Niedersachsen wurden viele aufgestaute Probleme durch Rot-Grün aus dem Weg geräumt. Das waren nicht nur die Studiengebühren und die rückläufigen Studentenzahlen und das Turbo Abitur „G8“ an den Gymnasien. Der Versuch ein Endlager Gorleben mit Brachialgewalt durchzusetzen ist vorbei. Jetzt wird bundesweit nach dem sichersten Standort für die Atomerblasten gesucht. Der Wohnungsbau wurde wieder vorangetrieben. Im Landwirtschaftsbereich werden Tierwohl und ökologischer Landbau endlich ernst genommen. Die Neuverschuldung ist gestoppt, erstmals werden Schulden zurückgezahlt. Niedersachsen hat wieder eine Landeszentrale für politische Bildung und auch wieder eine bereits äußerst erfolgreiche Klimaschutz- und Energieagentur. Viele nicht rechtskonform abgeschlossene Verfahren zu Naturschutzgebieten sind endlich rechtskonform entschieden worden. Rot-Grün hat Probleme nicht auf die lange Bank geschoben, sondern konstruktiv und fair Lösungen im Sinne des Landes gesucht.


Wie bewerten Sie den Parteiübertritt der Landtagsabgeordneten Elke Twesten? Aus frauenpolitischer Perspektive ist aus unserer Sicht ein großer Schaden entstanden, da die Novelle des Niedersächsischen Gleichstellungsgesetzes mit einer 50-Prozent-Quote für Führungspositionen im öffentlichen Dienst jetzt zunächst nicht mehr beschlossen werden konnte.

Eine unverständliche Entscheidung. Wir haben innerhalb von drei Stunden entschieden, dass nur die Wählerinnen und Wähler über Mehrheiten im Landtag und Regierungsbildungen entscheiden sollten. Auch aus frauenpolitischer Sicht war der Wechsel fatal, weil die Novelle des Niedersächsischen Gleichstellungsgesetzes mit einer 50-Prozent-Quote für Führungspositionen im öffentlichen Dienst jetzt erneut in den Landtag eingebracht werden muss und dort eine Mehrheit braucht.

Für welche Regierungsbildung stehen die Grünen in Niedersachsen zur Verfügung? Rot-Grün, Ampel oder Jamaika?

Unser Ziel ist klar. Fortsetzung der Regierungsarbeit und dritte Kraft im Landtag. Nicht zuletzt die Sache mit dem „unmoralischen Angebot“ der CDU hat eine Zusammenarbeit extrem unwahrscheinlich gemacht.

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