BUNDESSTIFTUNG GLEICHSTELLUNG | SACHVERSTÄNDIGENANHÖRUNG : Die Bundesstiftung darf nicht von politischen Mehrheitsverhältnissen abhängig sein

12. April 2021 // Holger H. Lührig

zwd Berlin (ig). Sieben Sachverständige hat der Bundestagsausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Frauen in Vorbereitung auf die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs zur Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung geladen. Die schriftlichen Stellungnahmen waren bereits auf der Webseite des Bundestages veröffentlicht. Alle Expert:innen haben darin schriftlich als auch bei der Anhörung am 12. April im Bundestag die geplante Stiftung begrüßt. Zugleich gab es deutliche Kritik an der Stiftungskonstruktion.

Die Kritik entzündet sich an den Punkten, die bereits die Gender-Expertin Barbara Stiegler in ihrem Interview mit dem zwd-POLITIKMAGAZIN benannt hat. In gleichem Sinne haben Prof. Dr. Heide Pfarr hat namens des Deutschen Juristinnenbundes und auch die Wissenschaftlerinnen eine bessere Finanzausstattung der Stiftung (ab kommendem Jahr 5 Millionen Euro jährlich) und die Gewährleistung der fachlichen und politischen Unabhängigkeit der Stiftung reklamiert. Ähnlich äußerten sich auch die Hochschullehrerinnen Prof.in Dr.in Ruth Edith Hagengruber (Universität Paderborn) und Prof. Dr. Silke Bothfeld (Hochschule Bremen).

Kritik an Stiftungskonstruktion

Hagengruber konstatiert: „Die für die Stiftung notwendige Unabhängigkeit sind durch die Besetzung von 10 Mitgliedern des Bundestages, dazu geschlechtsparitätisch (und weitgehend ohne Fachexpertise) nicht zielführend besetzt.“ Ähnlich Bothfeld: „Die Besetzung von Stiftungsrat und Direktorium, ist anders als bei internationalen Beispielen (Spanien, Belgien, Schweden) nicht geeignet, die angestrebte Unabhängigkeit und Fachlichkeit der Stiftungsarbeit zu realisieren“. Auch der Deutsche Frauenrat, vertreten durch die Geschäftsführerin Dr. Anja Nordmann, sieht in der Konstruktion des Stiftungsrates mit 10 Bundestagsabgeordneten und einer für Gleichstellung zuständigen Minister:in die Handlungsmöglichkeiten der Bundessstiftung in der Abhängigkeit der jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnisse. Deshalb plädiert der Frauenrat dafür, den Rat mindestens durch zivilgesellschaftliche Repräsentant:innen zu erweitern. Pfarr, Hagengruber und Bothfeld halten die Stiftungsratszusammensetzung für problematisch. Mindestens müsse sichergestellt werden, dass der Anteil der in die Gremien der Stiftung entsandte Anteil der Frauen mindestens 50 Prozent beträgt; auf jeden Fall dürfte der Anteil der Männer die 50-Prozent-marke nicht übersteigen, formuliert Pfarr.

„Eklatant verfassungswidrige Männerquote“

Die Vertreterin der Juristinnenbundes hält auch die Festlegung in § 5 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzentwurfs, wonach das Direktorium der Stiftung paritätisch mit einer Frau und einem Mann zu besetzen ist, für „eklatant verfassungswidrig“. Pfarr argumentiert:

„Das ist eine feste Quote, die andere Erwägungsgründe für die Besetzung nicht zulässt. Da davon auszugehen ist, dass für den Aufgabenbereich der Stiftung mehr Frauen als Männer qualifiziert sind, handelt es sich um eine Männerquote. Diese greift auch dann, wenn sich mehrere Frauen auf die Stelle beworben haben, die in ihrer Qualifikation die der sich bewerbenden Männer übersteigt. Da keinerlei strukturelle Benachteiligung von Männern erkennbar ist, ist diese Besetzungsregelung verfassungswidrig.. Hingegen ist eine Regelung, wonach mindestens eine Frau im Direktorium sein muss, nicht nur verfassungsgemäß, sondern auch geboten.“

Nach Auffassung des Deutsche Juristinnenbundes sollte die entsprechende Regelung im Gesetzentwurf zum Direktorium (§ 5 Abs. 2 Satz 1) gestrichen und stattdessen die folgende Festlegung (in § 7 Abs. 1) ergänzt werden: „Das Direktorium ist mit mindestens einer Frau zu besetzen.“.

Die Verabschiedung des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung ist für den 15. April terminiert.

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