KOALITIONSVERTRAG : Die kultur- und digitalpolitischen Pläne von Union und SPD im Wortlaut

8. Februar 2018 // zwd-Redaktion

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht. Am Mittwoch wurde er von den Verhandlungsführer*innen der drei Parteien vorgestellt. Doch was bedeutet die Vereinbarung für die Kultur- und Medienlandschaft? Der zwd veröffentlicht hier die entsprechenden Abschnitte im Wortlaut.

Bild: zwd
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Kunst, Kultur und Medien

Kulturelle Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Kulturelle Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind Ausdruck des menschlichen Daseins. In ihrer Freiheit und Vielfalt bereichern sie unser Leben, prägen unsere kulturelle Identität, leisten einen Beitrag zu gesellschaftlichem Zusammenhalt und zur Integration und schaffen Freiräume für kritischen Diskurs. Kultur ist ein Spiegel unseres Selbstverständnisses, das auf der christlich-jüdischen Prägung, der Aufklärung und dem Humanismus sowie den Grundwerten der Menschenwürde, der Freiheit, der Gerechtigkeit und Solidarität beruht. Eigensinn und Eigenwert künstlerischer und kultureller Produktion bereichern unser Zusammenleben, ermöglicht kritische Debatten und fördert die persönliche Entwicklung jeder und jedes Einzelnen.

Kunst und Kultur sind frei. Sie sind Grundlage unserer offenen, demokratischen Gesellschaft und damit wichtiger Teil unseres Landes, das sich seit seiner Gründung im Herzen Europas nicht nur als Wirtschaftsmacht und Sozialstaat, sondern gerade auch als starker Kulturstaat versteht. Die kulturelle und religiöse Vielfalt Deutschlands bereichert uns, ist aber nicht frei von Spannungen. Gemeinsame Werte, Respekt vor dem Anderen und die Bereitschaft, Widersprüche auszuhalten, sind Voraussetzungen für ein friedliches gesellschaftliches Miteinander. Gerade in Zeiten des Wandels sind eine starke und vielfältige Kunst- und Kulturszene sowie eine moderne und ermöglichende Kulturpolitik unverzichtbar. Sie besitzen die Kraft, Verständnis und Verständigung zu fördern, durch die wir souveräner im Umgang mit Konflikten und Bewährungsproben sind.

Im Sinne des kooperativen Kulturföderalismus stimmen wir die Kulturförderung des Bundes verstärkt mit den Ländern ab. Die Kulturhoheit liegt bei den Ländern. Mit einer fortschrittlichen Kulturpolitik nach innen und außen fördern wir Dialog, Austausch, Verständigung und Kooperation und stärken den Zusammenhalt in einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Mit einer „Agenda für Kultur und Zukunft“ wollen wir die Kulturförderung des Bundes angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen wie Integration, Inklusion, Demografie, Digitalisierung, Gleichstellung, Populismus, Zukunft von Arbeit und Kommunikation gemeinsam mit den Ländern, 7800 Kommunen und der Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Auf diese Weise bekennt sich der Bund zu seiner kultur- und medienpolitischen Verantwortung für ganz Deutschland und zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern. Wir 7803 wollen die Kultur in ihrer föderalen Vielfalt fördern.

Zur Verbesserung der Abstimmung zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden wollen wir das kulturpolitische Spitzengespräch weiterentwickeln und strukturieren. Deshalb erachten wir es als sinnvoll, dieses einmal jährlich auch auf Einladung der für Kultur zuständigen Fachministerinnen und Fachminister der Länder durchzuführen.

Wir werden in der Legislaturperiode einen Bericht zur sozialen und wirtschaftlichen Situation der Künstlerinnen, Künstler und Kreativen zur Gleichstellung und Diversität im Kultur- und Medienbereich in Deutschland vorlegen. Im Rahmen dieses Berichts werden wir weitere Instrumente der Kulturförderung des Bundes prüfen, die auch Bildende Künstlerinnen und Künstler in ihrer besonderen Produktionssituation unterstützen. Flankierend soll im Deutschen Bundestag eine Orientierungsdebatte zur Lage von Kunst und Kultur in unserem Land stattfinden. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Berücksichtigung der Kultur in Debatten zur nachhaltigen Entwicklung auf nationaler und internationaler Ebene ein. Wir wollen Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit in Kunst, Kultur und Medien weiter ausbauen: Mehr Frauen müssen Führungsverantwortung in Kultur- und Medieneinrichtungen übernehmen und künstlerische Leistungen geschlechterunabhängig honoriert werden. Die Besetzung von z. B. Jurys, Gremien hat ausgewogener zu erfolgen, damit das künstlerische Schaffen von Frauen wie Männern angemessen einbezogen werden kann. Wir beziehen bei Stipendienvergaben und Förderentscheidungen auch das Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit ein. Wir wollen den mit dem „Runden Tisch Frauen in Kultur und Medien“ begonnenen Prozess zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit sowie der Verbesserung gleicher Chancen für Frauen und Männer fortführen. Wir unterstützen Maßnahmen für ein diskriminierungs- und gewaltfreies Arbeitsumfeld für Künstlerinnen und Künstler.

Die Koalitionsparteien würdigen das Wirken der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie sind wichtiger Teil unserer Zivilgesellschaft und Partner des Staates. Auf Basis der christlichen Prägung unseres Landes setzen wir uns für ein gleichberechtigtes gesellschaftliches Miteinander in Vielfalt ein. Wir suchen das Gespräch mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften und ermutigen sie zum interreligiösen Dialog, denn das Wissen über Religionen, Kulturen und gemeinsame Werte ist Voraussetzung für ein friedliches Miteinander und gegenseitigen Respekt. Wir werden Antisemitismus entschieden bekämpfen und ebenso anti-islamischen Stimmungen entgegentreten.

Kulturelle Infrastruktur und Kulturförderung

Indem wir Kultur und (kulturelle) Bildung für alle zugänglich machen, im urbanen und ländlichen Gebiet, unabhängig von Einkommen und Herkunft, ermöglichen wir echte Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Deshalb wollen wir einen besseren Zugang zu kulturellen Einrichtungen und Inhalten im analogen wie im digitalen Raum und gemeinsam mit Ländern und Kommunen dafür sorgen, dass die kulturelle Infrastruktur und das kulturelle Erbe erhalten, gestärkt und modernisiert werden. Die auf ganz Deutschland gerichteten Programme zur Förderung von Investitionen, zur zeitgenössischen Kunst- und Kulturproduktion, zur kulturellen Infrastruktur und insbesondere zur freien Kultur sollen mit dem Ziel einer größeren Verteilungsgerechtigkeit gestärkt sowie für Kultur- und Bildungseinrichtungen auf dem Weg ins digitale 21. Jahrhundert geöffnet werden.

Um die kulturelle Infrastruktur in ganz Deutschland zu erhalten und weiter zu entwickeln, sowie bestehende Förderprogramme und bundesgeförderte Einrichtungen eine stärkere Wirkung in der Fläche zu ertüchtigen, wollen wir gemeinsam mit den Ländern folgende Maßnahmen umsetzen:

In einem gesamtdeutschen Katalog werden die durch den Bund geförderten, überregional und gesamtstaatlich bedeutsamen Kultureinrichtungen und -veranstaltungen aufgenommen und damit ihr nationaler und internationaler Rang herausgestellt. Der Bund bekennt sich dazu, kulturelle Projekte von nationaler Bedeutung in allen Teilen Deutschlands maßgeblich zu unterstützen.

Wir wollen das Programm „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland – Invest Ost“ als gesamtdeutsches Programm erweitern. Um eine Stärkung der kulturellen Orte in Städten, Gemeinden und im ländlichen Gebiet, im analogen wie im digitalen Raum zu erreichen, wollen wir die Förderung auch für kommerzielle kulturelle Veranstaltungsorte prüfen. Es wird eine umfassende Digitalisierungsstrategie des Bundes entwickelt, die auch eine mit substanziellen finanziellen Mitteln unterlegte Strategie für die Zukunft von Kultureinrichtungen und ihre digitale Transformation umfasst, unterstützt und fördert. Die Deutsche Digitale Bibliothek ist ein national bedeutsames Projekt, das in enger Vernetzung mit entsprechenden Angeboten der Länder und der EUROPEANA das kulturelle Erbe in Deutschland erschließt. Das Förderkonzept zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes setzen wir gemeinsam mit den Ländern und der Filmwirtschaft zügig um.

Mit einem Programm „Kultur in den Regionen“ fördern wir zeitgenössische Kunst und Kultur. Insbesondere der freien Kultur ermöglichen wir damit deutschlandweit und auch grenzüberschreitend innovative kulturelle und künstlerische Einzelprojekte und Veranstaltungen.

Für eine zeitgemäße und auf die Bedarfe der Kulturszene ausgerichtete Zuwendungspraxis wollen wir eine Vereinfachung und Entbürokratisierung erwirken. Zudem werden wir bewährte Förderinstrumente, wie die Bundeskulturförderfonds, entsprechend ausbauen und die Förderung der internationalen Produktionshäuser nach Evaluierung substantiell stärken.

Das Programm LandKULTUR wollen wir weiterführen und mit anderen kulturpolitischen Zielen, wie z.B. der kulturellen Vermittlung und Integration, noch stärker verknüpfen.

Mit der Förderung von national und international relevanten Festivals wollen wir die vielfältigen Kulturschätze in unserem Land unterstützen.

Die von der Kulturstiftung des Bundes entwickelten erfolgreichen Initiativen zur Stärkung der Kulturarbeit außerhalb der Metropolen sollen fortgesetzt und, wenn möglich, bundesweit ausgebaut werden. Wir werden prüfen, wie der Bund zum Erhalt der vielfältigen Bibliothekslandschaft und ihrer zunehmend gesellschaftlichen Bedeutung beitragen kann. Bibliotheken sollten auch im digitalen Zeitalter ihre zentralen Funktionen für Bildung und Kultur erfüllen können. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Bibliotheksnutzern unter Wahrung der Vertragsfreiheit ein noch besserer Zugang zum Repertoire von E-Books ermöglicht wird.

Die komplementäre Finanzierung von Projekten in besonders finanzschwachen Kommunen kann auf einen Finanzierungsanteil von zehn Prozent reduziert werden

Eine Initiative soll Literatur und deutsche Sprache und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft unterstreichen. Wir bekennen uns zum Schutz und zur Förderung der vier nationalen Minderheiten in Deutschland – Dänen, Sorben, Friesen sowie Sinti und Roma.

Soziale Lage von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen Weil es diejenigen braucht, die Kunst und Kultur schaffen, erarbeiten wir weitere Lösungen für die besondere soziale Schutzbedürftigkeit der Künstlerinnen und Künstler und Kreativen. Deshalb setzen wir uns für die verbesserte soziale Absicherung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen ein.

2018 schaffen wir eine sachgerechte Anschlussregelung beim Arbeitslosengeld für überwiegend kurzbefristet Beschäftigte, die den Besonderheiten der Erwerbsbiografien der in der Kultur Beschäftigten hinreichend Rechnung trägt.

Wir setzen uns für den Erhalt der Künstlersozialversicherung ein und werden prüfen, wie dort der wechselnde Erwerbsstatus vieler Akteure des Kultur- und Medienbereichs besser berücksichtigt werden kann. Dabei ist eine Erweiterung der abgabepflichtigen Verwerter um digitale Plattformen, die eine kommerzielle Verwertung künstlerischer Leistungen ermöglichen, anzustreben.

Hauptstadtkultur

Im kulturellen Selbstverständnis des Landes spielt die Hauptstadt Berlin eine bedeutende, repräsentative Rolle. Die Kulturpolitik des Bundes in und für Berlin ist Ausdruck der Anerkennung der besonderen Rolle und Aufgabe der Hauptstadt, die auch im Grundgesetz ihre Verankerung gefunden hat. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wollen wir gemeinsam mit den Ländern die Stiftung Preußischer Kulturbesitz strukturell an die Anforderungen eines modernen Kulturbetriebs mit internationaler Ausstrahlung auf Grundlage einer Evaluierung durch den Wissenschaftsrat passen. Wir streben an, dass sich das Humboldt Forum weit über seine Museums- und Ausstellungsarbeit hinaus zu einer internationalen Dialogplattform für globale kulturelle Ideen entwickelt.

Kulturelle Bildung

Wir wollen ein gesamtstaatliches Bündnis für kulturelle Bildung und Vermittlung wie Medienkompetenz schließen, um den Zugang zu Kunst, Kultur, Bildung und Medien zu stärken. Kulturelle Bildung hat eine überragende Bedeutung für die individuelle Persönlichkeitsentfaltung wie auch für das Selbstverständnis und die Teilhabe an unserer Gesellschaft. Kulturelle Bildung ist auch ein Schlüsselfaktor der Integration, sie erschließt den Zugang zum gesellschaftlichen Leben. Wir wollen ein gesamtstaatliches Bündnis der inklusiven kulturellen Bildung. Dieses wollen wir mit anderen bestehenden Initiativen zur kulturellen Bildung, wie etwa dem Preis für kulturelle Bildung, wo es sinnvoll ist, bündeln und stärken. Um jedem von Kindesbeinen an Zugang zu kulturellen Angeboten zu ermöglichen, unterstützen wir mit Bundesmitteln die Initiative „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ mit schulischen Angeboten wie Vorlesepaten, Theatern, Musikschulen oder Bibliotheken.

Die Mittel für kulturelle Bildung im Kinder- und Jugendplan des Bundes, für das Freiwillige Soziale Jahr Kultur, den Bundes- und den internationalen Freiwilligendienst „Kulturweit“ wollen wir verstärken.

Soziokulturelle Zentren spielen eine zentrale Rolle für Integration und Teilhabe vor Ort und sollen gestärkt werden.

Wir wollen mehr Menschen für kulturelle Angebote interessieren und begeistern. Der Bund ist daher bestrebt, ausgehend vom Modellversuch eines kostenfreien Eintritts zur Dauerausstellung im Humboldt Forum, in den vom Bund geförderten Kultureinrichtungen vermehrt und regelmäßig den freien Eintritt zu ermöglichen.

Die vom Bund geförderten Kultureinrichtungen sollen das Ziel umfassender kultureller Teilhabe als Kern- und Querschnittsaufgabe in der Organisationsstruktur verankern und nach Möglichkeit in den Bereichen Gremien und Personal, Ansprache des Publikums, Programmgestaltung und Zugänglichkeit ihrer Angebote berücksichtigen. Wir begrüßen, dass Einrichtungen der kulturellen und politischen Bildung des Bundes, auch vor dem Hintergrund der erinnerungspolitischen Arbeit der Geschichtsmuseen des Bundes sowie der Gedenk- und Erinnerungsorte, stärker zusammenarbeiten. Wir wollen die pädagogische Vermittlungsarbeit bei den vom Bund geförderten Museen, Gedenkstätten und anderen Kultureinrichtungen personell und finanziell deutlich stärken.

Gedenken und Erinnern

Ohne Erinnerung keine Zukunft – zum demokratischen Grundkonsens in Deutschland gehören die Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft und der SED-Diktatur, der deutschen Kolonialgeschichte, aber auch positive Momente unserer Demokratiegeschichte.

Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte besonders dafür verantwortlich, die Erinnerung an die Folgen von Diktatur und Gewaltherrschaft wachzuhalten. Dies ist Teil unseres nationalen Selbstverständnisses. Das Gedenken an die beiden deutschen Diktaturen darf nicht mit Verweis auf die jeweilige andere zu einer Relativierung der NS-Terrorherrschaft noch zu einer Bagatellisierung des SED-Unrechts führen.

Wir wollen die dezentrale Erinnerungskultur mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement stärken und zukünftig auch kleinere Initiativen und Gedenkstätten im In- und Ausland besser unterstützen. Wir wollen den Erhalt der authentischen Gedenkorte und Zeugnisse kontinuierlich fördern und Steigerungen der Bundesbeteiligungen bei den Investitionen im Bereich der Erinnerungskultur erreichen. Die Bundesregierung unterstützt vielfältige Aktivitäten und Projekte der Aufarbeitung der NS Terrorherrschaft und der SED-Diktatur, die Toleranz fördern, Sozialkompetenz und Demokratieverständnis stärken, gerade auch in der Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen und im Zusammenwirken mit Zeitzeugen.

Wir wollen vor allem jüngere Menschen dazu bewegen, Gedenkstätten zu besuchen. Deshalb unterstützen wir die Gedenkeinrichtungen bei der Weiterentwicklung ihrer pädagogischen, digitalen und audio-visuellen Vermittlungskonzepte. Eine ethnisch und religiös zunehmend heterogene Zusammensetzung der Besuchergruppen erfordert dabei eine besondere Aufmerksamkeit. Neben der Stärkung der pädagogischen Arbeit wird als ein Teil dieser Förderinitiative das Programm „Jugend erinnert“ ins Leben gerufen, um Austausch und Begegnungen sowie Gedenkstättenfahrten mit entsprechenden Workshops für Schulklassen zu fördern und damit dem wachsenden Antisemitismus und Antiziganismus entgegenzuwirken.

Wir bekennen uns zur Unterstützung der jüdischen Gemeinden. Wir sind dankbar, dass sich in Deutschland nach der Shoah wieder ein reichhaltiges jüdisches Leben entfaltet hat. Nach der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden haben wir Deutschen eine immerwährende Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus.

Bisher weniger beachtete Opfergruppen des Nationalsozialismus wollen wir anerkennen und ihre Geschichte aufarbeiten. Wir stärken in der Hauptstadt das Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskrieges im Osten im Dialog mit den osteuropäischen Nachbarn.

Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas soll noch besser in die Lage versetzt werden, Initiativen, insbesondere in Osteuropa, zu bestehenden Gedenkorten bei ihrer Aufarbeitungsarbeit zu unterstützen oder Initiativen für die Erforschung noch unbekannter Orte des Holocaust zu fördern. Auch die fortgesetzte Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien, Bundesbehörden sowie des Deutschen Bundestags wird weiter unterstützt.

In Zusammenarbeit mit Opferverbänden und Gedenkstätten wollen wir insbesondere die nachwachsenden Generationen ohne eigene Diktaturerfahrung für das Unrecht der SED-Diktatur sensibilisieren. Das Stasiunterlagengesetz hat sich bewährt. Die Überprüfungsmöglichkeit auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Stasitätigkeit im öffentlichen Dienst soll für einen weiter zu beschränkenden Personenkreis bis zum 31. Dezember 2030 verlängert werden. Im Lichte der Ergebnisse der Expertenkommission und im Benehmen mit den Opferverbänden werden wir die Stasiunterlagenbehörde zukunftsfest machen. Den durch SED-Unrecht Geschädigten steht auch in Zukunft eine gesellschaftliche Anerkennung und Rehabilitierung zu. Deshalb wird die Koalition die Fristen in den 8046 Rehabilitationsgesetzen streichen.

Die Koalitionsparteien werden eine vom Deutschen Bundestag zu beschließende Konzeption zur Förderung der Orte deutscher Demokratiegeschichte erarbeiten. Auf Grundlage der Bundestagsbeschlüsse wollen wir mit einem Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin und in Leipzig an die positiven Momente unserer Demokratiegeschichte erinnern.

In dieser Legislaturperiode begehen wir u. a.: 70 Jahre Grundgesetz, 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, 100 Jahre Frauenwahlrecht, 100 Jahre Weimarer Republik, 30 Jahre Friedliche Revolution und 30 Jahre Deutsche Einheit. Gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn wollen wir daran erinnern. Nicht nur angesichts dieser wiederkehrenden Anlässe des Gedenkens soll Geschichts- und Erinnerungspolitik verstärkt und auch als Thema der Auswärtigen Kulturpolitik etabliert werden.

Kulturelles Erbe, Kolonialismus, Flucht und Vertreibung

Das immaterielle und materielle Erbe, welches in unseren Museen, Bibliotheken und Archiven bewahrt wird, ist bedeutsam für die integrierende Kraft der Kultur sowie Ausdruck unserer Identität. Dies ist auch über das Europäische Kulturerbejahr 2018 hinaus Motivation, es für nachkommende Generationen zu erhalten.

Wir werden auch künftig mit Nachdruck eine umfassende Provenienzforschung in Deutschland vorantreiben. Wir begrüßen, dass das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste seine Ergebnisse zunehmend öffentlich macht.

Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Washingtoner Erklärung von 1998 appellieren wir an alle öffentlichen kulturbewahrenden Einrichtungen und auch an Privatpersonen in Deutschland, sich einem Begehren auf Anrufung der „Beratenden Kommission“ für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter nicht zu verschließen. Die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen wollen wir – insbesondere auch über das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund – mit einem eigenen Schwerpunkt fördern. Der Ankaufetat von Kulturgut, das für die deutsche Kunst und Geschichte von besonderer Bedeutung ist, soll fortgeführt werden.

Wir setzen die Programme zum Erhalt des schriftlichen Kulturgutes fort. Unser kulturelles Gedächtnis muss im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Zerfall gerettet werden.

Wir wollen die Aufgabe der Sicherung der schriftlichen Überlieferung der Bundesrepublik für Wissenschaft, Forschung und Öffentlichkeit durch das Bundesarchiv fördern, indem wir, wo erforderlich, in Bundesgesetzen mit Löschungsvorschriften eine Anbietungspflicht für Unterlagen prüfen.

Es soll ein Programm kultureller Denkmalschutz aufgelegt werden, das unter angemessener Kofinanzierung die Sanierung und Restaurierung von Gebäuden und Denkmälern in der Fläche weiterhin fördert. Den Erhalt des baukulturellen Erbes über die Förderung von Denkmalschutz und -pflege wollen wir im Zusammenwirken mit den Ländern und unter Einbezug von Stätten der Industriekultur fortsetzen und ausbauen, ebenso wie die Förderung der UNESCO-Welterbestätten im Inland sowie das Kulturerhalt-Programm im Ausland. Der Masterplan für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten soll weitergeführt werden.

Das kulturelle Erbe der Deutschen in Mittel- und Osteuropa und das Kulturgut der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler sind wichtige Bestandteile der kulturellen Identität Deutschlands. Wir wollen die im Sinne des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes tätigen Einrichtungen gemeinsam mit den Heimatvertriebenen, Aussiedlern und deutschen Minderheiten als Träger dieses Erbes sowie im Sinne der europäischen Verständigung für die Zukunft ertüchtigen und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen stärken. Wir wollen außerdem dafür Sorge tragen, dass die Konzeption der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in der aktuellen Legislaturperiode erfolgreich umgesetzt und weiterhin europäisch ausgerichtet wird. Die Koalitionsparteien sehen die historische Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung als gesamtgesellschaftliches Anliegen. Um dem Anspruch einer gemeinsamen europäischen Aufarbeitung des von Diktaturen und Gewalterfahrungen geprägten 20. Jahrhunderts gerecht zu werden, will die Koalition das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität stärker unterstützen und profilieren.

Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur Beschäftigungs- und Wachstumstreiber, sondern auch Impulsgeber für gesellschaftliche Erneuerung und zukünftige Entwicklungen in unserer Arbeitswelt, Wirtschaft, Kultur, Bildung und Gesellschaft.

Wir streben eine Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft und die Erweiterung der Innovations- und Außenwirtschaftsförderung und die Weiterentwicklung von Finanzierungs- und Förderinstrumenten an, um inhaltebezogene und immaterielle Innovationen, Leistungen und Produkte der Kreativwirtschaft anzusprechen. Weiterhin wollen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für künstlerisches und kreatives Schaffen im Urheberrecht verbessern. Die Verbindung kultureller Angebote mit der Kreativwirtschaft trägt dazu bei, Städte und Regionen attraktiver zu machen.

Mit Blick auf die kulturellen und medialen Herausforderungen unserer Zeit brauchen wir ein starkes Urheberrecht zum Schutz des geistigen Eigentums, das bestehende Rechtspositionen im digitalen Umfeld besser schützt, zugleich aber auch die Rahmenbedingungen für kreatives Schaffen, Verwerten und Nutzen verbessert und die Verantwortlichkeit der Plattformen verbindlich beschreibt. Die europäischen Bemühungen um eine Urheberrechtsreform dürfen nicht hinter den deutschen Rechtsstandard zurückfallen.

Wir wollen digitale Plattformen und Intermediäre an der Refinanzierung der kulturellen und medialen Inhalteproduktion angemessen beteiligen. Hierzu streben wir mit Blick auf Art. 13 der Urheberrechts-Richtlinie einen Ausgleich der Interessen von Urhebern, Nutzern und Plattformbetreibern an und werden einen Vorstoß zur Überarbeitung des Haftungsprivilegs in der E-Commerce-Richtlinie prüfen.

Wir setzen uns auch auf europäischer Ebene für die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bei gewerblich gehandelten Kunstgegenständen, E-Books, E-Papers und anderen elektronischen Informationsmedien ein. Wir wirken darauf hin, dass der ursprüngliche gesetzgeberische Wille für den Kunsthandel aus dem Jahr 2014 verwirklicht wird.

Film, Games und Musikwirtschaft

Der Film ist ein bedeutendes Kultur- und Wirtschaftsgut. Wir wollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Film- und Medienstandortes Deutschland in seiner thematischen und regionalen Vielfalt nachhaltig sicherstellen. Wir wollen eine Gesamtbetrachtung der audiovisuellen Industrien von Bund und Ländern.

Wir wollen die kulturelle und wirtschaftliche Filmförderung mindestens auf dem aktuellen Niveau fortsetzen. Wir wollen die Förderinstrumente, insbesondere den Deutschen Filmförderfonds I und II sowie den German Motion Picture Fund, besser aufeinander abstimmen und mit den Möglichkeiten von German Films, der Außenkultur und Außenwirtschaftsförderung besser verzahnen. Wir wollen eine umfassende Förderung audiovisueller Inhalte (Kino, Serien, High-End TV, VFX, Animation, Virtual Reality) einführen, um den Produktionsstandort Deutschland weiter zu stärken und eine Abwanderung deutscher Produktionen ins Ausland zu verhindern. Wir prüfen die Einbeziehung weiterer Verwertungsformen audiovisueller Inhalte, wie z. B. Streaming-Dienste, in die solidarische Filmförderung (FFG).

Damit der kulturell anspruchsvolle Kinofilm in der Fläche wirkt, wollen wir den Kulturort Kino auch außerhalb von Ballungsgebieten durch ein kofinanziertes „Zukunftsprogramm Kino“ stärken und erhalten.

Wir wollen seitens des Bundes eine Förderung von Games zur Entwicklung hochwertiger digitaler Spiele einführen, um den Entwicklerstandort Deutschland zu stärken. Den Deutschen Computerspielpreis wollen wir unter Beteiligung der Games-Branche weiterentwickeln und stärken. Die Musikwirtschaft hat insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in der Digitalisierung eine wesentliche Vorbildfunktion innerhalb der Kreativwirtschaft. Wir wollen ihre kulturellen und wirtschaftlichen Grundlagen festigen, ihre gemeinsamen Plattformen ausbauen und ihre internationale Wahrnehmbarkeit stärken.

Digitalisierung

Die Digitalisierung bietet große Chancen für unser Land und seine Menschen. Chancen für Wohlstand und sozialen Fortschritt. Unsere Aufgabe ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit jeder daran teilhaben kann.

Angesichts der Dynamik der Veränderung müssen wir große Schritte wagen, um an die Spitze zu kommen. Wir wollen unser Land in allen Bereichen zu einem starken Digitalland entwickeln.

  • Dafür setzen wir uns anspruchsvolle Ziele:
  • eine flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse,
  • die Vermittlung von digitalen Fähigkeiten als Schlüsselkompetenz für alle Altersgruppen,
  • eine Arbeitswelt, die Menschen im digitalen Wandel befähigt, sichert und mehr Lebensqualität ermöglicht,
  • eine Regulierung, die Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit schafft,
  • mehr Sicherheit im Cyberraum,
  • mehr Bürgernähe durch eine moderne, digitale Verwaltung,
  • einen Rechtsrahmen, der Bürgerrechte garantiert, einen Ausgleich von Freiheit und Sicherheit leistet und gleichzeitig mehr Innovationen ermöglicht.

Wir wollen Neugier auf digitale Technologien wecken und Souveränität im Umgang mit ihnen schaffen. Wir sind überzeugt, dass sie das Leben der Menschen verbessern können und brauchen sie als Antwort auf die großen und globalen Herausforderungen. Um sie zu lösen, wollen wir Deutschland und Europa beispielgebend für die Leistungsfähigkeit und Strahlkraft freier Gesellschaften im digitalen Zeitalter gestalten.

Digitale Kompetenzen für alle Bürgerinnen und Bürger in einer modernen Wissensgesellschaft

Wir brauchen eine Digitale Bildungsoffensive, die die gesamte Bildungskette in den Blick nimmt und das gesunde Aufwachsen, die digitale Selbstbestimmung und individuelle aktive Teilhabe, den Umgang mit Daten sowie die hervorragende berufliche Bildung zum Ziel hat. Dafür müssen Bund und Länder verbindliche Vereinbarungen zu Zielen, Umsetzung und Finanzierung treffen. Mit dem mit fünf Milliarden dotierten Digitalpakt#D zielen Bund und Länder auf die flächendeckende digitale Ausstattung aller Schulen, damit die Schülerinnen und Schüler in allen Fächern und Lernbereichen eine digitale Lernumgebung nutzen können. In diesem Zusammenhang wollen wir eine nationale Bildungsplattform schaffen, die auch eine offene Schnittstelle für das Zusammenwirken mit bestehenden Lernplattformen und Cloudlösungen anbietet. Im Rahmen einer umfassenden Open Educational Resources-Strategie wollen wir die Entstehung und Verfügbarkeit, die Weiterverbreitung und den didaktisch fundierten Einsatz offen lizenzierter, frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien fördern und eine geeignete Qualitätssicherung etablieren. Auch werden wir regionale Kompetenzzentren für Digitalisierung etablieren und diese mit bestehenden Akteuren und Initiativen vor Ort vernetzen. Ziel der Zentren ist es, technisches und pädagogisches Know-how zu vermitteln sowie Best Practice vorzustellen.

Wir wollen umfassende Maßnahmen zur digitalen Fort- und Weiterbildung von Lehrern und Berufsschullehrern, auch in Zusammenarbeit mit den Hochschulen, ergreifen.

Die Förderung außerschulischer Medien- und Digitalbildungsprojekte für Kinder und Jugendliche wollen wir ausbauen. Wir werden in einem jährlichen Wettbewerb besondere Medien- und Digitalbildungsprojekte auszeichnen.

Im Bereich der beruflichen Bildung kommt neben dem praxisnahen Einsatz digitaler Elemente im Unterricht der Ausstattung zeitgemäßer Lehrwerkstätten eine besondere Bedeutung zu. Wir wollen eine zukunftsfähige Ausbildung für die Entwicklung der vernetzten Produktion unterstützen und den Einsatz adaptiver Lernsysteme und „Serious Games“ in der Berufsbildung schaffen. Die Ausbildungsordnungen und die Befähigungen der betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder müssen die fortschreitende digitale Entwicklung kontinuierlich nachvollziehen. Auch dazu werden wir das Berufsbildungsgesetz weiterentwickeln. In der Erwachsenenbildung wollen wir Programme und digitale Angebote für Menschen jeden Lebensalters fördern, die dem Erwerb von Digitalkompetenzen dienen, z. B. auch an Volkshochschulen und in Mehrgenerationenhäusern.

Wir wollen dafür sorgen, dass auch an Hochschulen mehr Online-Lernangebote und digitale Inhalte entstehen. Alle Studierenden brauchen künftig digitale Kompetenzen. Sie sollen digitale Wissens- und Lernangebote selbstständig nutzen und gestalten können sowie Datenanalyse und grundlegende Programmierkenntnisse beherrschen. Wir wollen, dass sich die Universitäten und Hochschulen öffnen und auf digitale Lehr- und Lernangebote zugreifen sowie selber bereitstellen. Dabei sollen z.B. Nano-Degrees (auch im Rahmen von Weiterbildungsstudienangeboten) an staatlichen Hochschulen erworben werden können.

Deutschland muss ein Innovationsland bleiben. Deshalb vereinbart der Bund gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft, bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Den Pakt für Forschung und Innovation setzen wir ab dem Jahr 2021 mit einem jährlichen Aufwuchs von mindestens drei Prozent auf Basis der bewährten Bund-Länder-Schlüssel fort.

Die Hightech-Strategie wird weiterentwickelt und auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen fokussiert. Dabei werden wir neue Instrumente zur Förderung von Sprunginnovationen und des Wissenstransfers in die Wirtschaft entwickeln. Umfassende Technologieoffenheit in der Forschungsförderung ist ein wichtiges Grundprinzip unserer Forschungspolitik. Wir brauchen eine Ausbildungs- und Forschungsoffensive in allen Digitalisierungsfeldern. Als besonders wichtig erachten wir Innovation, digitale Souveränität und Interdisziplinarität. Die Schwerpunkte der Mikroprozessortechnik und IT-Sicherheit wollen wir weiter stärken. Dazu kommen weitere Forschungsschwerpunkte wie künstliche Intelligenz, Data Science, Digital Humanities sowie Blockchaintechnologie, Robotik und Quanten-Computing. Es gilt heute Data Science in allen Bereichen, insbesondere aber in den Hochschulen, auszubauen. Dazu muss der Umgang mit Daten zu einem zentralen eigenen Wissenschaftsfeld und einer eigenen Disziplin werden. Den digitalen Wandel als gesamtgesellschaftlichen Entwicklungs- und politischen Gestaltungsprozess begleiten wir u.a. mit der Arbeit des Weizenbaum Instituts.

Gute digitale Arbeit 4.0

Die Bundesregierung sieht sich in der Verantwortung, die Digitalisierung weiterhin aktiv und unter Einbeziehung der Sozialpartner zu gestalten. Weiterbildung ist der Schlüssel, damit die Beschäftigten sich den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt stellen und den sich immer schneller verändernden Qualifikationsanforderungen gerecht werden können.

Wir werden mit allen Akteuren eine Nationale Weiterbildungsstrategie für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende entwickeln, um alle Weiterbildungsprogramme des Bundes und der Länder zu bündeln und eine neue Weiterbildungskultur zu etablieren. Über die Bundesagentur für Arbeit erhalten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht auf Weiterbildungsberatung. Wird ein Weiterbildungsbedarf jenseits der betrieblichen Weiterbildung festgestellt, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen in der Verantwortung, diesem zu entsprechen. Dies wollen wir fördern, indem zukünftig Zuschüsse des Arbeitgebers zur Weiterbildung generell dann keinen Lohn oder geldwerten Vorteil darstellen, wenn sie der allgemeinen Beschäftigungsfähigkeit dienen. Arbeitnehmer brauchen mehr Möglichkeiten, ihre berufliche Weiterentwicklung auch in Eigenverantwortung zu organisieren. Wir werden gemeinsam mit den Sozialpartnern prüfen, wie das Instrument der Langzeitkonten mehr Verbreitung finden kann. Sie können ebenso wie andere Guthaben ein Instrument sein, die für Qualifizierung genutzt werden können. Wir werden neue Finanzierungsformen für außerbetriebliche Weiterbildung prüfen, die in Modellversuchen erprobt werden sollen. Betrieblicher Mitbestimmung kommt auch im digitalen Wandel große Bedeutung zu. Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung werden wir stärken.

Wir wollen einen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen, Beschäftigte und die Tarifpartner den vielfältigen Wünschen und Anforderungen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden können. Wir wollen Familien in ihrem Anliegen unterstützen, mehr Zeit füreinander zu haben und die Partnerschaftlichkeit zu stärken. Wir werden dazu Modelle entwickeln, mit denen mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann. Die Chancen der Digitalisierung wollen wir nutzen, um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen.

Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen.

Arbeitsschutz und Innovation wollen wir zusammen denken. Deutschland soll zu einem führenden Markt für Assistenzsysteme werden, die Inklusion ermöglichen sowie lern- und gesundheitsförderlich sind. Daher wird ein Anwendungsprogramm „Assistenzsysteme für kleine und mittlere Unternehmen“ aufgelegt.

Die Einführung digitaler Arbeitsprozesse wie die E-Akte führen zu mehr Transparenz. Dadurch können zum einen Steuerungsinstrumente zur Optimierung entwickelt werden und zum anderen besteht die Sorge vor dem gläsernen Mitarbeiter. Daher wollen wir Klarheit über Rechte und Pflichten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen sowie die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten sicherstellen (Beschäftigtendatenschutz).

Das Statusfeststellungsverfahren für Selbstständige wollen wir vereinfachen und zwischen den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung widerspruchsfrei ausgestalten.


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