STARKE-FAMILIEN-GESETZ IM BUNDESTAG : Ein „Starke-Bürokratie-Gesetz“ auf dem Weg?

14. Februar 2019 // Monica Dick

Die erste Lesung zum von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) vorgelegten Entwurfs eines "Starke-Familien-Gesetzes" hat am Donnerstagmorgen für Diskussionen im Bundestag gesorgt. Die Opposition befürchtet weitere bürokratische Hürden für Leistungsbezieher*innen. Allen voran der Linken reichen die Bestrebungen der Koalition nicht aus, um einkommensschwache Familien finanziell zu stärken und Kinderchancengleichheit zu befördern.

Sprachen im Bundestag zum Starke-Familien-Gesetz: Dietmar Bartsch (Linke), Franziska Giffey (SPD) und Grigorios Aggelidis (FDP). - Bild: zwd
Sprachen im Bundestag zum Starke-Familien-Gesetz: Dietmar Bartsch (Linke), Franziska Giffey (SPD) und Grigorios Aggelidis (FDP). - Bild: zwd

zwd Berlin. Für den Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch ist der Entwurf der Bundesregierung für eine passgenaue Familienunterstützung längst nicht genug im Kampf gegen Kinderarmut: Gerade bürokratische Stolpersteine in der Antragstellung für familien- und kinderbezogene Zusatzleistungen sieht er als Kernproblem des Gesetzentwurfs. Lediglich ein Ausbau undurchsichtiger Bürokratie und nicht die nötige Hilfeleistung für Familien seien dadurch veredelt. Auch Grigorios Aggelidis von den Freien Demokraten bezeichnete die Namensgebung des Gesetzes als „nichts anderes als Realsatire.“ Gerade der alle sechs Monate angeforderte Nachweis über die Bedürftigkeit nannte er im Plenum "ungerecht und familienfeindlich". Die Oppositionsfraktionen sind sich einig, dass die daraus resultierende magere 30-Prozent-Inanspruchnahmequote der Zusatzleistungen von finanziell schlecht gestellten Familien eine Folge der Intransparenz bei der bürokratischen Beantragung sowie der mangelnden Bekanntheit der Fördermittel sei. Gemäß ihres bereits in dieser Woche eingereichten Antrags sprach sich die Grünen-Fraktion für eine Auflösung des Bildungs- und Teilhabepaktes aus. Die Abgeordnete Katja Dörner plädierte auf eine automatische Auszahlung einer Kindergrundsicherung an Familien - ganz ohne bürokratischen Aufwand.

Kernziele: Familienentlastung und Bekämpfung von Kinderarmut

"Mit dem neuen Gesetz wollen wir vier Millionen von 13 Millionen Kindern aus der finanziellen Not verhelfen“, bekräftigte Giffey ihrerseits die Motivation für den Gesetzentwurf in Zusammenarbeit mit dem Bundesarbeitsministerium. So führte sie als Kernziele die Familienentlastung sowie die Bekämpfung von Kinderarmut in der Bundesrepublik an. Um das Vorhaben auf den Weg zu bringen, fußt das Starke-Familien-Gesetz auf einer Erhöhung des Kinderzuschlags, welcher Eltern unterstützen soll, die zwar eigenes Einkommen erarbeiten, aber trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen, sowie auf dem Ausbau des Bildungs- und Teilhabepakets. Letzteres sieht seit 2011 eine gesteigerte Übernahme der Kosten von beispielsweise Sportangeboten, Lernförderungen und Schulmaterialien vor. Konkret hieße das: Eine Erhöhung des Kinderzuschlags von 170 Euro auf 185 Euro sowie Zusatzleistungen wie kostenloses Schulmittagessen oder Sportfördermittel von 15 Euro statt wie bisher 10 Euro. Allen voran Alleinerziehenden und Müttern, die finanziell benachteiligt werden, solle nun mit dem neu ausgerichteten Gesetz geholfen werden. Die Bundesfamilienministerin rechnet bei einer Verabschiedung des Gesetzes mit einem Zuwachs der Auslagen an zwei Millionen Bezieher*innen anstelle der derzeitigen 800.000 in der Bundesrepublik, die Ausgaben von zusätzlich einer Milliarde Euro in den kommenden Jahren bedeuteten.

„Leistung soll sich lohnen“

Die Koalition sei sich über die Notwendigkeit einer Neugestaltung des Kinderzuschlags und Verbesserung des Bildungs- und Teilhabepakets bewusst, wie die stellvertetende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), erklärte. Sie sprach sich in diesem Zuge für eine Abschaffung der bisherigen „harten Abbruchkante“ aus. Bei dieser greifen ab einem bestimmten Einkommenssatz die Fördermittel nicht oder enden durch andere Einkommensleistungen wie Unterhaltszahlungen in Abzügen. Der vorgelegte Gesetzentwurf beachte hingegen die Wechselwirkungen dieser Leistungen mit Kindergeld, Wohngeld, Unterhalt, Unterhaltsvorschuss- und Grundsicherungsleistungen. Auch zusätzliches Einkommen wie ein Ferienjob solle nicht wie bisher Zuschüsse tilgen, denn, so Schön, „Leistung soll sich lohnen.“

Die Oppositionsfraktionen forderten die Bundesregierung in der Debatte auf, eine zielgenaue und bedarfsorientierte Regelung auf den Weg zu bringen, die unter vereinfachten Konditionen für jeden anwendbar ist. Ob das Gesetz, wie von der Großen Koalition geplant, schon im Juli dieses Jahres in Kraft treten kann, soll am morgigen Freitag im Bundesrat weiter verhandelt werden.

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