33. GLEICHSTELLUNGS- UND FRAUENMINISTERINNEN-KONFERENZ (1) : Länder befürworten Bundesgesetz zur Umsetzung der Istanbul-Konvention

19. Juni 2023 // Holger H. Lührig

Die 33. Gleichstellungs- und Frauenministerinnen-Konferenz begrüßt das Vorhaben von Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne), noch in dieser Legislaturpoeriode das Recht auf Schutz und Beratung in Umsetzung der Istanbul-Konvention durch ein Bundesgesetz zu regeln. Bund. Länder und Kommunen seien in der Pflicht, für die dauerhaft auskömmliche Finanzierung einer tragfähigen Infrastruktur des Hilfesystems zu sorgen.

Abschlusspressekonferenz zur 33. GFMK (v.l.n.r): Staatssekretärin Leidig (BW), Bundesministerin Paus, MInisterin Nonnemacher (BB, Vorsitz),
Abschlusspressekonferenz zur 33. GFMK (v.l.n.r): Staatssekretärin Leidig (BW), Bundesministerin Paus, MInisterin Nonnemacher (BB, Vorsitz),

"Gemeinsam auf allen Ebenen gegen Sexismus und Gewalt an Frauen"

Ein zentrales Thema der 33. GFMK war die Forderung nach Beseitigung geschlechtsbezogener Ungleichheiten, tradiertem Frauenhass und toxischer Männlichkeit, also am Festhalten an traditionell männlichen Denk- und Verhaltensweisen. Ausgangspunkt der Entschließung waren die aktuell veröffentlichten Ergebnisse der Befragung „Spannungsfeld Männlichkeit“ von Plan International, die von der GFMK mit großer Besorgnis zur Kenntnis genommen wurde. Als besonders erschreckend wurde die hohe Akzeptanz von Gewalt gegenüber Partnerinnen unter den befragten jungen Männern zur Kenntnis genommen. Unabhängig von der Kontroverse um die Methode dieser Befragung wird in Ergänzung zu anderen Umfragen und Studien nach Auffassung der GFMK in alarmierender Weise deutlich, dass rückwärtsgewandte, sexistische sowie homophobe Einstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung geteilt werden.

Ein entsprechender Entschließungsantrag des Landes Brandenburg wurde von allen Bundesländern unterstützt und einstimmig beschlossen (Wortlaut siehe gesonderte Meldung "Das Beschlusspaket der GFMK"). In der Pressekonferenz stellte die GFMK-Vorsitzende Ursula Nonnemacher in einem Statement fest:

„Sexismus ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Er würdigt Menschen aufgrund ihres Geschlechts herab. Um sexistisches Denken langfristig aus Köpfen und Strukturen zu verbannen, sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefragt! Es braucht Veränderungen in der Kultur und in den Leitbildern, Richtlinien und Regeln von Unternehmen, staatlichen Institutionen und zivil[1]gesellschaftlichen Organisationen. Dazu gehören auch eine partnerschaftliche Verteilung von Sorgearbeit und das Aufbrechen von Geschlechter-Stereotypen.“

Am 16. Februar 2023 hat Bundesfrauenministerin Lisa Paus als Schirmherrin das Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ gestartet. Ziel ist es, Sexismus und sexuelle Belästigung zu erkennen und wirksame Gegenmaßnahmen zu verankern. Zur Zielgruppe der Initiative gehören Verbände, Unternehmen, Politik, Verwaltung, Medien, Kultur und Zivilgesellschaft. (Internet: www.gemeinsam-gegen-sexismus.de)

In Potsdam erklärte die Bundesministerin bei der Abschlusspressekonferenz:

„Gewalt gegen Frauen gehört auch in Deutschland zur bitteren Realität und sie betrifft alle Gesellschaftsschichten. Frauen brauchen verlässlichen Schutz vor häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Und sie brauchen gute und fachliche Beratung. Jeden Tag arbeiten zahlreiche Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen hochqualifiziert und engagiert für den Schutz von Frauen und dennoch: Der Ist-Zustand reicht nicht. Weiterhin finden nicht alle Frauen mit ihren Kindern die Hilfe, die sie brauchen. Wir müssen den staatlichen Schutzauftrag besser ausfüllen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, denn Schutz darf keine Frage des Wohnortes, der körperlichen Verfassung oder des Aufenthaltsstatus sein. Schutz darf auch keine Frage des Einkommens oder der Muttersprache sein.“

Ihr Haus, unterstrich Paus, arbeite aktuell an einem Gesetz, mit dem das Recht insbesondere gewaltbetroffener Frauen auf Schutz und Beratung abgesichert werden soll.

Die Staatssekretärin Dr. Ute Leidig, die das Land Badden-Württemberg in der GFMK vertritt, wies auf einen Antrag ihres Landes hin, wonach sich der Bund verstärkt des Problems der häuslichen Gewalt annehmen müsse, die "im digitalen Raum fortgesetzt, erweitert und verstärkt" werde. Gewalt ist nach den Worten Leidigs "immer noch eine der größten Hürden auf denm Weg zur Gleichstellung der Geschlechter". Baden-Württemberg wird im kommenden Jahr die 134. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenminister:innen als Vorsitzland ausrichten.

Entgeltgleichheit: "Das Gesetz wirkt kaum"

Die Entgeltgleichheit von Frauen und Männer war wie schon bei vorangegangenen GFMK-Treffen erneut Thema. Das Entgeltgleichheitsgebot – „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ – ist seit Jahrzehnten europa- und verfassungsrechtlich verankert und durch nationale Gesetze konkretisiert. Ungeachtet dessen beträgt die europa- und verfassungswidrige geschlechtsspezifische Entgeltlücke (sog. Gender Pay Gap) zwischen Frauen und Männern in Deutschland in der unbereinigten Erhebung im Jahr 2022 immer noch 18 Prozent. Mit diesem Ergebnis liegt Deutschland mit wenigen anderen Mitgliedstaaten deutlich über dem aktuellen EU-Durchschnitt von 13 Prozent. Das Entgelttransparenz-Gesetz von 2017 hat nach den Worten der GFMK-Vorsitzenden Nonnemacher den gravierenden Nachteil, dass die wesentlichen Elemente nur in Betrieben ab 200 Beschäftigten gelten, zum Beispiel ein Auskunftsanspruch für Beschäftigte. Nonnemacher zieht daraus das Resüme: „Wir müssen feststellen, dass das Gesetz praktisch kaum wirkt. Deshalb ist vor dem Hintergrund der Entgelttransparenz-Richtlinie der EU mit deutlich strengeren Kriterien eine Novelle des Gesetzes dringend erforderlich.“

Geschlechtergerechtigkeit im Strukturwandel

Die Gestaltung des Kohleausstiegs und des damit verbundenen Strukturwandels in Regionen wie der Lausitz oder dem Ruhrgebiet ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Geschlechter. Frauen sind von diesem Strukturwandel besonders betroffen. Nach Überzeugung von Ministerin Nonnemacher bietet die Umverteilung von Ressourcen in finanziell und politisch geförderten Strukturwandelprozessen, wie aktuell in den Kohlerevieren, eine große Chance, ungleiche Machtverhältnisse zu überwinden. Für solche Transformationsprozesse stünden erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung:

„Aber oft sind es fast ausschließlich Männer, die über die Verwendung der Gelder entscheiden. Wenn Strukturwandel gelingen soll, müssen die Interessen von Frauen von Anfang an auch beim Mitteleinsatz berücksichtigt werden. Sie sind zentrale Akteurinnen des Wandels.“ (Nonnemacher)

Siehe auch GFMK (2)

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