RECHTSAUSSCHUSS : Streit um Schwangerschaftsabbruchsgesetze: Öffentliche Anhörung zu § 219a

27. Juni 2018 // Julia Trippo

Die hitzige Debatte um den umstrittenen Paragraphen 219a geht heute Abend in eine neue Runde: Expert*innen sprechen im Rechtsausschuss des Bundestags zum Paragraphen, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Linke, Grüne und FDP hatten zuvor Gesetzentwürfe eingebracht.

Cornelia Möhring - Bild: cornelia-moehring.de
Cornelia Möhring - Bild: cornelia-moehring.de

zwd Berlin. Die Linke hatte bereits am 22. November letzten Jahres einen Gesetzentwurf zur Streichung des Paragraphen eingereicht. FDP und Grüne folgten mit eigenen Entwürfen. Während die Linke und Grüne eine Aufhebung des Paragraphen fordern, setzt sich die FDP für eine Änderung des Strafbestandes ein. Dies beinhaltet, dass nur noch Werbung für einen strafbaren Schwangerschaftsabbruch und grob anstößige Werbung rechtlich geahndet werden sollen. Auch die SPD hatte einen entsprechenden Gesetzesentwurf, zog diesen jedoch auf Bitten des Koalitionspartners CDU/CSU zurück. Die Unionsfraktion hatte außerdem mehrmals im Rechtsausschuss die Terminfindung blockiert.

Heute wird es schließlich zu einer öffentlichen Anhörung kommen. Expert*innen werden im Rechtsausschuss zu dem von Frauenrechtsaktivist*innen kritisierten Paragraphen Stellung nehmen. Der von der SPD-Fraktion nominierte Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert in einer Stellungnahme eine Neureglung innerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts. Eine Reglung zu erhalten, die Ärtz*innen kriminalisiert, sei ein lösungsbedürftiges Problem. Ulle Schauws, die Sprecherin für Frauenpolitik der Grünen, erklärte in einem Statement, dass eine Abschaffung des Paragraphen 219a absolut notwendig ist, um Informationsfreiheit und ein uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht zu gewährleisten.

Die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Cornelia Möhring, möchte indes einen weiteren Schritt wagen. Sie findet, dass die derzeitige gesellschaftliche Debatte um Schwangerschaftsabbrüche und den Paragraphen 219a weitergeführt werden muss. Deshalb will die Linksfraktion nach der Sommerpause einen Antrag zum Ausbau des Beratungsrechts im Bundestag einreichen.


Das gesamte Interview lesen Sie hier:

zwd Politikmagazin: In ganz Europa kann man momentan einen enormen Rechtsdruck verspüren – auch auf Kosten der Frauenrechte. Wie wichtig ist es gerade jetzt für Deutschland, sich in Hinblick auf das Abtreibungsgesetz zu positionieren?

Cornelia Möhring, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Linken: Genau aus dem Grund, den Sie eben angesprochen haben. Gerade weil es einen enormen Rechtsdruck gibt und der auch immer mit dem Abbau von Frauenrechten verbunden ist, halte ich es für unbedingt notwendig, dass wir in Deutschland da eine klare Positionierung haben. Die kann nur so aussehen, dass Frauenrechte und das Recht auf Selbstbestimmung über unsere Körper gestärkt wird. Das würde für mich bedeuten, dass wir einen Schritt machen und Paragraph 219a aus dem Strafgesetzbuch streichen.

zwd: Welche Konsequenzen hätte die Streichung des Paragraphen 219a?

Möhring: Die Diskussionen um die Streichung des Paragraphen 219a haben gezeigt, dass es offensichtlich schwer ist die Informationen von Ärzten und Ärztinnen zu erlauben. Dies wird verbunden mit einem neuerlichen Angriff auf die Selbstbestimmungsrechte von Frauen insgesamt. Es hat auch gezeigt, dass es eben nicht ausreicht, wenn Frauen eine Liste vorgelegt bekommen zu welchem Arzt sie gehen können, sondern dass sie Beratung brauchen. Beratung brauchen sie vor Allem, um sich über die medizinischen Verfahren im Klaren zu werden. Diese Information wird benötigt um unabhängig von Druck zu einer Entscheidung zu kommen - aber zu dieser Entscheidung müssen sie selber kommen. Da ist ein Beratungsrecht wichtig und eine Beratungspflicht hinderlich. Deswegen wollen wir die Beratungspflicht abschaffen aber durch einen Ausbau des Beratungsrechtes stärken.

Ich finde, dass die gesellschaftliche Debatte dazu herausfordert, dabei nicht stehen zu bleiben, weil wir ja doch klar erkannt haben, dass auch die Streichung des Paragraphen 219a trotzdem nicht dazu führt, dass Frauen selbstbestimmt über ihre Körper entscheiden können. Da sehe ich meine Verantwortung, auch das weiter voran zu treiben.

zwd: Sie fordern deshalb auch die Streichung vom Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch?

Möhring: Wir wollen nach der Sommerpause einen Antrag in die Debatte einbringen, der erst einmal auf die Streichung des Paragraphen 218a zielt – nämlich die zwingende Schwangerschaftskonfliktberatung zu streichen. Gleichzeitig soll das Beratungsrecht ausgebaut werden – beispielsweise auch durch eine stärkere Förderung von Beratungsstellen. Außerdem würde die Regelung dann so aussehen, dass Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen einer bestimmten Frist innerhalb der 12 Wochen straffrei bleiben, ohne dass es einer Zwangsberatung bedarf.

zwd: Wo sollte eine Reglung platziert werden?

Möhring: Wir müssen das nicht mehr im Strafgesetzbuch regeln, weil es ja straffrei wäre. Man kann beispielsweise eine Reglung über die Richtlinien für Ärzte und Ärztinnen herbeiführen.

zwd: Könnten Sie sich auch vorstellen, im bürgerlichen Gesetzbuch einen entsprechenden Passus einzubauen?

Möhring: Ja, das wäre auch eine Möglichkeit, dies dort festzuschreiben.

zwd: Wie planen Sie denn, die anderen Parteien von Ihrem Vorschlag zu überzeugen und welche Mehrheiten erwarten Sie?

Möhring: Ich habe den anderen Parteien gegenüber schon angedeutet, dass wir gerne einen weiteren Vorstoß wagen möchten. Ich gehe davon aus, dass wir bei Grünen und SPD sicherlich offene Türen einlaufen. Wobei die SPD natürlich im Moment in einer Situation ist, in der sie dem Koalitionswillen unterliegt. Bei der FDP erwarte ich keine offenen Türen, aber eine aufgeschlossene Debatte. Von den Unionsparteien erwarte ich natürlich Ablehnung. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Wir müssen diese Debatte jetzt weiterführen. Die Frauen in unserem Land haben die Debatte aufgenommen, es gibt viele Aktive, die für ihre Selbstbestimmung kämpfen. Ich finde das ist Anlass genug, um deren Initiativen auch im Parlament aufzugreifen, weiterzuführen und zu unterstützen.

zwd: Die FDP ist ja nicht ganz im Boot, denn dort will man ja bisher nur den Paragraphen 219a reformieren und nicht wirklich abschaffen?

Möhring: Die FDP hat deutlich gesagt, dass sie auch bei einer Streichung mitgehen würde. Sie können ihren Gesetzesentwurf genauso gut im Ordnungswidrigkeitenrecht sehen, wie zur Not auch im Strafgesetz.

zwd: Frau Möhring, aus der SPD ist zu hören, eine Debatte über die Korrektur des Paragraphen 218 käme zur Unzeit. Es gibt sogar Befürchtungen, dass die Debatte um Paragraph 218 aufgrund der gesellschaftlichen Mehrheit am Ende eher zu einer Verschärfung denn zu einer Entschärfung führt?

Möhring: Erstens glaube ich nicht, dass es für eine Verschärfung zurzeit die Mehrheiten gibt. Da hätte die SPD natürlich ein ganz entscheidendes Wort mitzureden und die parlamentarische Mehrheit ist zurzeit eigentlich eher für die Streichung. Das muss man immer wieder betonen.

Wir haben auch in unserem interfraktionellen Frauenbündnis - also mit SPD, Grünen und FDP gemeinsam - immer wieder gesagt und zusammen festgestellt, dass es im Moment im Kern um die Streichung des Paragraphen 219a geht. Die Union hat ja schon in der ersten Debatte so getan, als solle der gesamte Kompromiss um die Schwangerschaftsabbrüche aufgemacht werden. Die Linke hat die Forderung nach Streichung des Paragraphen 218 ganz klar in ihrem Wahlprogramm verankert und ich finde, es ist der richtige Zeitpunkt um eine weitergehende Debatte anzustoßen. Die Aussage: „Da wird jetzt ein Fass aufgemacht und dann wird womöglich deshalb Paragraph 219a nicht gestrichen“, würde ich als unehrlich empfinden. Die Diskussion kann es ja eben auch getrennt voneinander geben um Paragraph 219a zu streichen und die gesellschaftliche Debatte wird sowieso zum gesamten Thema geführt.

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