STREICHUNG DES STRAFRECHTSPARAGRAPHEN 219a : § 219a fällt - Union und Lebensschützer machen dagegen Front

18. Januar 2022 // Valeria Forshayt

Die Ankündigung von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), den Referentenentwurf seines Hauses zur Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a in die Ressortabstimmung zu geben, ist überwiegend positiv aufgenommen worden. Lediglich die Unionsparteien und die selbsternannten Lebensschützer-Organisationen reagierten mit wütenden Protesten.

Mit der Einleitung der Ressortabstimmung zum Entwurf eines Gesetzes mit dem Ziel der Streichung de Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch setzt Bundesjustizminister Marco Buschmann den Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition um. Nach seinem Willen soll die Abschaffung des §219a zügig erfolgen. Der bisherige, 2019 zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarte Kompromiss der SPD mit der Unionspartei in der vergangenen Legislaturperiode sei unzureichend, denn das Werbeverbot sei nur in bestimmten Fällen gelockert, aber nicht vollständig abgeschafft worden. Ärzt:innen war es nach der damaligen Gesetzesänderung nur gestattet, auf ihrer Website über die Möglichkeit einer Abtreibung zu informieren. Weitere Sachinformationen, wie die ausführliche Auskunft über verschiedene Möglichkeiten der Durchführung oder damit verbundene gesundheitliche und psychische Risiken blieben "als Werbung" weiterhin untersagt.

Der vorgestellte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums soll zukünftig eine strafrechtliche Verfolgung von Arztpraxen für das Werben von Schwangerschaftsabbrüchen unterbinden. Damit soll, wie der Justizminister sagte, ein „unhaltbarer Rechtszustand“ beendet werden. Die geplante Gesetzesänderung soll darüber hinaus auch andere Bereiche der reproduktiven Medizin abdecken, wie beispielsweise die Unterstützung von ungewollt kinderlosen Paaren. Zudem sollen Schwangerschaftsabbrüche auch wesentlicher Gegenstand der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden. „Frauen, die einen Abbruch ihrer Schwangerschaft erwägen, befinden sich in einer schmerzhaften Lebenssituation. Sie wollen sich sachlich informieren und suchen Rat zu Methoden, zu Risiken und zu möglichen Komplikationen. Diese Suche nach Rat auch außerhalb eines Beratungstermins bei einer Ärztin oder einem Arzt wollen wir erleichtern. Die Situation für die betroffene Frau ist schwierig genug - wir dürfen sie nicht noch erschweren. Und Ärztinnen und Ärzte sollen auch öffentlich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren können ohne dabei ein strafrechtliches Risiko einzugehen,“ begründete Buschmann seinen Gesetzentwurf. „Anpreisende und grob anstößige Werbung“ bleibt auch weiterhin verboten, weil sie mit der ärztlichen Berufsordnung und dem Standesethos unvereinbar wäre.

Kritik der Union und Lebensschützer, Zuspruch der Koalitionsparteien

Die Opposition wandte sich entschieden gegen die Pläne des Justizministers. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, kritisierte die Pläne der Ampel mit den bekannten Argumenten der Unionsparteien zum Schutz des ungeborenen Lebens. Die CDU-Politikerin äußerte Zweifel daran, dass die Abgrenzung von Werbung und Information so einfach möglich sei. "Wenn dort etwa stehe, dass man bei dem Eingriff fast gar nichts spüre: Ist das noch eine Information, oder ist das Werbung?" Ein Informationsdefizit für Frauen hat es nach Meinung von Winkelmeier-Becker mit der alten Regelung nicht gegeben. Mit ähnlich heftiger Kritik reagierte die Lebensschützer-Organisation ALfa. Sie sprach von einem "brutalen Angriff auf das Recht auf Leben".

Demgegenüber stellte sich Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (B90/Grüne) klar hinter den Gesetzentwurf: „Frauen, die ungewollt schwanger werden, befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation. Sie begegnen oftmals Bevormundung und Vorverurteilung, wo sie dringend Unterstützung und Beratung bräuchten. Viele Frauen suchen heute zuallererst im Internet nach Rat. Aber ausgerechnet Ärztinnen und Ärzte, die fachlich am besten qualifiziert sind, dürfen im Netz nicht über Schwangerschaftsabbrüche aufklären. Diese Hürde müssen wir im Sinne der Betroffenen schnellstens aus dem Weg räumen. Wir wollen den Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch streichen, so dass Ärztinnen und Ärzte informieren können, ohne deswegen Strafverfolgung befürchten zu müssen. Es ist ein wichtiger Schritt, dass seit heute ein erster Entwurf für die Abschaffung des Paragrafen vorliegt. Das zeigt, dass dieser Bundesregierung die Unterstützung von Frauen in Notlagen ein zentrales Anliegen ist."

Ähnlich äußerte sich die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Leni Breymaier (SPD), die begrüßte, dass nun "Schluss mit der Gängelei" der Frauen sei. Buschmann habe die volle Unterstützung der SPD-Fraktion,“ stellte die SPD-Politikerin fest.

Mit einem Beispiel zur aktuellen Gesamtlage der Abtreibungsmöglichkeiten in Bayern veranschaulichte auch ihre Fraktionskollegin, die SPD-Bundestagsabgeordnete und Rechtspolitikerin Carmen Wegge (Starnberg/Landsberg am Lech) die Dringlichkeit einer Gesetzesänderung: „In dem Bundesland, in dem ich wohne, in Bayern, gibt es laut Bundesärztekammer einige Städte und sogar Regionen, in denen Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr möglich sind. In einem Freistaat mit mehr als 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern übernimmt ein Arzt knapp ein Drittel aller Schwangerschaftsabbrüche. Das liegt daran, dass wir eine Regelung in unserem Strafgesetzbuch haben, die es sogenannten Lebensschützerinnen und Lebensschützern und radikalen Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern ermöglicht, regelrecht Jagd auf Ärztinnen und Ärzte zu machen Abbrüche durchführen, sei es durch Drohbriefe oder eben durch Anzeigen, weil sie allein dadurch Werbung machen könnten, dass sie den Abbruch in ihrem Leistungsprofil aufführen. All das erschwert also nicht nur die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten, sondern geht insbesondere auf Kosten von uns Frauen, und das ist ein unhaltbarer Zustand.“

Linken fordern zusätzliche Streichung von §218

Auch die Linken befürworten die Streichung des Paragrafen 219a. Die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE Heidi Reichinneck begrüßte „ausdrücklich, dass diese jahrealte Kernforderung linker Frauenpolitik endlich umgesetzt wird.“ Dennoch wird von Seiten der Linken auch die sofortige Streichung des Paragrafen §218 aus dem Strafgesetzbuch gefordert. Mit der alleinigen Streichung des Paragrafen §219a werde das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Frau weiterhin nicht gewährleistet. „Die derzeitige Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch kriminalisiert Medizinerinnen und Mediziner und erschwert den Zugang massiv. Deswegen fordern wir als LINKE, dass neben § 219a auch § 218 sofort gestrichen wird. Doch statt diese Streichung schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, verlagert die Ampel das Thema in eine Kommission und verschleppt das Vorhaben weiter, wie Justizminister Buschmann heute noch einmal bekräftigt hat. Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Straftat, sondern ein wichtiger Teil der reproduktiven Selbstbestimmung. Er hat deswegen auch nichts im Strafgesetzbuch zu suchen. Es muss einen sicheren, kostenlosen und flächendeckenden Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen geben, denn sie stellen medizinische Eingriffe dar. Deshalb müssen sie ferner Teil der universitären Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern werden. Es kann nicht sein, dass es in manchen Regionen Deutschlands keine Ärztinnen und Ärzte mehr gibt, die diese Eingriffe durchführen,“ führte Heidi Reichinneck aus.

Mehr dazu auch im zwd-POLITIKMAGAZIN 389.

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