VOR DEM SPD-BUNDESPARTEITAG IN BONN : Frauenpolitische Szene hadert mit Sondierungsergebnis

20. Januar 2018 // Holger H. Lührig und Dr. Ute Schulz

Im Vorfeld des Sonderparteitags der SPD, in dem es um die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU geht, haben maßgebliche Repräsentantinnen der Frauenpolitik ihren Unmut über das zwischen den beiden Parteien erarbeitete Sondierungsergebnis formuliert. Dabei geht die Spannweite der Stellungnahmen vom Bedauern, dass mit der Union „nicht mehr erreichbar“ gewesen sei, bis hin zur Feststellung, die Aussagen zur Frauen- und Gleichstellungspolitik in den 28-seitigen Sondierungspapier seien absolut ungenügend.

Bild: zwd
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zwd Berlin (ig/us). Der Deutsche Frauenrat appellierte an die potenziellen Koalitionspartner einer „Groko“, sich intensiver um Frauenpolitik zu kümmern. Die Dachorganisation der deutschen Frauenverbände erinnerte an ihren 15 Punkte umfassenden Forderungskatalog zum Koalitionsvertrag 2018-2021. Darin sind konkrete Textformulierungen für alle frauenpolitisch relevanten Politikbereiche zusammengestellt, die in einen Koalitionsvertrag aufgenommen werden müssten. Der Deutsche Frauenrat (DF) erwartet von einer zukünftigen Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu Gewaltfreiheit und Antisexismus in Deutschland. Außerdem monierte DF-Vorsitzende Mona Küppers: „Zum Ehegattensplitting können wir in den Sondierungsergebnissen nichts finden.“ Seine Abschaffung Studien zufolge die Beteiligung von Frauen im Erwerbsleben erhöhen. (Vgl. Dokument „Forderungen des Deutschen Frauenrates zum Koalitionsvertrag 2018“). Mit sehr konkreten Änderungswünschen hat sich auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) zu Wort gemeldet. Die Vereinigung verwies auf „viele Leerstellen“ im Sondierungspapier, die deshalb nicht zu einer gerechteren Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern beitrügen. Darüber hinaus fordert der djb unter anderem, dass „es nicht allein politischen Parteien überlassen wird, ob Frauen auf aussichtsreichen Listenplätzne oder in Wahlkreisen kandidieren dürfen.“ Insgesamt kritisierte djb-Präsidentin Prof’ in Dr. Maria Wersig, dass nach dem Sondierungspapier „Frauen- und Geschlechterpolitik offensichtlich nicht als Querschnittsaufgabe verstanden wird.“ (siehe gesonderte Meldung im zwd-Portal).

Laut Sondierungspapier sollen „finanzielle Ausbildungshürden bei Sozial- und Pflegeberufen“ abgebaut und Ausbildungsvergütungen angestrebt werden. Die beabsichtigte Aufwertung der sozialen Berufe bewerteten Politikerinnen und Lobbyistinnen zwar als einen positiven Ansatz. Doch greife diese Maßnahmen zu kurz. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) forderte „eine Verbesserung der Rentenanwartschaften für unentgeltlich pflegende Angehörige, um sie besser vor Altersarmut zu schützen.“ Insbesondere im Hinblick auf die Mütterrente sieht die kfd eine Gerechtigkeitslücke im Sondierungspapier und forderte, auch diejenigen Rentnerinnen zu berücksichtigen, die Grundsicherung bezögen und deshalb nicht von der Mütterrente profitieren könnten.

Unterschiedliche Bewertung bei CDU und SPD

Nach dem Ende der Sondierungsgespräche haben Frauenpolitikerinnen der beiden Parteien das Ergebnis unterschiedlich bewertet. Die frauenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön, sprach gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN von einem „starkem Signal für alle Frauen“ und hob unter anderem das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen im Öffentlichen Dienst bis 2025 hervor. Die SPD-Frauen halten das nicht für ausreichend. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast verwies gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN auf das Verhandlungsziel ihrer Partei: eine Quote von 50 Prozent für Vorstände und Aufsichtsräte: „Gerne hätten wir das durchgesetzt, doch dazu sind CDU und CSU nicht bereit.“ Diese Blockade „klaue den betroffenen Frauen unnötig die Zeit“, beklagte auch Elke Ferner, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) im zwd-Gespräch: „Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, dass die Union die Ausdehnung auf mehr Unternehmen und/oder auf Vorstände und die Anhebung der Quote auf mehr als 20 Prozent ablehnt.“ (siehe gesonderte Meldung im zwd-Portal)

Linke und Grüne: Ideenlose und unwirksame Symbolpolitik

Scharfe Kritik an de, frauenpolitischen Abschnitt des Sondierungspapiers kommt auch von Linken und Grünen. Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken, charakterisierte das Sondierungspapier gegenüber dem zwd als Ausdruck einer „vollkommen ideenlosen und unwirksamen Symbolpolitik“. Sie bemängelte, dass sich die Verhandlungspartner*innen bei der Quote lediglich auch eine „schwache Nachbesserung“ und beim Entgelttransparenzgesetz auf „Abwarten“ verständigt hätten. Keine Verbesserung beim Entgelttransparenzgesetz monierte auch Ulle Schauws gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN: „Der individuelle Auskunftsanspruch lässt zwei Drittel der Frauen in diesem Land im Regen stehen, die in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten arbeiten. Für sie würde das Gesetz auch mit einer neuen Regierung nicht gelten.“ Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion bemängelte außerdem das Fehlen von Maßnahmen für die Teilhabe von Frauen in Führungspositionen: „Es reicht nicht, Unternehmen mit einer pseudo Zielgröße Null für Frauen im Vorstand mit einer Begründungspflicht davonkommen zu lassen. Es reicht nicht, auf die Einhaltung des Bundesgleichstellungsgesetzes zu pochen. Eine Regierung muss Strukturen der Benachteiligung von Frauen anhand konkreter Vorstöße gesetzlich bekämpfen.“

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